Leseprobe:
Dem ausgehobenen Grab entsteigt
- wie auf einem fliegenden Teppich -
Adam.
In einem schwarzen Overall. Die Knöpfe auf der Bluse sind rot. Adam setzt sich
auf den Haufen ausgehobener Erde. Aus seiner Hosentasche nimmt er einen Flachmann.
Er schluckt dreimal. Bedächtig, als wäre der Inhalt ein Aufputschmittel. Adam
sieht aus wie ein Mann aus Überzeugung. Der Mann als Mann. Im rechten Mundwinkel
freundliches Lächeln.
Im linken gefährlich dunkles Lächeln. Eine Adlernase. Das
linke Auge blau, das rechte grün. Von einer Pupille zu anderen springen kleine,
orangefarbene Funken eines Verführers. Über den Augen zwei buschige Augenbrauenbögen
wie bei Mephisto. Nur auf dem Scheitel schwarzes Haar.
Gekraust wie bei einem Mohren. Links und rechts an seiner
ovalen Stirn zwei unerklärliche Beulen. Mit dem Handrücken der rechten Hand
wischt sich Adam den Schweiß von der Stirn. Feindselig schwül der sommerliche
Morgen. Widerlich aufdringlich das Surren der Grillen. Die schwarzen Wolkenpolypen
werden bösartig und ersticken die Sonne. Der Tag verdichtet sich zu dunklem
Russ. Adam schießt mit neronischem Lachen einen stählernen Blick in den Himmel.
Er nimmt den silbernen Spaten aus dem Gras. Den Stiel hebt er gegen den Himmel.
Er stößt einen stählernen Pfiff durch die Zähne. Aus einer schwarzen Wolke saust
ein dünner Blitz in das Stielende, das grünes Feuer fängt. Adam zündet sich
damit eine dicke Zigarre an. Bläst die grüne Flamme aus. Den Spaten stößt er
in die Erde. Setzt sich auf den ausgehobenen Haufen. Raucht gelangweilt. Sein
blaugrüner Blick pulsiert lauernd. Seine Ohren zittern leise, sie lauschen.
Ein Präludium aus Blitz und Donner vor der Regensymphonie.
Hinter einem Grabstein eckt - im weißen Kapuzengewand - Morana
hervor. Unirdisch durchsichtig. Unter dem Gewand mäandert eine lange, knochige
Gestalt. Morana hat einen flachen Aktenkoffer bei sich. Darin eine zusammenklappbare
Sense. Sie schreitet zwanzig, dreißig Zentimeter über dem Boden. Bleibt vor
Adam stehen. Gelangweilt sagt sie:
Warum heben Sie die Gruben an einem gewittrigen Tag aus? Die
Wolke wird sich erbrechen, und die Erde wird fett, klebrig.
Adam leckt seine fleischige Oberlippe.
Gestatten Sie, weißes Fräulein, meine schwarze Aufrichtigkeit.
Ich liebe ekstatisch Gewitter, Donner und fette, schwere Erde.
Morana lacht klappernd und klopft nervös mit der knochigen
Faust auf den Aktenkoffer, sodass der Spatzenschwarm von der nahen Zypresse
davonflattert.
Genug Theater! Warum tust so, als würdest du mich nicht kennen,
du schwarzer Gräber Adam alias Teufel!
Dasselbe frage ich dich, weißes Fräulein Morana - alias Tod.
Du kommst mir etwas hysterisch vor.
Ich bin erschöpft, du teuflischer Teufel!
Auch für mich ist es teuflisch ermüdend, durch Jahrhunderte
nur der Teufel zu sein. Drum eine Pause, zum Teufel. Gehen wir!
Wohin?
Uns ausruhen. Einen Monat oder zwei wirst du das Lebentöten
unterbrechen. Gehen wir auf einen lustigen Urlaub!
Ich verstehe nicht.
Ich werde mir zu Nutze machen, was Woland, der Professor der
schwarzen Magie, mich gelehrt hat.
Kenne ich nicht.
Mein Bruder. Nach dem Willen des Vaters Mephisto, ich, Adam,
Seelengräber, Profi
der schwarzen
Magie. Lustig machte er sich - und zwar auf eine geniale Weise mit Hilfe
des Schriftstellers
Bulgakow
- über ...
Mach dich nicht wichtig vor mir mit deinem geschichtlichen
und literarischen Wissen. Du weißt ja, dass ich übergeschichtlich und überliterarisch
bin.
Sag schon, was dich dein Bruder lehrte!
Übernatürliche Kräfte zu gebrauchen.
Morana - immer nervöser -schnaubt trocken durch die Nase.
Mit der knochendürren Linken krallt sie nach der Kapuze, damit der stürmische
Wind sie nicht von ihrem Schädel bläst. Blauschwarze, trächtige Wolken paaren
sich. Silberne Blitze stoßen in die gewittrige Dunkelheit. Bleierne
Schatten
spalten
Grabsteine und Kreuze. Das Tageslicht versteckt sich in den Efeugirlanden
an der Friedhofsmauer. Das glitschige Dunkel vernebelt die Friedhofswege. Überzieht
die Zwergzypressen. Löst die Konturen des Müllbehälters auf. Lässt weggeworfene
Grabblumen grau werden. Löscht die schwarzgekleidete Alte, die bucklig aus dem
Friedhof schlendert.
Adam schielt genießerisch in den schwarzen Himmel.
Weißes Fräulein Tod. Zu Ehren unserer geschichtsträchtigen
Flucht in den Urlaub veranstalte ich des Teufels Feuerwerk!
Adam blinzelt mit dem grünen Auge. Im Zickzack wird der schwarze
Himmel von einem grünen Blitz durchschnitten. Er blinzelt mit dem blauen Auge.
Der Himmel wird von einem blauen Blitz durchbohrt. Stählerne Blitzschläge verspritzen
rote Funkenströme.
Der stürmische Wind hat das Gewitter schon tief über den
Friedhof
gebracht. Aus den Blasen der schwarzen
Wolken ergießen sich silberne Regenfälle.
Morana hebt den Aktenkoffer über den Schädel:
Ich werde nass bis auf die Haut.
Bis zu den Knochen, Liebste.
Adam blinzelt abwechselnd mit dem blauen und mit dem grünen
Auge. In die Gewitterwolken steigen grüne und blaue Pfeile:
Wooo - land! Re ... Re - inkarnation! Re - Reegenschirrrrm!
Zwei schöne ... zwei junge ...
Morana und Adam lächeln einander hypnotisch an, auf einmal
sind sie sportlich gekleidet. In den Händen halten sie große, aufgespannte Regenschirme.
Adam stößt einen stählernen Pfiff aus. Und schon steigen sie unter den durchsichtigen
Schirmkuppeln auf und verschwinden in den gefräßigen Wellen der Gewitterwolken.
Die fröhlichen, stählernen Pfiffe Adams verlieren sich ...
Aus
"Wenn der Tod Ferien macht" von Igor Torkar.
Drava Verlag, 2001. 256 Seiten.
ISBN 3-8543-5344-8.
ca. EUR 19,84. ... mehr über dieses Buch ...