Leseprobe aus "Die Tulpen des Suleiman. Ein Spaziergang durch die Gärten der Geschichte"
von Holger Lundt


(...) Es dürfte Busbeqc auch nicht entgangen sein, dass die Tulpe die Lieblingsblume von Suleiman dem Prächtigen war: Seine cremefarbenen, glänzenden Satin- und Brokatgewänder waren mit Reihen von Tulpen bestickt. Sogar der Kopfharnisch seines Pferdes war eine in vergoldetes Metall getriebene Tulpe. Seit dem 16. Jahrhundert ist die Tulpe ein fester Bestandteil der osmanischen Kultur. Besonders schöne Tulpenmotive sind auf den Fliesen im Topkapi-Serail, dem Sultanspalast von Istanbul, zu bewundern.

Auch die Herrscher weiter im Osten waren begeistert von der Tulpe. Muhammad Babur (1483-1530), Gründer des Mogulreiches und Herrscher über Indien, Afghanistan und Usbekistan, ließ große Gartenanlagen in Kabul und Samarkand mit Tulpen bepflanzen und brachte die Blume sogar bis nach Indien. Bei seinen weiteren botanischen Forschungen entdeckte Busbecq in Kleinasien auch den Flieder (Syringia vulgaris) und die Rosskastanie (Aesulus hippocastanum), deren Ableger er zusammen mit Tulpenzwiebeln mit nach Wien brachte. So gelangte die erste nach Europa eingeführte Tulpe in die Hände des kaiserlichen Gärtners Carolus Clusius, ein Wiener Freund des Busbecq. Nach erfolgreicher Züchtung kehrte Clusius einige Jahre später in seine alte Heimat nach Leiden in Holland zurück und bildete dort mit einer stattlichen Zahl an Tulpenzwiebeln die "Keimzelle" der holländischen Tulpenkultur.

Besonders bemerkenswert ist das zwischen 1634 und 1637 in Holland grassierende Tulpenfieber mit außerordentlich hohen Preisen für neue Sorten. Es gab gewagte Spekulationen, bei denen noch gar nicht gezüchtete und daher noch nicht real vorhandene Sorten zu exorbitanten Preisen gehandelt wurden. Man nannte diese Spekulation "Windhandel": welch treffende Bezeichnung für windige Geschäfte! Die Spekulationsblase diese "Neuen Marktes" platzte schließlich am schwarzen 2. Februar 1637, als auf einer Versteigerung von Blumenzwiebel in Haarlem die Preisspirale plötzlich zusammenbrach; viele verloren ein Vermögen. Auf dem Höhepunkt dieses Tulpenfiebers haben die teuersten Zwiebeln bis zu 10000 Gulden pro Stück gekostet, was dem damaligen Wert eines Patrizierhauses in Amsterdam entsprach.

Etwa ein Jahrhundert später brach das Tulpenfieber erneut aus, allerdings nicht in Holland, sondern im Ursprungsland der Tulpe, in der Türkei. Türkische Historiker bezeichnen die Regierungszeit Sultan Achmeds III. von 1703 bis 1730 als "lale devri", was Tulpen-Ära heißt. Sultan Achmed war völlig vernarrt in Tulpen. Für große Summen importierte er Millionen von Tulpenzwiebeln aus Holland, um üppige Gärten anlegen zu lassen. In seinem Palast fand jedes Frühjahr ein großes Tulpenfest statt, bei dem er in äußerst prunkvoller Weise seine botanischen Schätze präsentierte. Neben den seltensten und teuersten Sorten im Palastgarten selbst wurden Tausende von Schnittblumen in Glasflaschen vor großen Spiegeln aufgestellt, um den Gesamteindruck noch zu verstärken. Zwischen Blumenbeeten saßen Singvögel in goldenen Käfigen. Abends beleuchteten umherlaufende Riesenschildkröten mit Kerzen auf dem Rückenpanzer die bunten Arrangements. Auf dem Höhepunkt des Festes betrat, eingeleitet von einem Gongschlag, der Sultan mit einer Schar von Haremsdamen den blühenden Garten. Doch dieser Luxus und die Extravaganz wurden Sultan Achmad zum Verhängnis. Seine Verschwendung von Staatsgeldern heizte eine Revolte an, die seine Herrschaft beendete. (...)


Holger Lundt: "Die Tulpen des Suleiman. Ein Spaziergang durch die Gärten der Geschichte"
Artemis & Winkler. 110 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

In sieben Miniaturen erzählt Holger Lundt eine einzigartige Weltgeschichte: die historisch Großen im Spiegel ihrer Gärten. Die Pharaonin Hatschepsut rüstete eine Expedition aus, um Weihrauch aus dem legendären Land Punt zu besorgen, Suleiman der Prächtige erfreute sich am Farbenspiel seiner Tulpen, und der us-amerikanische Präsident Jefferson kultivierte Tomaten und Auberginen.
Botanisches Hintergrundwissen rundet die Texte ab - ein Genuss für Naturfreude wie für historisch Interessierte.