GEWITTER

Dem Mond eitern die Ohren -
den Pferden quellen die Augen aus den Poren
und ziehen sich wie eine Gummischicht
auf ölgeschmierte Bänder -
die nackten Vögel schwitzen Neonlicht -
und schnelle wache Kreise im Geländer -
ein überfüllter Friedhof bläht
sich wie ein leberkranker Baum im Wind -
ein schwindsüchtiges Kind
trägt seinen Husten wie ein Holzschwert -
die Beule unterm Tisch wird hell und groß -
und mit verkohlter Hand herausgeschnitten
sausen dem angeschnallten Christusvieh
die Hämorrhoiden aus dem Gottesarsch
in seinen aufgesperrten wunden Rachen
und flattern auf wie schwarze Diphterie -

dann stottert Regen auf den zugenähten Schoß.

ORIENT

Komm! amoktoller Mohn!
Komm! lustbesautes Bett!
Ich bin Dein letzter fortgepeitschter Sohn!
Komm! beiß mir in den Mund!
Komm! wildes Farbentrinken!
Komm! fiebre mich gesund!
Komm! Bauch und Frauenwut!
Ich seh auf Deinen scharfgeschliffnen Brüsten
den blutgeflammten Schaum des Himmels winken!
Komm! laß uns schnell zusammenrasen
Blut in Blut!

MORGEN

Der neue erste Blick ist schön und schön
- mein Gott, Dein helles Wunder
weil unser weite Tag so voll und schwer gewesen
aus tiefer Heilung schmale Worte stammeln -
ich kann des Morgens Langmut kommen sehn
- im weißen Willen liegt er hingestreckt
- bescheiden alle Welten abgelassen -
und heißte, leichte Wellen ausgeteilt -
die blauen Waiden sind vorausgeeilt
sich unter einer steilen Brust zu sammeln.

 

(aus: "Fieber Tagebuch eines Aussätzigen" von Klaus Kinski)