»Wem gehört die Republik?«
gibt es seit nunmehr
15 Jahren. Die ursprüngliche Idee war es, die großen Konzerne, die maßgeblichen
Einfluß auf Politik und Gesellschaft haben, transparenter zu machen, ihre Beteiligungsstrukturen
innerhalb der deutschen Wirtschaft aufzuzeigen und die in den Großunternehmen
agierenden Personen und Persönlichkeiten zu benennen. Zu Beginn erschien das
Buch alle zwei Jahre, dann jährlich. War es anfangs noch denkbar, eine Analyse
der Wirtschaftsmechanismen zu erstellen, die für einen längeren Zeitraum Gültigkeit
hatte, zeigte sich schon bald der grundsätzlich neue Charakter der Ökonomie
in den neunziger Jahren. Die
Globalisierung,
die Wiedervereinigung Deutschlands, das weltweite Aktienfieber und der Aufstieg
des Shareholder Value zur entscheidenden Erfolgsgröße erhöhten die Geschwindigkeit
des Wirtschaftshandelns hin zum Aktionismus und produzierten damit immer neue
Daten und Fakten.
»Wem gehört die Republik?« stellte von Anfang an feste Schlüsselkategorien zum
Strukturverständnis der großen Konzerne in den Mittelpunkt: Besitzverhältnisse,
Verflechtungen, maßgebliche Konzerndaten, Innovationsmanagement, Zusammensetzung
der Leitungs- und Kontrollgremien. Doch es kam viel mehr dazu: Das Buch analysiert
die operative Basis der Großunternehmen, ihr Agieren am Standort Deutschland
und die immer stärker werdenden Aktivitäten im Ausland. Jahr für Jahr aufs Neue,
ständig fortschreibend.
15 Jahre »Wem gehört die Republik?« spiegelt auch ein Stück deutscher und internationaler Wirtschaftsgeschichte wider. Diese ist auf der einen Seite immer noch geprägt von Tradition, Kontinuität und Verantwortung, auf der anderen Seite von Rücksichtslosigkeit, Maßlosigkeit und einem Mangel an Visionen. Vergleicht man die 100 Größten der deutschen Wirtschaft, so wird auf einen Blick das Ausmaß des Wandels zwischen 1990 und 2005 sichtbar. Verschiedene große traditionsreiche Namen sind als eigenständige Akteure ganz verschwunden, in Fusionen und Verschmelzungen aufgegangen, verkauft oder zerlegt. Hoechst verschwand unter dem Dach von Aventis (jetzt Sanofi-Aventis). Mannesmann wurde im größten Coup der internationalen Wirtschaftsgeschichte durch die britische Vodafone-Gruppe akquiriert, ausgeschlachtet, zerteilt und abgestoßen. Die Preussag, der historisch gewachsene Kohle-, Stahl- und Anlagenkonzern, wurde mit der Übernahme der TUI handstreichartig zum weltweit größten Touristikkonzern umgebaut. Aus Viag und VEBA wurde E.ON, und auf dem Weg zum allumfassenden Energie-Konzern kaufte E.ON auch noch die Ruhrgas AG. Andere Großunternehmen überlebten die letzten Jahre nicht: Die Pleiten der Bremer Vulkan, von Philip Holzmann, Babcock Borsig und der Kirch-Gruppe spiegeln eine Gemengelage von Managementversagen, Größenwahn und Korruption. Die vielleicht erstaunlichste Entwicklung: Die im Expansionsrausch gewachsene und Anfang der 90er Jahre abgestürzte Metallgesellschaft (heute: mg technologies) akquirierte zunächst den GEA-Konzern, um jetzt 2005 in ihm aufzugehen (die Tochter schluckt die Mutter).
Das Buch will vor allem
die großen deutschen Aktiengesellschaften und ihren immensen Einfluß auf Politik
und Gesellschaft in einem nachvollziehbaren Kontext bewerten. Darüber hinaus
geht es auch um die Rolle der nicht publizitätspflichtigen Großunternehmen,
die in den zurückliegenden Jahren eher noch öffentlichkeitsscheuer und verschlossener
geworden sind. Das gilt traditionell für die großen Handelsunternehmen wie Aldi
und Lidl, aber auch für die im Privatbesitz befindlichen Industriekonzerne,
die sich eigentlich immer nur dann vorsichtig öffnen, wenn sie Geld über den
Kapitalmarkt benötigen.
Zunehmend trifft die restriktive Informationspolitik auch auf die in Deutschland
operierenden Tochtergesellschaften großer ausländischer multinationaler Konzerne
zu (Opel und Ford, die großen Mineralöl-Konsortien ExxonMobil, BP, Shell und
Total, die Lebensmittelkonzerne Nestle und Unilever, die IT-Multis
IBM
und Hewlett-Packard). »Wem gehört die Republik?« versucht auch diese Unternehmen
zu durchleuchten, vor allem ihre Rolle hierzulande transparenter zu machen.
Der allseits propagierte Glaube an den Markt und die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft, an stetes Wachstum und strategisches Managementverhalten hat sich im Laufe der letzten Jahre vielfach als haltlos entpuppt. Die Unternehmen sind vor allem im Zusammenhang mit konjunkturellen Tiefs und rezessiven Tendenzen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Kritisiert wird das Fehlen nachhaltiger Unternehmensstrategien und die Unterordnung aller wirtschaftlichen, aber auch ethisch-moralischen Maßstäbe unter den kurzfristigen Profit. Kritisiert wird die Zerschlagung gewachsener Strukturen, der Verkauf ganzer Unternehmensteile, die Dezimierung der Belegschaften, die Negierung gesellschaftlicher Verantwortung.
Für nahezu alle Entscheidungen der Großunternehmen muß die »Globalisierung« als Allzweckbegründung herhalten. Die Politik setzt diesem Verhalten längst kein eigenes Konzept mehr entgegen, sondern folgt immer bereitwilliger den Vorgaben der Wirtschaft. Selbst die von vielen Großunternehmen übernommene Strategie der Fokussierung auf die Kerngeschäfte wird auch dann noch sanktioniert, wenn gezielte Akquisitionen zur Besetzung marktbeherrschender Positionen führen. Wenn es darum geht, daß deutsche Konzerne im internationalen Wettbewerb vorgeblich besser bestehen können, werden selbst neue Formen der Monopolbildung in Kauf genommen, wie beispielsweise auf dem Energiesektor. Dann funktioniert wieder die von einer kleinen Gruppe exklusiver Unternehmen und ihrem leitenden Personal beherrschte »Deutschland AG«, die wiederum von ihren Ex-Managern kontrolliert wird. Diese Deutschland AG ist dabei, das historisch gewachsene Konsensmodell der Sozialen Marktwirtschaft aufzukündigen. Sie droht immer offener damit, den Standort Deutschland jeweils dann zu verlassen, wenn Politik, Sozialpartner und Gesellschaft nicht die Forderungen der Unternehmen erfüllen. Dazu kommt die hemmungslose Selbstbedienungsmentalität in den Chefetagen, während der Reallohn der Arbeitnehmer weiter sinkt.
Die neue, vollkommen überarbeitete Ausgabe von »Wem gehört die Republik?« nimmt diese Debatte auf und beleuchtet die nationalen und internationalen Strategien der großen Konzerne und ihrer Managements. Gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um Mehrarbeit und Lohnsenkungen, um eine neue Zumutbarkeit für die Arbeitnehmer, benennt das Buch die betrieblichen Vereinbarungen, die den Konsens der traditionellen Tarifparteien vielfach sprengen. Für die vielbeschworenen Zukunftsthemen Bildung und Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung liefert es Indikatoren für die Innovationsfähigkeit der großen Konzerne.
Die neue Gestaltung des Buches dient einer verbesserten Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit. Das Buch enthält auch 2004/2005 wieder ein Management-Ranking in der Skala von einem Stern (»sehr schlecht«) bis zu fünf Sternen (»sehr gut«).
Wem gehört die Republik? Eine Frage, die im Zuge der Globalisierung der Wirtschaft zunehmend anachronistisch schien, ist heute am Standort Deutschland wieder von existentieller Aktualität. (...)
Rüdiger Liedtke:
"Wem gehört die Republik? 2005"
Seit Jahren analysiert kein Buch die Besitzverhältnisse in diesem Land so genau
wie Rüdiger Liedtkes Klassiker Wem gehört die Republik? Daten und Hintergründe
über die 100 Größten der deutschen Wirtschaft, Geschäftsfelder und Beteiligungen,
Umsätze und Aktienkurse: von einem unentbehrlichen Industrie-Enthüllungsbuch
sprach die Süddeutsche Zeitung.
Standort Deutschland: Liedtkes vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe
liefert eine Bestandsaufnahme. Auffällig sind Strategiedefizite und fehlende
Visionen deutscher Unternehmen, die zur Krisenanfälligkeit der Konzerte entscheidend
beigetragen haben. Bisherige "Perlen" werden zu potentiellen Übernahmekandidaten,
was seine Gründe nicht nur in Überschuldung und der Entlassung qualifizierten
Personals hat, sondern auch darin, dass die deutsche Management-Elite sich darin
gefällt, vermeintlichen Trends hirnlos hinterherzuhecheln: Synergien um jeden
Preis, scheint das Motto zu lauten.
Wie sehen die Strategien deutscher Konzerne aus? Was machen die Manager mit
dem Kapital der Anleger? Das Jahrbuch klärt auf. Es liefert alle wichtigen Daten
zu sämtlichen Aspekten der Unternehmenspolitik: Geschäftsfelder, Beteiligungen,
Vorstände und Aufsichtsräte, Umsätze, Arbeitszeit- und Bezahlungsmodelle, Standortfragen,
Forschung und Entwicklung. Umfassender kann man sich über die deutsche Wirtschaft
kaum informieren. (Eichborn)
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