Gilgamesch
Enkidu mein freund - böses blut mag zwischen uns
geflossen sein doch was immer zwischen uns stand
vermag nicht meine liebe zu dir zu mindern
und deshalb werde ich das tun was kein könig je tat
ich werde dich auf den thron an meiner seite erheben
Ninsun
Aber noch bevor er den satz beendet hatt kam Ishtar
herab von ihrem himmel wie der morgenstern
sie war gekleidet wie für die Heilige Hochzeit
in königliche kleider gehüllt leuchtender karneol
um ihren hals. sie kam um ihr recht einzufordern
und sie kam ganz als frau die wimpern gesenkt -
dann aber schlug sie die lider auf und blickte
begehrlich zu ihm die lippen leicht geöffnet:
Ishtar
Komm Gilgamesh du sollst mein liebhaber sein!
werd mein geliebter heut nacht schenk mir
all deine lust dann mache ich dich zum mann
geb dir das jawort und werd dir königin sein!
Einen streitwagen lasse ich dir anschirren
wie ihn noch kein könig hatte: räder aus gold
die griffe der zügel aus bernstein und ziehen
wird ihn ein gespann vollblütiger maultiere
Wir werden in ihm zu unserem palast fahren
zu nach zedernöl riechenden zimmern
mit dem die diener den boden besprengt haben
und sobald du über unsere schwelle schreitest
werden die höchsten priester dir die füße küssen
könige prinzen und fürsten vor dir niederknien
und dir ihren tribut erweisen dich überhäufen
mit allem was es in unserem land und den bergen gibt
Und deine herrschaft wird eine fruchtbare sein
deine ziegenherden werden sich verdreifachen
die schafe zwillinge werfen die kräftigsten ochsen
wirst du unterm joch haben die esel werden mit mehr
als je zuvor bepackt sein - und mit meinem gespann
vor deinem wagen gewinnst du spielend jedes rennen!
Gilgamesh
Die zügel erst einmal fest in deiner hand - nachdem du erst
einmal um die meine angehalten hast? glaubst du denn
wirklich ich würd mich aushalten lassen von dir?
Es ertragen können könig von deinen gnaden zu sein?
was für ein mann wär ich dann wohl ...
Als frau läßt du dich nehmen ja - göttin Ishtar
wenn ich dich aber zu meiner frau nehme -
wärst du dann auch meine frau? und dientest mir
als deinem mann? Brächtest du mir morgens
meine kleider? das öl um mich zu salben?
das essen auf den tisch ohne widerspruch?
Heiraten willst du mich? - du die es gewohnt ist
das brot zu essen das einem gotte zusteht
und bier zu trinken wie ein könig - doch du hast wohl
vergessen daß es dein bote ist - der gärtner Ishullanu
der in der hochzeit mann und frau für alle ewigkeit
aneinanderbindet?
                         Nichts anderes bist du
als die fleischgewordenen treulosigkeit - und sollst
denn auch verflucht sein für deine hinterlistigen launen:
du drängst dich mir auf und hältst das für verführerisch?
Wie die verkommenste und abgelebteste hure soll
dein haus nichts als nur das bißchen schatten sein
den meine stadtmauer hier zu mittag wirft und
nicht einmal die kleider am leib sollen dir noch bleiben!
Gibts denn überhaupt einen der dich heiraten würde?
In meiner liebe rote frucht willst du beißen sagst du -
und jeder weiß was du mit der geblümten rede meinst -
du selbst aber bist ein baum der keine früchte trägt
ein leben mit dir bliebe so kinderlos wie einsam
Nur eine klappernde tür die den wind nicht abhält
läßt sich aus diesem wurmstichigen stamm zimmern
und sein holz gibt im kohlenbecken bloß eine glut
die beim ersten frost erlischt: nichts als ein strohfeuer
ist deine lust und das dach des palastes den du mir
versprichst würd beim ersten wind zusammenstürzen:
wer auf dich baut der hat nur auf sand gebaut
Ich sags deutlicher: du beißt selbst noch die hand
die dich füttert bist unersättlich ein faß ohne boden
ein lederschlauch der auf den tropft der ihn schleppt
eine sandale die dem wasserträger blasen scheuert -
der wenn er sich dann hinunterbückt merkt daß er
in einen ganzen pfuhl von klebrigem teer getreten ist
den er mit nichts mehr von seinen füßen bekommt

Welchen deiner liebhaber hast du denn wirklich geliebt?
kam auch nur ein einziger von ihnen ins paradies
das du mir jetzt versprichst? Meinst du ich weiß nicht
wies ihnen mit dir erging? Muß ichs erzählen?

Den löwen hast du geliebt seine kraft im sprung
und ihm dafür sieben und sieben gruben gegraben
Das pferd hast du geliebt seine heißblütigkeit
in der schlacht und es dafür zu peitsche sporen
und zügel verdammt zu siebzig meilen langen ritten
nur damit es dann das schlammige wasser trinken darf
das es mit eigenen hufen aufrührt im fluß
Den eichelhäher hast du geliebt sein blaues gefieder
und ihn dafür gefesselt die flügel ihm gekappt
daß er jetzt nur mehr im wald herumhüpfen kann
sich ohnmächtig beklagen und kappi! kappi! schreien


(aus dem Gilgamesh-Epos
in der Nachdichtung von Raoul Schrott;
Hanser Verlag)