Leseprobe aus "Die Rosen der Kleopatra. Ein Spaziergang durch die Gärten der Geschichte"
von Holger Lundt


(...) Über den Eindruck, den die mit funkelndem Schmuck behangene Kleopatra in ihrem langen fließenden Gewand auf Marcus Antonius machte, berichtet Plutarch weiter:
"Vor allem verließ sie sich auf die Wirkung ihrer persönlichen Gegenwart und den Zauber, den ihre Körperlichkeit ausstrahlen konnte."
Obwohl Marcus Antonius Kleopatra zu sich befohlen hatte, übernahm diese gleich nach ihrer Ankunft die Regie über die Geschehnisse und lud ihn zu sich ein. Sie veranstaltete am ersten Tag ein königliches Gastmahl für ihn und seine führenden Offiziere. Die Männer waren überwältigt von dem prunkvollen Gelage; jeder durfte anschließend das goldene Tafelgeschirr, von dem er gespeist hatte, und wertvolle Teppiche als Geschenk mitnehmen. Am zweiten und dritten Tag steigerte sie den Aufwand, und jedes Mal gab es wertvollere Geschenke, bis hin zu Pferden mit silbernem Zaumzeug für die Offiziere. Doch der absolute Höhepunkt war der vierte Tag. Der griechische Historiker Sokrates von Rhodos beschreibt die Szene:
"Am vierten Tag ließ sie eine Geldsumme in Höhe eines Talents zum Kauf von Rosen verteilen. Der Fußboden der Bankettsäle wurde eine Elle hoch mit den Blüten bestreut, und ein Netz von Girlanden bedeckte das Ganze."
In anderen Überlieferungen heißt es, das Schlafgemach Kleopatras sei von Rosen überflutet gewesen, als sie Marcus Antonius bei sich empfing.

Offensichtlich wusste Kleopatra, wie sehr die Römer auf Rosen versessen waren. Verschwenderischer Umgang mit diesen Blumen war in Rom zu dieser Zeit der Inbegriff von Luxus. Gäste wurden bei Festgelagen mit Rosenwasser besprüht, Sitzkissen und Bettdecken mit Blütenblättern gefüllt, aus kaiserlichen Springbrunnen floss Rosenwasser, und die Blüten wurden bei den Banketten verstreut. In den Amphitheatern wurden die nobelsten Plätze mit Sonnenbaldachinen versehen, die mit stark duftendem Rosenparfüm getränkt waren. Wir können nur annähernd ahnen, mit welch verschwenderischer Blütenpracht rauschende Feste gefeiert wurden. Nero ließ bei einigen seiner Orgien Rosenblüten von den Decken regnen. Den Gipfel der Exzesse bildete das Krönungsfest des Kaisers Elagabal, als beim Bankett einige Gäste unter einer von oben herabfallenden Flut von Rosenblüten erstickten. Es gehörte damals zum guten Ton, dass bei Gastmählern die Anwesenden mit Blumenkränzen, insbesondere aus Rosen, geschmückt waren. Cicero verwendet die Redewendung "potare in rosa", "inmitten von Rosenschmuck trinken". Bei Martial heißt es "cum rosa regnat", "wenn die Rose regiert", und dies war eine  Umschreibung für eine Zusammenkunft unter Freunden bzw. für ein sich anschließendes Trinkgelage. Dabei symbolisierte die Rose auch Vertraulichkeit und Verschwiegenheit.
Der Bedarf an Rosen in den römischen Städten war enorm. Varro empfahl den Landgütern in Stadtnähe Rosen- und Veilchenproduktion im großen Stil. Der Agrarschriftsteller Columella schwärmte, es  lohne sich für den Bauern, "mit hartem Daumen die weichen Blumen zu pflücken". Nach dem Verkauf seiner Ware werde "der Marktbeschicker nach kräftigem Weingenuss mit schwankendem Schritt eine schwere Last von Münzen im Gewandbausch nach Hause bringen ..."
Die Nachfrage nach Blumen ging sogar so weit, dass die wohlhabenden Römer auch im Winter nicht auf die geliebten Rosen verzichten wollten und schließlich ganze Schiffsladungen aus Ägypten importierten. Leider ist unbekannt, wie die Blumen während des Transports konserviert wurden oder ob es sich um parfümierte getrocknete Rosenblütenblätter handelte. Kleopatra kannte also schon aufgrund dieser Handelsbeziehungen die ganz besonderen Schwächen der Römer. Allerdings wurden durch diese Importe auch Kritiker provoziert: Seneca sprach von einem "perversen" Wunsch und warf denen ein "naturwidriges Leben" vor, "die im Winter Rosen haben wollen". Horaz wetterte, dass fruchtbare Ackerböden für ihren Anbau und den der Veilchen vergeudet würden. Andere forderten: "Schickt uns Getreide statt Rosen." Tatsächlich wurden unter Kaiser Augustus die Rosen-Importe reduziert, allerdings nicht auf Grund einer verringerten Nachfrage. Erfinderischen römischen Bauern gelang es schon im 1. Jahrhundert, Rosen unter Treibhausbedingungen hinter Glas zu ziehen; im Winter wurden sie mit warmem Wasser versorgt, um sie noch schneller zum Austreiben zu bringen. Diese frühen Rosenzüchter erweiterten dabei ihr Wissen über den Anbau. Von der ursprünglichen Vermehrung aus Samen ging man zur Stecklingsvermehrung über und begann darüber hinaus mit Versuchen zur Veredelung durch Aufpfropfen. (...)


Holger Lundt: "Die Rosen der Kleopatra. Ein Spaziergang durch die Gärten der Geschichte"
Artemis & Winkler. 120 Seiten.
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In sieben Miniaturen erzählt Holger Lundt eine einzigartige Weltgeschichte: Die Liebe der historisch Großen zu den meist kleinen, scheinbar unbedeutenden Gebilden der Pflanzenwelt. So wollte Kleopatra ihre Reize durch den verführerischen Duft der Rosen noch steigern, Napoleon hingegen liebte das Veilchen über alles, und Alexander der Große entdeckte das Schönheitsmittel Aloe vera.
Botanische Hinweise runden die Biografien ab, so dass Naturfreude die Lektüre ebenso genießen werden wie historisch Interessierte.