Leseprobe aus "Der
Mantel" von Nikolai Gogol
(...)
In Petersburg
haben alle diejenigen, die an die vierhundert Rubel Jahresgehalt
bekommen, einen grimmigen Feind: es ist unser nordischer Frost, von dem
übrigens behauptet wird, er sei der Gesundheit
zuträglich. Um neun Uhr morgens, gerade um die Stunde, wenn
die Ministerialbeamten ins Amt gehen, verteilt er an alle, ohne
Ansehung der Person, so heftige Nasenstüber, daß die
armen Menschen gar nicht wissen, wo sie ihre Nasen hintun sollen. Und
wenn der Frost selbst den höchststehenden Beamten so zusetzt,
daß sie Kopfschmerzen bekommen und daß ihre Augen
tränen, dann sind die armen Titularräte ganz
schutzlos. Sie rennen, in ihre dünnen Mäntel
gehüllt, was sie rennen können, die fünf,
sechs Straßen bis zum Amt und trampeln dann im Portierzimmer
so lange mit den Beinen, bis sie sich erwärmen und die
eingefrorene Begabung zur amtlichen Tätigkeit wieder auftaut.
Akakij
Akakijewitsch spürte seit einiger Zeit heftiges Stechen im
Rücken und in der einen Schulter, obwohl er den
festgesetzten Weg von der Wohnung in die Kanzlei immer im
schnellsten Tempo zurücklegte. Und da fiel es ihm ein, sein
Mantel müsse nicht ganz in Ordnung sein. Er unterzog ihn
gleich einer eingehenden Untersuchung und stellte fest, daß
der Stoff an einigen Stellen, und zwar gerade im Rücken und
auf der Schulter, so dünn wie Kanevas geworden war: das Tuch
war ganz durchgewetzt und auch das Futter war arg zerrissen. Es
muß hier erwähnt werden, daß dieser Mantel
von den Kollegen arg bekrittelt wurde; sie würdigten ihn nicht
einmal der Bezeichnung »Mantel« und nannten ihn
verächtlich »Morgenrock«. Der Mantel hatte
auch wirklich ein ganz eigentümliches Aussehen: der Kragen
wurde von Jahr zu Jahr kleiner, denn er mußte zum Flicken
anderer schadhafter Stellen herhalten. Diese Ausbesserungen zeugten von
einer nicht allzu großen Kunstfertigkeit des Schneiders und
nahmen sich wenig schön aus.
Akakij
Akakijewitsch kam zum Entschluß, den Mantel dem Schneider
Petrowitsch in Behandlung zu geben. Dieser wohnte irgendwo im vierten
Stock eines Hinterhauses und befaßte sich, trotz seines
schielenden Auges und seines pockennarbigen Gesichts, mit ziemlichem
Erfolg mit dem Ausbessern von Hosen und Fräcken der Beamten
und auch anderer Menschen: natürlich, wenn er nicht gerade
betrunken war oder andere Gedanken im Kopfe hatte. Dieser Schneider
verdient eigentlich gar nicht, daß ich von ihm viel spreche;
da es aber einmal Sitte ist, alle handelnden Personen einer
Erzählung genau zu beschreiben, so muß ich auch
diesen Petrowitsch vorführen. Vor Jahren, als er noch
Leibeigener war, hieß er einfach Grigorij; den Namen
Petrowitsch legte er sich erst dann zu, als er frei wurde und an den
Feiertagen – zunächst nur an den großen,
später aber an allen Tagen, die im Kalender mit einem Kreuz
bezeichnet sind – zu trinken begann. In dieser Beziehung war
er den Sitten seiner Väter treu, und wenn er darüber
mit seiner Frau polemisierte, schalt er sie eine weltliche Person und
eine Deutsche. Da schon einmal von der Frau die Rede ist, so
müßte ich auch ihr einige Worte widmen; das einzige,
was ich sagen kann, ist aber nur das: Petrowitsch hatte eine Frau, sie
trug statt eines Kopftuches ein Häubchen und war anscheinend
nicht sonderlich schön: wenn sie durch die Straße
ging, schenkten ihr höchstens Gardesoldaten einige Beachtung,
und selbst diese drehten den Schnurrbart und gaben einen
eigentümlichen Laut von sich, sobald sie ihr unter die Haube
geschaut hatten.
Akakij
Akakijewitsch ging also zu Petrowitsch hinauf; die Treppe war schmutzig
und feucht und von einem Schnapsduft erfüllt, der allen
Petersburger Hintertreppen eigen ist. Unterwegs überlegte er
sich, wieviel wohl Petrowitsch für die Arbeit verlangen
würde; er war entschlossen, keineswegs mehr als zwei Rubel zu
zahlen. Die Wohnungstür stand offen, denn Frau Petrowitsch
bereitete gerade irgendein Fischgericht,
und die Küche war so voller Rauch, daß man selbst
die Schaben nicht unterscheiden konnte. Akakij Akakijewitsch passierte
die Küche, ohne von der Frau gesehen zu werden, und kam in
einen Raum, wo Petrowitsch selbst auf einem einfachen Tisch, mit
untergeschlagenen Beinen wie ein türkischer Pascha thronte,
und zwar, wie alle Schneider bei der Arbeit, mit nackten
Füßen; das erste, was Akakij Akakijewitsch in die
Augen sprang, war die große Zehe, deren
verstümmelter Nagel an eine
Schildkrötenschale gemahnte. Er hatte mehrere Fitzen Zwirn und
Nähseide um den Hals hängen und arbeitete gerade an
einem außerordentlich zerlumpten Kleidungsstück.
Seit drei Minuten mühte er sich mit einem Faden ab, der
durchaus nicht in das Nadelöhr gehen wollte; er schimpfte auf
die Dunkelheit und auf den Faden: »Er will nicht, der Hund!
Der Halunke bringt mich noch ins Grab!«
Akakij
Akakijewitsch tat es leid, daß er Petrowitsch in so
schlechter Laune antraf: er liebte es, seine Aufträge ihm dann
zu erteilen, wenn der Schneider etwas angeheitert, oder, wie seine Frau
sich ausdrückte, »stinkbesoffen wie ein
Teufel« war. In diesem Zustande war er sehr entgegenkommend
und nachgiebig, er machte sogar höfliche Verbeugungen und
dankte für den Auftrag. Allerdings kam dann später
die Frau mit der Behauptung, er sei
betrunken
gewesen und habe nur daher diesen billigen Preis gemacht: mit einem
Zehnkopekenstück war aber auch sie zu besänftigen.
Jetzt schien Petrowitsch nüchtern, und in solchen Augenblicken
war er stets hart und eigensinnig und machte ganz wahnsinnige Preise.
Akakij Akakijewitsch überblickte gleich die Situation und
wollte eigentlich abziehen; es war aber zu spät. Petrowitsch
sah ihn mit seinem einzigen Auge durchdringend an, und Akakij
Akakijewitsch murmelte verlegen:
»Guten
Tag, Petrowitsch!«
»Recht
guten Tag, Herr...« erwiderte Petrowitsch und schielte auf
die Hände des Gastes, um zu sehen, was er mitgebracht habe.
»Ich
komme, Petrowitsch, um ... das heißt...«
Akakij
Akakijewitsch gebrauchte mit besonderer Vorliebe
Präpositionen, Adverbien, und ganz bedeutungslose Partikel.
War die Sache aber irgendwie schwierig, so pflegte er seinen Satz nicht
zu Ende zu sprechen; er begann oft seine Rede mit den Worten:
»Dies ist wirklich ganz, sozusagen ...« und blieb
dann stehen, in der Meinung, er habe seine Gedanken klar
ausgedrückt.
»Was
gibt's denn?« fragte Petrowitsch und musterte dabei mit
seinem einzigen Auge die ganze Kleidung Akakij Akakijewitschs vom
Kragen bis zu den Ärmeln, Rockschößen und
Knopflöchern; dies alles war ihm wohlbekannt, denn es war
seine eigene Arbeit; die Schneider sind einmal so, daß sie
immer zuerst die Kleidung betrachten.
»Ich
komme also, Petrowitsch... weißt du, dieser Mantel da... das
heißt, das Tuch ist ja ganz gut; es ist nur etwas verstaubt
und sieht daher alt aus, es ist aber ganz neu; aber da, an einer
Stelle, im Rücken, und auch hier in der Schulter, ist es etwas
abgerieben, und auch auf der anderen Schulter, siehst du? Das
wäre alles. Die Arbeit ist ja nicht
groß...«
Petrowitsch
nahm den Morgenrock in die Hand, breitete ihn auf dem Tische aus und
griff nach seiner runden Tabaksdose, deren Deckel mit dem Bildnis eines
Generals geschmückt war; wer der dargestellte General war,
ließ sich nicht mehr feststellen, denn gerade auf der Stelle
des Gesichts hatte der Deckel ein von einem Finger
herrührendes Loch, das nun mit einem viereckigen
Stück Papier überklebt war. Petrowitsch nahm eine
Prise, betrachtete den Morgenrock von neuem, hielt ihn gegen das Licht
und schüttelte den Kopf. Darauf wandte er seine Aufmerksamkeit
dem Futter zu und schüttelte abermals den Kopf; dann
öffnete er wieder die Dose mit dem überklebten
Generalskopf, nahm eine tüchtige Prise, stellte die
Dose weg und sagte endlich:
»Nein,
da ist nichts zumachen. Der Mantel taugt nichts.«
Bei
diesen Worten bekam Akakij Akakijewitsch Herzklopfen.
»Warum
denn, Petrowitsch?« fragte er mit flehender, kindlicher
Stimme. »Er ist ja nur an den Schultern etwas abgerieben; du
wirst doch schon einen passenden Flicken finden, um es
auszubessern...«
»Ja,
ein Flicken läßt sich wohl finden«, sagte
Petrowitsch, »aber wie soll ich ihn annähen? Das
Tuch ist ja schon ganz faul, wenn man es mit der Nadel
anrührt, fällt es auseinander.«
»Nun,
wo's auseinanderfällt, da setzt du gleich einen Flicken
hin.«
»Worauf
soll ich denn den Flicken befestigen? Der Stoff ist zu sehr abgetragen.
Sie können es meinetwegen Tuch nennen, das Zeug fliegt aber
beim ersten Windstoß in Fetzen auseinander.«
»Versuch's
einmal. Wie wäre es denn sonst wirklich ...«
»Nein!«
sagte Petrowitsch sehr entschieden. »Da kann ich nichts
machen, die Sache ist hoffnungslos. Machen sie sich lieber
Fußlappen daraus für den
Winter; denn
Strümpfe halten ja nicht genügend warm, die Deutschen
haben sie erfunden, um mehr Geld zu verdienen. (Petrowitsch liebte von
Zeit zu Zeit Ausfälle gegen die Deutschen zu machen.) Was aber
den Mantel betrifft, so müssen Sie sich halt einen neuen
machen lassen.«
Beim
Worte »neu« wurde es Akakij Akakijewitsch ganz
schwindelig, das ganze Zimmer drehte sich um ihn; das einzige, was er
noch deutlich sah, war der mit Papier überklebte General auf
Petrowitschs Tabaksdose.
»Einen
neuen?« sagte er wie im Traume. »Ich habe ja kein
Geld.«
»Jawohl,
einen neuen Mantel«, bestätigte Petrowitsch mit
grausamer Gelassenheit.
»Nun,
und wenn es unbedingt ein neuer sein muß, wie wäre
es dann...«
»Sie
meinen, was er kosten würde?«
»Ja.«
»Ja,
da müßten Sie schon hundertfünfzig Rubel
anlegen«, sagte Petrowitsch und kniff dabei seine Lippen
bedeutungsvoll zusammen. Er liebte überhaupt starke Effekte
und setzte gern einen in Verlegenheit, um dann den Gesichtsausdruck des
so Überrumpelten zu beobachten.
»Was!
Hunderfünfzig Rubel für einen Mantel!«
schrie der arme Akakij Akakijewitsch auf; er schrie wohl
überhaupt zum erstenmal in seinem Leben, denn er zeichnete
sich sonst durch seinen ruhigen stillen Ton aus.
»Jawohl«,
sagte Petrowitsch, »und dann kommt es noch auf die
Güte des Mantels an. Wenn wir einen Marderkragen nehmen und
die Kapuze mit Seide füttern, so können es wohl auch
zweihundert werden.«
»Petrowitsch,
ich bitte dich«, flehte Akakij Akakijewitsch, die auf einen
Effekt berechneten Ausführungen Petrowitschs ignorierend,
»versuch's doch mit einer Reparatur; vielleicht kann mir der
Mantel doch noch eine kurze Zeit dienen.«
»Nein,
es wäre schade um die Arbeit und auch ums
Geld«,
sagte Petrowitsch. Diese Antwort wirkte auf den Armen ganz
niederschmetternd, und er ging fort. Petrowitsch blieb noch eine
Zeitlang in der gleichen Haltung mit zusammengekniffenen Lippen
müßig sitzen; er freute sich, daß er nicht
nachgegeben und auch das ehrsame Schneiderhandwerk nicht
herabgewürdigt hatte.
Akakij
Akakijewitsch ging durch die Straße wie ein Nachtwandler.
»So stehen die Sachen«, sprach er zu sich
selbst, »ich hätte wirklich nicht erwartet,
daß
sie so stehen...« Nach einer Pause fügte er noch
hinzu:
»Also, so ist's! So weit ist es gekommen! Ich hätte
es
wirklich nicht erwartet.« Nach einer weiteren Pause sagte er
noch: »So, so! Ganz unerwartet kommt es... Es ist schon so
eine
Sache ...« Er wollte eigentlich nach Hause, ging aber in
einer
ganz verkehrten Richtung. Unterwegs streifte ein Kaminkehrer seine
Schulter, die nun ganz schwarz wurde; von einem Neubau fiel ihm eine
ganze Ladung Mörtel auf den Kopf. Er sah und hörte
nichts und
kam erst dann einigermaßen zur Besinnung, als er gegen einen
Polizeisoldaten anprallte, der seine Hellebarde zur Seite gestellt
hatte und gerade im Begriff war, eine Prise Schnupftabak zu nehmen.
»Was
rennst du einem in die Schnauze hinein?« schrie ihn dieser
an. »Kannst du denn nicht auf dem Trottoir gehen?«
Diese Bemerkung rüttelte ihn auf; er kehrte um und war bald zu
Hause. Hier sammelte er seine Gedanken und überblickte mit
klarem Auge die Lage; er setzte sein Selbstgespräch fort, aber
nicht mehr in abrupten Ausrufen, wie vorhin, sondern in
vernünftigen Sätzen, wie man mit einem klugen Freunde
über eine intime Angelegenheit spricht:
»Mit
dem Petrowitsch kann man ja jetzt gar nicht reden; er ist wohl etwas...
Seine Frau hat ihn offenbar vorhin geprügelt. Ich will ihn
lieber noch einmal, und zwar Sonntag früh, aufsuchen: da wird
er noch vom Samstag abend etwas verkatert sein und sich
stärken wollen; die Frau wird ihm aber kein Geld hergeben;
wenn ich ihm da ein Zehnkopekenstück in die Hand
drücke, wird er mit sich schon reden lassen und
dann...«
Am
nächsten Sonntag machte er sich wirklich auf den Weg; er sah
Frau Petrowitsch gerade das Haus verlassen und stürzte sofort
die vier Treppen hinauf. Petrowitsch sah wirklich so aus, wie Akakij
Akakijewitsch erwartet hatte: er war ganz verschlafen und konnte kaum
den Kopf halten. Als er aber erfuhr, um was es sich handelte, wurde er
wieder ganz wild.
»Nein,
daraus wird nichts. Sie müssen schon einen neuen
bestellen.«
Nun
drückte ihm Akakij Akakijewitsch die zehn Kopeken in die Hand.
»Ich
danke ergebenst«, sagte der Schneider. »Ich werde
für Ihr Wohl etwas zu mir nehmen; was aber den Mantel
betrifft, so können Sie ganz beruhigt sein: mit ihm ist nichts
anzufangen. Dafür will ich Ihnen einen ganz
vorzüglichen neuen machen.« Akakij Akakijewitsch
machte noch einen schüchternen Versuch, über die
Instandsetzung des alten zu sprechen. Petrowitsch ließ ihn
aber gar nicht ausreden.
»Einen
neuen will ich Ihnen gern machen und werde mir die
größte Mühe geben, Sie zufrieden zu
stellen. Man könnte ihn auch nach der ganz neuen Mode machen:
mit versilberten Haken am Kragen.«
Jetzt
erst sah Akakij Akakijewitsch ein, daß er unbedingt einen
neuen Mantel brauche, und diese Einsicht betrübte ihn
außerordentlich. Woher sollte er denn das Geld dafür
nehmen? Zu Weihnachten würde es allerdings eine Gratifikation
geben, über diese Summe hatte er aber schon längst
verfügt: er brauchte neue Beinkleider, schuldete dem Schuster
für das Ansetzen eines neuen Oberleders zu alten Stiefeln und
wollte sich noch drei Hemden und zwei jener
Wäschestücke, die man in einem Buche nicht gut nennen
kann, machen lassen. Kurz, die ganze Gratifikation hatte bereits ihre
feste Bestimmung; selbst wenn der Direktor ihm statt der
üblichen vierzig Rubel, fünfundvierzig oder
gar fünfzig bewilligte, so würde auch das im
Vergleich zu der nötigen Summe ein Tropfen
im
Meere sein.
Petrowitsch
pflegte allerdings oft einen so horrenden Preis zu fordern,
daß selbst seine Frau dagegen protestierte: »Bist
du denn verrückt? Manchmal arbeitest du ganz umsonst und jetzt
verlangst du einen Preis, den du selbst nicht wert bist!«
Es
war also zu erwarten, daß Petrowitsch seine Forderung auf
achtzig Rubel herabsetzte; wo aber die achtzig Rubel hernehmen? Die
Hälfte davon wäre noch aufzutreiben gewesen, sogar
etwas mehr als die Hälfte; wo aber die andere Hälfte
hernehmen? – Hier muß der Leser erfahren, wo Akakij
Akakijewitsch die erste Hälfte hernehmen wollte. Von jedem
ausgegebenen Rubel pflegte er nämlich eine halbe Kopeke in
eine Sparbüchse zu tun. Am Ende eines jeden Semesters nahm er
die Kupfermünzen heraus und wechselte sie gegen Silber um. So
machte er es seit vielen Jahren, und die ersparte Summe betrug nun
etwas über vierzig Rubel. Die Hälfte war also
vorhanden. Es fehlten aber noch immer vierzig Rubel. Akakij
Akakijewitsch dachte lange nach und entschloß sich endlich,
ein Jahr lang seine täglichen Ausgaben aufs
möglichste herabzusetzen, also abends keinen Tee zu trinken
und kein Licht zu machen, die Schreibarbeiten aber im Zimmer der Wirtin
zu verrichten; bei den Gängen in der Stadt die
Füße recht vorsichtig zu setzen und so die Schuhe zu
schonen; schließlich zu Hause als einzige Bekleidung seinen
alten baumwollenen Schlafrock, der so ehrwürdig alt war,
daß ihn selbst der Zahn der Zeit verschonte, zu tragen und
möglichst wenig Wäsche zum Waschen zu geben.
Diese
Entbehrungen kamen ihn anfangs schwer an; er gewöhnte sich
aber allmählich an diese Lebensweise und kam
schließlich ganz gut auch ohne
Abendessen
aus; dafür aber hatte er geistige Nahrung in den ewigen
Gedanken an den neuen Mantel. Sein Leben wurde reicher und
inhaltsvoller, als ob er plötzlich geheiratet hätte
und seinen Lebensweg nicht mehr allein ginge: ein neuer
Lebensgefährte begleitete ihn auf allen Wegen, und dies war
ein gut wattierter, dauerhafter, neuer Mantel. Er wurde viel lebhafter,
und sein Charakter festigte sich, denn nun hatte er ein Lebensziel.
Seine Schüchternheit, Unentschlossenheit und Unbeholfenheit
waren ganz verschwunden. Seine Augen leuchteten, und durch seinen Kopf
zogen ganz verwegene Gedanken: »Soll ich mir vielleicht doch
einen Marderkragen machen lassen?«
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