Shamhat
Als wir nach Uruk kamen gab es einen großen auflauf
es sprach sich schnell herum wer er war und was er
vorhatte. Enkidu konnte sich der menschenmenge
kaum erwehren die seine muskeln begrapschte
und ihn überall betatschte: er gleicht Gilgamesh
riefen sie aus bis aufs haar und ist wie er gebaut
vielleicht ein wenig kleiner und sicher etwas häßlicher
aber dafür ist er stämmiger und hat die breiteren knochen
Kann gut sein daß er stärker ist hoffen wir daß ers
ihm zeigt und ihn in die schranken weist - was wetten wir?
Es war ein festtag für jung und alt sie küssten ihm alle
die füße wie kinder hoben ihn auf die schultern trugen ihn
wie einen volkshelden durch die stadt und erklärten ihn zu
ihrem favoriten - nur Gilgamesh ließ sich nicht sehen
nirgendwo - also setzte ihn der zug bei jenem haus ab
wo die hochzeitsvorbereitungen schon im gange waren
und das bett bereit
                                  Da kam Gilgamesh. beide maßen sich
mit blicken. kein wort fiel es genügte daß Enkidu ihm
den weg versperrte und sich vor die tür stellte. schon
hatten sie einander an den schultern gepackt und
ein ringkampf begann: die pfosten wackelten
von der mauer platzte der lehm sie schoben sich
die straße hinunter bis zum marktplatz schenkel an
schenkel ineinander verkeilt wie stiere und die menge
sah atemlos zu - es war still wie noch bei keinem kampf

Plötzlich aber hörte Gilgamesh sich zu wehren auf
sein gesicht wurde ausdruckslos und starr so daß nun
auch Enkidu innehielt. grunzend standen sie sich gegenüber
keiner hatte den anderen besiegt zu wem die stadt hielt aber
das spürte man. da streckte Enkidu die hand aus und sagte:
Enkidu
Bist nicht von schlechten eltern du -
man muß dich mit büffelmilch großgezogen haben!
Scheinst manns genug um könig hier zu sein!
Shamhat
Und Gilgamesh ergriff die hand die menge ringsum
schwieg gespannt
Gilgamesh
                              Als gegner bist du eines königs würdig!
Dich an der seite zu haben aber würd mir zur ehre gereichen!
Shamhat
Das war auch ans volk gerichtet - das in jubel ausbrach
als sie sich umarmten. Enkidu hab ich seitdem kaum mehr
gesehen: er ging mir zwar nicht aus dem weg aber er kam
von Gilgamesh nicht los - und wenn er mich besuchte
dann heimlich nachts. doch es war nicht mehr so wie vorher
nicht mehr das gleiche - es war wies immer ist


(aus dem Gilgamesh-Epos
in der Nachdichtung von Raoul Schrott;
Hanser Verlag)