Leseprobe aus "Das Geschlecht der Engel,
der Himmel der Heiligen"
von Raoul Schrott & Arnold Mario Dall´o

X.

DOCH wie mögen den Engeln ihre Flügel wachsen? Laß dir eine Geschichte der menschlichen Liebe erzählen, eine aus der Zeit ihrer Anfänge. Und stell dir dazu irgendeines der biblisch gewordenen Länder vor, ein Dorf aus gestampftem Lehm, am Rande des einen von zwei Strömen oder auch nicht, jedenfalls aber einen staubigen Weg bis zu deinem Haus, zwischen den Opuntien hindurch, jenen griechischen Feigen, die man ihrer Blüten wegen auch Fackelpflanzen nennt. Und vergiß dabei nicht, daß eine Frau ein Feld war, eine Heide, ein Hügel im Dickicht der Büsche, in dessen Mitte man eine Lichtung schuf, einen Hain zu Ehren der Götter, auf daß der Mann diese Erde fruchtbar mache.

Petat pussumi nannte man im Zweistromland den Ritus, mit dem eine Frau ihren Geliebten empfing: 'das Verhüllte entblößend'. Bevor sie ihn ins Haus ließ, wusch sie sich mit dem Wasser von Tamariskenblättern und Seifenwurz, in das man auch ein paar Tropfen Olivenöl gab, um die Haut geschmeidig zu machen.
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