Enlil
Die
fehlende Menschheit
hast du aus einem Gott erschaffen - den wir töten mussten
weil er den aufstand einiger von uns gegen Anu anführte
Ihn schächteten wir auf Anus befehl - und sein blut
tropfte in den gelben lehm und band ihn
In
der grube
mischte ein gott sich mit den menschen: aus seinem fleisch
kam das leben in sie - die seele die in ihnen weiterlebt
um uns immer an seine tat zu erinnern und an seinen tod:
sein pochendes herz
Menschen
hast du aus lehm erschaffen
die fehlten - auch nun erschaff uns einen der dem Gilgamesh
ebenbürtig ist:
ein
ebenbild ohne fehl - daß sie
einander
gewachsen sind damit in Uruk wieder frieden herrscht!
Mammitum
Ja nach Anus wort bildete ich einen mensch
ich sah ihn in mir - tief innen wie einen vorwurf
und langsam gewann er gestalt
Ich
befeuchtete
meine hände mit wasser nahm den lehm und kniff mir
einen großen klumpen ab. ich knetete ihn weich
schlug ihn spuckte darauf und gab ihm seine form
Dann warf ich diesen rohling weit hinein ins hochland
der wüste damit er ausbrenne und hart werde
wie in aus allen himmeln gefallner stein
Enki
wie
lehm
in der hitze springt sich überzieht mit feinen rissen
so war auch er über und über bedeckt von haar
Es wuchs so dicht wie ein horst alfalfa-gras
und fiel der ungeschlachten kreatur strähnig
über den rücken lang wie bei einer frau
So
kam
Enkidu in der stille der
wüste
zur welt und wußte
nichts von anderen menschen. er kannte kein haus
kannte nur den wind. unter den wildherden
wurde er groß. er grub nach wurzeln und graste
auf der steppe. er drängte sich mit den
gazellen
am wasserloch und paarte sich im schlamm mit ihnen
Sich selbst sah er nur im spiegel des wassers
sah sich aber erkannte sich nicht
Ich
der gott Enki
gab ihm seine größe und seinen namen. Enkidu
zu heißen war ihm von geburt an bestimmt:
zu zwei teilen war er mensch zu einem tier
(aus
dem Gilgamesh-Epos
in der Nachdichtung von Raoul Schrott;
Hanser Verlag)