Aljoscha Neubauer, Elsbeth Stern: "Lernen macht intelligent"
Warum Begabung gefördert werden muss
Das Wesen der Intelligenz, ihre Ursachen und Ausprägungen (Regina Károlyi; 04/2007) Aljoscha Neubauer, Elsbeth Stern: Aljoscha
Neubauer, geboren 1960, ist Professor für
Psychologie an der
Universität Graz. Er ist Leiter des Arbeitsbereiches
Differentielle Psychologie und beschäftigt sich mit
interindividuellen Unterschieden in kognitiven, sozialen und kreativen
Begabungen und ihren neurophysiologischen Grundlagen.
Elsbeth Stern, Aljoscha Neubauer: "Intelligenz. Große Unterschiede und
ihre Folgen" Nick Bostrom: "Superintelligenz. Szenarien einer kommenden
Revolution"
Intelligenz ist nicht nur Thema zahlreicher Studien und
Forschungsprojekte, sondern auch ein Politikum. Je nach Couleur und
persönlicher Auffassung gilt eine Abhängigkeit der
Intelligenz von der genetischen Disposition oder aber die Beeinflussung
durch Umweltfaktoren als nicht opportun.
Die da um die Bewilligung von Fördergeldern streiten, scheinen
oft nur eine diffuse Vorstellung davon zu haben, was Begabung oder
Intelligenz überhaupt ist. Dies sollte den Betrachter nicht
allzu sehr verwundern, denn das Thema wird auch in der Fachwelt
kontrovers diskutiert, wie das Buch von Aljoscha Neubauer und Elsbeth
Stern aufzuzeigen vermag. Daher führen die Autoren den Leser
bereits in den ersten Kapiteln an die strittigen und später
wieder aufgegriffenen Fragen heran, wie Intelligenz zu definieren sei,
ob es verschiedene Intelligenzen gebe und wie Intelligenz gemessen
werden könne. Das letztgenannte Problem gehen Neubauer und
Stern mittels einer chronologischen Schau auf die unterschiedlichen
Intelligenztests an, die im Laufe der Zeit entwickelt wurden und
natürlich in sehr unterschiedlichem Maße objektiv
sind. Darüber hinaus kann sich der Leser über den
aktuellen Kenntnisstand zu den Ursachen unterschiedlicher Intelligenz
bei verschiedenen Individuen mit vergleichbarem sozialen und
kulturellem Hintergrund sowie bei unterschiedlichen, in sich jedoch
vergleichsweise homogenen Gruppen informieren - also Gruppen, die sich
voneinander beispielsweise durch das Geschlecht, durch das soziale
Umfeld, durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Rassen oder
Ethnien unterscheiden.
Der Einfluss des Lernens auf die Intelligenz ist Thema eines eigenen,
ausführlichen Kapitels, ebenso die mögliche
Veränderung des IQ im Verlauf des Lebens eines Individuums.
Außerdem greifen die Autoren den politischen Zankapfel
Hochbegabung auf und werten Studien aus, die sich mit der
Intelligenzentwicklung
von als hochbegabt eingestuften Kindern
über einen längeren Zeitraum sowie mit den
statistisch erfassbaren beruflichen Erfolgen Hochbegabter
gegenüber überdurchschnittlich und normal Begabten
befassen. In dieses Kapitel geht auch noch einmal die Frage nach der
Gültigkeit gängiger Tests ein.
Das Buch wird abgeschlossen durch einen Katalog von Antworten auf
häufig gestellte Fragen, der anhand seriöser
Untersuchungen mit einigen Vorurteilen aufräumt und zugleich
nochmals auf die Bedeutung der Förderung von Begabungen
hinweist.
Sollte der Leser anhand des Titels einen Ratgeber erwartet haben, so
wird er enttäuscht sein. Stattdessen erhält er einen
interessanten und fundierten Einblick in den aktuellen Stand der
Intelligenzforschung und deren Historie. Die Autoren vertreten im
Dschungel unterschiedlicher Meinungen eine eigene, auf den
bezüglich des Themas einigermaßen belesenen Laien
ausgewogen wirkende Auffassung, die sie stets sehr gut
begründen können. Es fällt positiv auf, dass
sie sich unerschrocken auch an Themen heranwagen, die sozialen und
politischen Sprengstoff enthalten, etwa bezüglich der
us-amerikanischen Studien, die belegen, dass Schwarze einen geringeren
IQ aufweisen als Weiße - Studien, deren Interpretation
Forschern je nach Fazit den Vorwurf des Rassismus oder falsch
verstandener politischer Korrektheit einbringt. Leidtragende sind, so
das Fazit der Autoren, immer die Kinder, denen die Förderung
gestrichen wird, denn gleichgültig, ob
Gene
oder Umwelt eine
größere Rolle bei der Intelligenzentwicklung
spielen, Förderung zeigt stets eine positive Wirkung, vor
allem bei Kindern, die sozial benachteiligt sind.
Zugleich weisen die Verfasser auf aktuelle Studien hin, aus denen
hervorgeht, dass die systematische "Förderung" im Alter von
bis zu drei Jahren sich oft eher als Hemmschuh erweist, weil Babys und
Kleinkinder in einer normalen Umgebung alle Reize vorfinden, die sie
für eine optimale Entwicklung benötigen, und
darüber Hinausgehendes nicht selten zu einer tendenziell
schädlichen Reizüberflutung führt.
Das Buch befasst sich jedoch nicht nur mit kindlicher Intelligenz. Sehr
deutlich weisen Neubauer und Stern darauf hin, wie wichtig es
angesichts der demografischen Entwicklung ist, sich mit der Intelligenz
während des Älterwerdens zu befassen: Sollten
mittelfristig Siebzigjährige noch im Beruf stehen und
Achtzigjährige die wohl verdiente Rente genießen
wollen, so wird eine auch im Alter nicht wesentlich nachlassende
Intelligenz eine unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt der
Lebensqualität sein.
Das Buch ist anspruchsvoll, für Laien jedoch gut
verständlich. Es basiert auf sorgfältig ausgewerteten
aktuellen Erkenntnissen, deren Aussagekraft und Stand zwar nicht
beschönigt werden, die aber doch
Rückschlüsse zulassen, welche für Menschen
in jedem Alter, insbesondere sicher für Eltern und Erziehende,
von großer Bedeutung sind. Daher ist die Lektüre auf
jeden Fall zu empfehlen.
"Lernen macht intelligent. Warum Begabung gefördert werden muss"
DVA, 2007. 287 Seiten.
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Elsbeth Stern, geboren 1957, ist Professorin für Psychologie
und leitet an der Eidgenössischen Technischen Hochschule
Zürich den Arbeitsbereich Lehr- und Lernforschung. Sie
beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Veränderung und
der Nutzung von Wissen in unterschiedlichen Bereichen.
Weitere Buchtipps:
Andrea Brackmann: "Ganz normal hochbegabt. Leben als hochbegabter Erwachsener"
Drei Millionen hochbegabte Erwachsene leben in Deutschland. Viele
wissen nicht sicher um ihre besonderen Fähigkeiten und
fühlen sich in diffuser Weise "anders".
Als hochbegabter Mensch durchs Leben zu gehen könnte so
schön sein: Schule und Studium stellen kein Problem dar, der
gesellschaftliche Aufstieg ist gesichert ... Doch für viele
hochbegabte Erwachsene sieht die Wirklichkeit etwas anders aus. Sie
wissen nicht sicher um ihre besondere Begabung, wurden nie
gefördert und fühlen sich diffus unzufrieden, oft
angespannt und manchmal depressiv, wenn sie ihre Begabungen nicht
umsetzen. Freundschaften und soziale Kontakte gestalten sich mitunter
schwierig. Andrea Brackmann, Psychotherapeutin und Spezialistin auf dem
Gebiet, lässt hochbegabte Erwachsene selbst zu Wort kommen.
Sie schildern ihre Wege und Irrwege, in denen sich betroffene Leser
wiedererkennen können.
Die Autorin kommentiert kundig, hebt Typisches hervor, gibt
Hilfestellungen für den Alltag und informiert über
alles Wissenswerte rund um das Thema Hochbegabung:
Wie erkennt man Hochbegabung?
Was weiß die Forschung zum Thema?
Welche Anlaufstellen und Kontaktadressen gibt es?
Ein Buch, das sich ausschließlich der Erfahrungen und
Nöte hochbegabter Erwachsener annimmt. (Klett-Cotta)
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Warum wir nicht alle gleich intelligent sind.
Inwieweit Intelligenz erblich ist, wird in der Öffentlichkeit immer wieder
heftig diskutiert. Aus wissenschaftlicher Sicht steht jedoch fest, dass es
genetisch bedingte Unterschiede gibt. Allerdings wird das Potenzial, das jeder
Mensch mitbringt, erst wirksam, wenn es in Familie und Schule nach besten
Möglichkeiten gefördert wird. In diesem Buch erklären die renommierten
Intelligenzforscher Elsbeth Stern und Aljoscha Neubauer, wie es zu Intelligenz-
und Begabungsunterschieden kommt, wie man Intelligenz messen kann, woran man
überdurchschnittlich begabte Menschen erkennt und wie man Intelligenz fördert.
Sie stellen klar: Intelligenz ist eine individuelle Ressource, die man nur in
der Gemeinschaft entwickeln kann. Und: Wir haben Begabte nötiger denn je, hängt
der Erfolg unserer Informations- und Wissensgesellschaft doch maßgeblich von
ihnen ab. (DVA)
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Was geschieht, wenn es Wissenschaftlern eines Tages gelingt, eine Maschine zu
entwickeln, die die menschliche Intelligenz auf so gut wie allen wichtigen
Gebieten übertrifft? Klar ist: Eine solche Superintelligenz wäre enorm mächtig
und würde uns vor Kontroll- und Steuerungsprobleme stellen, verglichen mit denen
die Bewältigung des Klimawandels ein Klacks ist. Mehr noch: Vermutlich würde die
Zukunft der menschlichen Spezies in den Händen dieser Superintelligenz liegen,
so wie heute die Zukunft der Gorillas von uns abhängt. Zukunftsmusik? Oder doch
Science-Fiction?
Eindeutig Zukunftsmusik, sagt Nick Bostrom, und zwar eine, die vielleicht schon
binnen eines Menschenalters erklingen wird. Damit wir verstehen, was auf uns
zukommt, nimmt er uns mit auf eine faszinierende Reise in die Welt der Orakel
und Genies, der Superrechner und Gehirnsimulationen, aber vor allem in die
Labore dieser Welt, in denen fieberhaft an der Entwicklung einer künstlichen
Intelligenz gearbeitet wird.
Bostrom skizziert mögliche Szenarien, wie die Geburt der Superintelligenz
vonstattengehen könnte, und widmet sich ausführlich den Folgen dieser
Revolution. Sie werden global sein und unser wirtschaftliches, soziales und
politisches Leben tiefgreifend verändern. Wir müssen handeln, und zwar
kollektiv, bevor der Geist aus der Flasche gelassen ist - also jetzt! Das ist
die eminent politische Botschaft dieses so spannenden wie wichtigen Buches. (Suhrkamp)
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