Leseprobe aus " Der Vogel vom goldenen Land":
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 "Morgen bei Sonnenaufgang", sagte der König, "will ich mich verstecken, und wenn du mich bis Sonnenuntergang nicht finden kannst, sollst du deinen Kopf verlieren." Nach einem Weilchen ging der Königssohn zurück zu seiner Stute und berichtete ihr alles. "Was soll ich tun?" fragt er. "Der König will sich verstecken, ich werde ihn nicht finden, und er will mir den Kopf abschlagen."
     "Schlafe nur hier vor mir unter der Krippe", sagte die Stute. Sie hob ihr rechtes Bein und gab ihm einen leichten Stoß mit dem Huf. Er war sogleich eingeschlafen und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf, als die Stute ihn erneut mit dem Huf anstieß und ihn weckte. "Wo kann ich den König finden?" fragte der junge Mann. "Geh in den Garten", sagte die Stute. "Er wird voll schöner Mädchen sein, jede wird dir schmeicheln, dir herrliche Blumen zeigen, wird dich bitten, sie anzuschauen, mit ihr zu lustwandeln. Schenke den Mädchen keine Beachtung, sieh keine einzige an, gehe geradewegs bis ans Ende des Gartens, wo ein Baum steht, an dem ein einziger roter Apfel hängt. Pflücke den Apfel, schneide ihn in zwei Teile. Der König wird herauskommen."
     Der Königssohn machte alles so, wie ihm die Stute befohlen hatte. Jedes der Mädchen im Garten wollte den jungen Mann verlocken, mit ihm zu gehen, aber er hob die Augen nicht auf, die Blumen oder die Mädchen anzusehen. Er eilte geradewegs zu dem Baum, pflückte den Apfel und sagte:
"Dies ist der allerschönste Apfel, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Ich will ihn mit nach Erin nehmen." - "Wahrhaftig, das wirst du nicht", sagte die Königstochter. "Der Apfel gehört meinem Vater, und du mußt ihn hierlassen." - "Gut", sagte er, "dir zuliebe will ich nur eine Hälfte nehmen und die andere dir geben." Damit zog er sein Messer, schnitt den Apfel entzwei, und heraus sprang der König. "O weh!" schrie der König, "einen Schnitt auf meinem Kopf, das ist es, was ich heute abbekommen habe." - "Das tut mir leid", sagte der Königssohn, "Aber wie konnte ich wissen, daß ein so großer und mächtiger König wie du in einem Apfel sitzt?"

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