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Die Reporterin mit dem grinsenden Vollmondgesicht wandte sich jetzt mir zu. "Von Ihnen habe ich auch schon viel gehört."
Ich bejahte, deutete eine Verbeugung an und schüttelte ihre Hand. "Hab `ne Zeitlang rumgegammelt und mir und anderen Ärger gemacht."
"Ich hab die Arbeiten von Ihnen allen gelesen, und ich bin sehr beeindruckt. Flotte Schreibe, muß man sagen. Und bei allen derselbe Stil, dieselben Gedanken, dieselbe Sprache, derselbe Umfang, dieselben Überschriften, derselbe Inhalt - Sie tauschen sich gewiß häufig untereinander aus, nicht wahr?"
"Korrekt. Haben so ziemlich die gleichen Ansichten zum Leben. Klar, daß da der Eindruck entsteht, wir schreiben bißchen ähnlich. Leben ja schließlich auch ähnlich."
"Kein Wunder, daß Ihre Sachen wirken, als habe sie ein und derselbe geschrieben."
"Nein, das ist nun wieder ein Mißverständnis! Wenn wir am Schreiben sind, sitzt immer eine Aufsicht dabei - Abschreiben gibt`s nicht! Bloß, weil alle über das gleiche Thema geschrieben haben, kam`s dann ganz von selbst zu inhaltlichen Übereinstimmungen, verstehen Sie? Alle fanden nämlich, der Titel Echt tiefsinnig ist jedem einzelnen aus der Seele gesprochen. Daher auch als erste Nummer ein Sonderheft Echt tiefsinnig."
"Na, dafür wird dann die nächste Nummer um so bunter - da werden Sie doch 'hundert verschiedene Blumen um die Wette blühen lassen', oder?"
"Wir haben hin und her überlegt, wird aber wieder ein thematisches Sonderheft."
"Worüber denn diesmal?"
"Diesmal wird der Titel etwas länger, auch sprachlich bißchen komplizierter: Unser Tiefsinn ist nicht Pose, sondern echt!"
"Sie wollen also Ihren einmal eingeschlagenen Weg weitergehen?"
"Hm, uns schwebt keine Kursänderung vor. 'Ob am Fuße des Berges die Banner / noch wehen und die Fahnen im Wind, / wir wollen und werden nicht wanken, / solange am Leben wir sind' - Mao Zedong. Oder mit eigenen Worten: Wir machen halt unseren Stiefel."
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(aus "Oberchaoten" von Wang Shuo;
aus dem Chinesischen von Ulrich Kautz)