Nosferat und Murony

Bram Stoker bedient sich der Bezeichnung nosferatu, ein Name, der durch den Film F. W. Murnaus (1922) berühmt geworden ist, in dem Max Schreck den Grafen Dracula spielt. Allerdings vermischt er zwei unterschiedliche Gestalten des rumänischen Volksglaubens: den eigentlichen nosferat (ein Wiedergänger), den walachischen murony, die strigoi, moroiu und stafia, über die wenigstens einige Worte gesagt werden müssen, denn sie dürften nicht allgemein bekannt sein!
   Wie der Nosferat ist der walachische murony die illegitime Frucht zweier illegitimer Kinder oder der schädliche Geist einer von einem Vampir getöteten Person. Am Tage liegt er in seinem Grab, in der Nacht schweift er frei herum, wohin ihn seine Begierde treibt, und trinkt das Blut der Lebenden. Er ist unsterblich und kann nur vernichtet werden, wenn man seinen Körper, den man an seinem blühenden Aussehen im Sarg erkennt, ausgräbt, wenn man ihm mit einer Nadel die Brust durchsticht und ihm das Herz mit einem Holzpfahl durchbohrt und wenn man ihn verbrennt. Man glaubt, der murony könne sich in Hund, Katze, Kröte, Frosch, Floh, Laus, Wanze, Spinne verwandeln. Er hinterlässt nicht immer einen Fleck am Hals der Person, deren Blut er gesaugt hat - und das verstärkt noch die Furcht der Leute angesichts einen unerwarteten Todes.
   Der Nosferat ist häufig ein totgeborenes Kind; sobald es beerdigt ist, wird es wieder lebendig, verlässt das Grab, um nie mehr dorthin zurückzukehren, verwandelt sich in Hund, meist in schwarze Katze, Skarabäus, Schmetterling und sogar in einen Strohhalm, saugt das Blut alter Leute und begattet die Frauen. Seine Opfer magern ab, siechen dahin und sterben. Wird ein Kind solchermaßen gegen alle Natur geboren, ist es, nach den einschlägigen Berichten, stark behaart, von grauenhaftem Aussehen und wird nach seinem Tod zu einem moroiu (...).


Aus: "Die Geschichte der Vampire. Metamorphose eines Mythos." von Claude Lecouteux.