Leseprobe aus "Tote
Seelen" von Nikolai
Gogol
(...)
»Guten
Morgen, Väterchen, wie haben Sie geruht?« fragte
sie, sich von ihrem Platze erhebend. Sie war besser gekleidet als
gestern, hatte ein dunkles Kleid an und keine Schlafhaube mehr auf;
aber um den Hals hatte sie noch immer etwas gewickelt.
»Gut,
sehr gut«, antwortete Tschitschikow, sich in
einen Sessel setzend. »Und Sie,
Mütterchen?«
»Schlecht,
Väterchen.« »Wieso?«
»Es
ist die Schlaflosigkeit. Immer habe ich Schmerzen im
Kreuz und auch im Bein, hier über dem
Knöchel.«
»Das
wird schon vergehen, Mütterchen. Achten Sie
nicht darauf.«
»Gott
gebe, daß es vergeht. Ich hab' mich schon mit
Schweineschmalz und auch mit Terpentin eingerieben. Womit trinken Sie
den Tee? Hier im Fläschchen ist Obstbranntwein.«
»Gar
nicht übel, Mütterchen, wir wollen
auch vom Obstbranntwein versuchen.«
Der Leser hat wohl schon
gemerkt, daß Tschitschikow mit ihr,
trotz aller Liebenswürdigkeit, doch viel freier und
ungenierter sprach als mit Manilow. Es ist nämlich zu
bemerken, daß wir Russen, obwohl wir hinter den
Ausländern in manchen anderen Dingen zurückgeblieben
sind, sie in der Kunst des Umganges mit Menschen bei weitem
überflügelt haben. Alle die Nuancen und Abstufungen,
die wir darin zeigen, lassen sich gar nicht aufzählen. Ein
Franzose oder Deutscher wird alle diese Eigentümlichkeiten und
Unterschiede niemals verstehen; er spricht fast mit der gleichen Stimme
und in der gleichen Sprache wie mit einem Millionär, so auch
mit einem kleinen Tabakhändler, obwohl er sich in seinem
Innern natürlich vor dem ersteren erniedrigt. Bei uns ist es
ganz anders: wir haben solche Künstler, die mit einem
Gutsbesitzer, der zweihundert Seelen besitzt, ganz anders reden werden
als mit einem, der dreihundert Seelen hat, und mit dem letzteren wieder
anders als mit einem, der ihrer
fünfhundert hat; mit einem Worte, man kann bis zur Million
Seelen hinaufgehen, immer werden sich noch Unterschiede finden. Nehmen
wir an, daß es eine Kanzlei gibt – nicht hier,
sondern in einem sehr fernen Reiche, und daß an der Spitze
dieser Kanzlei ein Kanzleivorstand steht. Wollen Sie ihn sich nur
ansehen, wenn er inmitten seiner Untergebenen sitzt – da kann
man vor Schreck nicht mal ein Wort aussprechen. Stolz, Adel –
was drückt da sein Gesicht nicht alles aus? Man ergreife den
Pinsel und male: ein Prometheus, ein leibhaftiger
Prometheus!
Er blickt
wie ein Adler und schreitet gemessen und majestätisch. Sobald
aber dieser Adler sein Zimmer verlassen hat und sich mit Papieren unter
dem Arm dem Kabinett seines Vorgesetzten nähert, wird er zu
einem so kläglichen Rebhuhn, daß man ihn kaum noch
ansehen mag. In einer Gesellschaft oder bei einer Abendunterhaltung,
wenn die Anwesenden nicht von hohem Rang sind, bleibt der Prometheus
Prometheus; wenn aber jemand anwesend ist, der nur um eine Rangstufe
höher steht als er, so macht unser Prometheus
eine
Verwandlung
durch, auf die selbst ein Ovid nicht gekommen wäre: er ist
eine Fliege, kleiner als eine Fliege, er ist zu einem Sandkorn
zusammengeschrumpft. »Das ist ja gar nicht Iwan
Petrowitsch«, sagt man sich, wenn man ihn anblickt.
»Iwan Petrowitsch ist ja größer gewachsen,
dieser ist aber so klein und schmächtig; jener spricht laut,
mit einer Baßstimme, und lacht nie, dieser aber –
weiß der Teufel – er zirpt wie ein Vogel und lacht
immer.« Man kommt näher heran und sieht,
daß es tatsächlich Iwan Petrowitsch ist!
»Hi hi hi!« denkt man sich ... Wir wollen uns aber
den handelnden Personen zuwenden. Tschitschikow hatte sich, wie wir
schon sahen, entschlossen, keine Umstände zu machen; darum
ergriff er die Teetasse mit beiden Händen, goß etwas
Obstbranntwein hinein und begann folgende Unterhaltung:
»Sie
haben ja ein ganz nettes Dörfchen,
Mütterchen. Wieviel Seelen sind es im ganzen?«
»Es
sind nicht ganz achtzig Seelen,
Väterchen«, sagte die Hausfrau. »Aber die
Zeiten sind schlecht: im vorigen Jahr war so eine Mißernte,
daß Gott erbarm!«
»Die
Bauern sehen aber recht kräftig aus,
und auch ihre Häuser sind gut im Stande. Gestatten Sie
übrigens: wie ist Ihr Familiennamen? Ich bin so zerstreut ...
bin zur nachtschlafenen Zeit angekommen ...«
»Korobotschka,
Kollegiensekretärswitwe.«
»Ich
danke ergebenst. Und der Vor- und
Vatersname?«
»Nastassja
Petrowna.«
»Nastassja
Petrowna? Das ist ein schöner
Name, Nastassja Petrowna. Auch eine leibliche Tante von mir, eine
Schwester meiner Mutter, heißt Nastassja Petrowna.«
»Und
wie ist Ihr Name?« fragte die
Gutsbesitzerin. »Sie sind doch Gerichtsassessor, nicht
wahr?«
»Nein,
Mütterchen!« antwortete
Tschitschikow mit einem Lächeln. »Ich bin gar nicht
Assessor, reise nur so in eigenen Geschäften.«
»Ach
so, dann sind Sie Käufer! Wie schade, daß ich meinen
Honig den Kaufleuten so billig verkauft habe; du hättest ihn
mir sicher abgekauft, Väterchen.«
»Nein,
den Honig hätte ich nicht
gekauft.«
»Etwas
anderes? Vielleicht Hanf? Hanf habe ich aber
sehr wenig, im ganzen ein halbes Pud.«
»Nein,
Mütterchen, ich suche eine andere
Ware: sagen Sie, sind Ihnen viele Bauern gestorben?«
»Ach,
Väterchen, ganze achtzehn
Mann!« sagte die Alte seufzend. »Und lauter
Prachtkerle, tüchtige Arbeiter. Es sind zwar dann neue zur
Welt gekommen, aber die sind nichts wert: lauter kleine Menschen. Doch
wenn der Assessor gefahren kommt, muß ich für jede
Seele die Steuer entrichten. Die Leute sind tot, aber zahlen
muß ich für sie wie für lebendige. Da ist
mir in der vorigen Woche ein Schmied verbrannt – ein
tüchtiger Schmied war er, verstand sich auch auf
Schlosserei.«
»Haben
Sie denn eine Feuersbrunst gehabt,
Mütterchen?«»Nein, vor einem solchen
Unglück hat mich
Gott bewahrt: er ist von selbst verbrannt, Väterchen. Er hat
innen Feuer gefangen, weil er zuviel getrunken hat; man sah nur ein
blaues Flämmchen aufleuchten, er ist verglommen, ganz zu Kohle
verbrannt. Und was war er für ein geschickter Schmied! Jetzt
kann ich gar nicht ausfahren: ich habe niemand, der mir die
Pferde
beschlagen könnte.«
»Alles
ist in Gottes Hand,
Mütterchen!« sagte Tschitschikow seufzend.
»Gegen Gottes Allweisheit darf man
nicht murren ... Treten Sie sie mir doch ab, Nastassja
Petrowna!«
»Wen
denn, Väterchen?«
»Nun,
alle, die gestorben sind.«
»Wie
soll ich sie abtreten?«
»Sehr
einfach. Oder verkaufen Sie sie mir. Ich will
sie Ihnen bezahlen.«
»Wieso?
Das verstehe ich nicht. Oder willst du sie
aus der Erde ausgraben?«
Tschitschikow
sah, daß die Alte sich etwas verrannt
hatte und daß er ihr die Sache richtig erklären
mußte. Er machte ihr in einigen Worten klar, daß
der Besitzwechsel und der Verkauf nur auf dem Papiere stehen und die
toten Seelen als lebende angeführt werden würden.
»Was
brauchst du sie aber?« fragte die
Alte, ihn erstaunt anglotzend.
»Das
ist schon meine Sache.«
»Sie
sind doch tot!«
»Und
wer sagt, daß sie leben? Das ist ja
auch Ihr Schaden, daß sie tot sind: Sie zahlen für
sie die Abgaben, ganz als ob sie lebten. Ich will Sie aber von dieser
Sorge und von den Zahlungen befreien. Verstehen Sie das? Ich befreie
Sie nicht nur davon, sondern zahle auch noch fünfzehn Rubel.
Ist es Ihnen jetzt klar?«
»Ich
weiß wirklich nicht«,
versetzte die Hausfrau langsam. »Tote habe ich doch noch nie
verkauft.«
»Das
will ich meinen! Es wäre viel eher ein
Wunder, wenn Sie sie schon einmal verkauft hätten. Oder
glauben Sie, daß sie noch zu irgend was taugen?«
»Nein,
das glaube ich nicht! Wozu sollen sie taugen? Man hat ja gar nichts von
ihnen. Das ist eben die ganze Schwierigkeit, daß sie schon
tot sind.«
–
Das Frauenzimmer scheint aber einen dicken
Schädel zu haben! – dachte sich Tschitschikow.
»Hören Sie mal, Mütterchen.
Überlegen Sie es sich nur: Sie haben doch nur Auslagen und
müssen für jeden Toten die Steuern zahlen, wie wenn
er noch lebte.«
»Ach,
Väterchen, sprich nicht
davon!« fiel ihm die Gutsbesitzerin ins Wort. »Erst
vor zwei Wochen habe ich mehr als hundertfünfzig Rubel
bezahlen und außerdem noch den Assessor schmieren
müssen.«
»Nun
sehen Sie es selbst, Mütterchen!
Beachten Sie doch nur, daß Sie jetzt keinen Assessor mehr zu
schmieren brauchen, weil ich für Sie die Steuern zahle; ich
und nicht Sie! Ich nehme auf mich alle Verpflichtungen; ich will sogar
die Kosten des Kaufvertrags tragen, verstehen Sie das?«
Die
Alte wurde nachdenklich. Die Sache erschien ihr wirklich
vorteilhaft, doch gar zu neu und noch nicht dagewesen; darum hatte sie
anfangs große Angst, daß der Käufer sie
irgendwie übervorteilen könnte: ist ja Gott
weiß woher gekommen und dazu noch zur nachtschlafenen Zeit.
»Also abgemacht, Mütterchen, nicht wahr?«
sagte Tschitschikow.
»Nein,
Väterchen, ich hab' noch niemals
Tote verkauft. Lebende hab' ich wohl verkauft: vor zwei Jahren trat ich
dem Protopopow zwei Mädel zu hundert Rubel das Stück
ab, und er war mir sehr dankbar: wunderbare
Arbeiterinnen sind aus ihnen geworden, verstehen sogar Servietten zu
weben.«
»Die
Rede ist aber nicht von den Lebenden; um die
kümmere ich mich nicht. Ich will die Toten.«
»Wirklich,
ich fürchte mich, weil ich keine
Erfahrungen habe, ein schlechtes Geschäft zu machen.
Vielleicht betrügst du mich, Väterchen, vielleicht
sind sie ... mehr wert.«
»Hören
Sie, Mütterchen, was sind
Sie wirklich für ein Mensch? Was können die wert
sein? Bedenken Sie nur: die sind nichts als Staub und Asche. Verstehen
Sie das? – nur Asche. Nehmen Sie den unnützesten
Gegenstand, irgendeinen Lumpen – und auch der hat einen Wert:
den kauft Ihnen wenigstens eine Papierfabrik ab; diese Ware taugt aber
zu nichts. Sagen Sie selbst, wozu taugen sie doch?«
»Das
ist wohl wahr. Die taugen zu nichts; aber das
ist es eben, was mich davon abhält: daß sie tot
sind.«
–
Ist das ein vernagelter Kopf! – sagte
sich Tschitschikow, der schon die Geduld zu verlieren anfing.
– Wie wird man mit so einer fertig! Zum Schwitzen hat mich
die verdammte Alte gebracht! – Und er zog ein Tuch aus der
Tasche und wischte sich den Schweiß ab, der ihm
tatsächlich auf die Stirne getreten war. Tschitschikow
ärgerte sich übrigens grundlos: auch mancher
geachtete Staatsmann ist ganz wie diese Korobotschka. Wenn der sich
etwas in den Kopf setzt, so ist ihm nicht beizukommen; was für
sonnenklare Einwände man ihm auch vorbringt, alles prallt von
ihm ab wie ein Gummiball von der Wand. Nachdem sich
Tschitschikow den Schweiß von der Stirne gewischt hatte,
entschloß er sich, ihr die Sache auf irgendeine andere Weise
plausibel zu machen. »Mütterchen,« sagte
er, »entweder wollen Sie meine Worte nicht verstehen oder Sie
sprechen absichtlich so, nur um etwas zu sagen ... Ich biete Ihnen
Geld, fünfzehn Rubel in Banknoten – verstehen Sie
mich? Das ist doch Geld, das finden Sie nicht auf der Straße.
Gestehen Sie, wie teuer haben Sie den
Honig
verkauft?»
»Zu
zwölf Rubel das Pud.«
»Sie
übertreiben ein wenig,
Mütterchen. Zu zwölf Rubel haben Sie ihn nicht
verkauft.«
»Bei
Gott, zu zwölf Rubel!«
»Nun
sehen Sie es. Das war aber Honig. Sie haben ihn
vielleicht ein ganzes Jahr lang mit Mühe gesammelt; sind
herumgefahren, haben die Bienen ausgeräuchert und sie dann den
ganzen Winter über im Keller gefüttert; doch die
toten Seelen – sind nicht von dieser Welt. Hier haben Sie
Ihrerseits nicht die geringste Mühe aufgewendet: es war Gottes
Wille, daß sie diese Welt verließen und auf diese
Weise Ihre Wirtschaft schädigten. Beim Honig haben Sie
für Ihre Arbeit und Mühe zwölf Rubel
bekommen; hier biete ich Ihnen aber für nichts und wieder
nichts statt zwölf – ganze fünfzehn Rubel,
und nicht in Silber, sondern in blauen Banknoten.« Nachdem er
diese überzeugenden Gründe vorgebracht hatte,
zweifelte Tschitschikow nicht mehr, daß die Alte nachgeben
würde.
»Nein,
wirklich,« antwortete die
Gutsbesitzerin, »ich bin nur eine
unerfahrene Witwe! Ich will lieber noch etwas warten: vielleicht kommen
Kaufleute gefahren, und so werde ich die Preise
hören.«
»Eine
Schande, Mütterchen! Eine wahre
Schande! Was sagen Sie? Überlegen Sie es sich doch selbst! Wer
wird sie Ihnen abkaufen? Zu was kann man sie noch verwenden?«
»Vielleicht
kann man sie bei Gelegenheit doch in der
Wirtschaft brauchen ...« entgegnete die Alte. Sie kam aber
nicht weiter und sah ihn erschrocken an, begierig zu hören,
was er darauf sagen würde.
»Die
Toten in der Wirtschaft! Was Ihnen nicht
einfällt! Vielleicht, um nachts die Spatzen in Ihrem
Gemüsegarten zu scheuchen?«
»Der
Herr steh uns bei! Was sagst du für
schreckliche Dinge!« sagte die Alte, sich bekreuzigend.
»Was
wollen Sie mit ihnen denn sonst anfangen? Die
Knochen und die Gräber
verbleiben übrigens Ihnen: der
Verkauf geschieht nur auf dem Papier. Nun, was halten Sie davon? Geben
Sie mir wenigstens Antwort.«
Die
Alte wurde wieder nachdenklich.
»Was
überlegen Sie sich noch, Nastassja
Petrowna?«
»Ich
weiß wirklich nicht, was ich tun
soll; lieber verkaufe ich Ihnen doch den Hanf.«
»Was
brauche ich den Hanf?
Sehen Sie es doch ein:
ich bitte Sie um etwas ganz anderes, und Sie bieten mir Hanf an. Hanf
ist Hanf. Wenn ich ein anderes Mal komme, kaufe ich auch den Hanf. Also
wie ist es nun, Nastassja Petrowna?«
»Bei
Gott, es ist eine merkwürdige, noch nie dagewesene
Ware.«
Nun
riß Tschitschikow endlich die Geduld. Er schlug
mit dem Stuhl gegen den Boden und wünschte ihr den
Teufel.
Vor
dem Teufel bekam die Gutsbesitzerin eine heillose Angst.
»Ach, sprich nicht von ihm, Gott sei mit ihm!« rief
sie ganz bleich aus. »Vorgestern sah ich ihn die ganze Nacht
im Traume, den Verdammten. Es war mir eingefallen, nach dem Nachtgebet
noch einmal die Karten zu schlagen, da hat ihn mir der Herr wohl zur
Strafe geschickt. So ekelhaft war er mir erschienen, mit
Hörnern länger als bei einem Stier.«
»Ich
wundere mich nur, daß sie Ihnen nicht
dutzendweise erscheinen. Denn ich will es nur aus christlicher
Nächstenliebe tun: ich sehe, eine Witwe plagt sich so ab,
leidet solche Not ... Krepieren sollen Sie mit Ihrem ganzen Dorf!
...«
»Wie
du zu fluchen weißt!« sagte
die Alte, ihn entsetzt anblickend.
»Man
findet ja keine anderen Worte für Sie!
Sie sind wirklich, mit Verlaub zu sagen, wie ein Hofhund, der auf dem
Heu liegt: er frißt es selbst nicht und gibt's auch den
anderen nicht. Ich wollte Ihnen auch verschiedene landwirtschaftliche
Produkte abkaufen, weil ich auch Lieferungen für den Staat
habe ...«
Das war eine zufällige Lüge, bei
der er sich nichts dachte, die sich aber als sehr geschickt erwies. Die
Lieferungen machten auf Nastassja Petrowna einen mächtigen
Eindruck; jedenfalls sprach sie auf einmal
mit bittender Stimme: »Warum bist du so böse
geworden? Wenn ich wüßte, daß du so
böse bist, hätte ich dir gar nicht
widersprochen.«
»Ach
was, es ist ja gar kein Grund da, böse
zu werden. Die ganze Sache ist kein ausgeblasenes Ei wert, und ich soll
deswegen böse werden!«
»Also
gut, ich bin bereit, sie dir für
fünfzehn Rubel in Banknoten abzugeben! Aber vergiß
mich nicht bei den Lieferungen: wenn du mal Roggen- oder
Buchweizenmehl, oder Graupen, oder Fleisch einzukaufen hast, so
vergiß mich, bitte, nicht.«
»Nein,
Mütterchen, ich werde dich nicht
vergessen«, sagte er, sich den Schweiß abwischend,
der ihm in Strömen von der Stirne lief. Dann fragte er sie
aus, ob sie in der Stadt einen Vertrauensmann oder einen Bekannten
habe, den sie zum Abschluß des Kaufvertrags und der
übrigen notwendigen Formalitäten
bevollmächtigen könnte.
–
»Gewiß! Der Sohn des Protopopen Kirill ist ja an
der Zivilkammer angestellt«, sagte die Korobotschka.
Tschitschikow bat sie, ihm einen Vollmachtsbrief zu schreiben und
übernahm es sogar selbst, um ihr die Arbeit zu ersparen, einen
solchen aufzusetzen.
(...)
Nikolai
Gogol: "Tote
Seelen"
Der
Kollegienrat Pawel Tschitschikow reist durch die russische Provinz und
erwirbt zu einem Spottpreis die Seelen verstorbener Leibeigener. Bald
kursieren die wildesten Gerüchte. Was plant dieser Fremde
überhaupt? Eine Entführung? Handelt es sich bei dem
Fremden gar um Napoleon
höchstpersönlich? Schon bald steigt der
Seelenverkäufer in höhere gesellschaftliche Kreise
auf und sieht sich verheißen Zukunftsaussichten
gegenüber, doch als seine "Geschäftspartner"
anfangen, laut darüber spekulieren, ob sie die "toten Seelen"
nicht vielleicht zu billig verkauft haben, kommt es zum Skandal.
Die
toten Seelen sind Gogols einziger Roman und verhalfen ihm zu
literarischem Weltruhm. Gogol zeigt sich hier als großartiger
Meister der Groteske und der Satire.
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