Leseprobe:
Der Karpfen
Es war einmal ein Karpfen, der
schwamm im Teich des Königs und war dick und fett. Zweimal am Tag, nach dem Frühstück
und nach dem Abendessen,
kam nämlich der König selber und warf dem Karpfen Leckerbissen zu. Es war nicht
zu übersehen: er war der
Lieblingskarpfen
seiner Majestät, und er wurde immer fetter.
Schließlich konnte er sich kaum
noch rühren, und der König ahnte, was kommen musste. So ließ er sich eine Bank
bringen, auf der schlief er, wenn es Nacht, und auf der saß er, wenn es Tag war.
Und der Karpfen schwamm - oder sollte man sagen: stand - vor dem König und schaute
ihn unverwandt an. Und der König schaute, solang er nur wach war, ihn an. Und
das tat er auch am Abend des dritten Tages, als der Karpfen sich langsam zur Seite
neigte und so liegen blieb.
Die Anordnung des Königs lautete, den Teich zuzuschütten,
bis sich ein Hügel darüber erhob. Er selber aber wollte von da an nichts mehr
wissen von Teichen, von Karpfen oder
von der Liebe.
Aus:
"Ein dunkelblauer Schuhkarton" von Jochen Jung.
Haymon-Verlag, 2000.
ISBN
3-85218-332-4.
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