Donna Leon: "Die dunkle Stunde der Serenissima"
Commissario Brunettis elfter Fall
"Die
Zweifel, das Misstrauen
Lassen mich erstarren."
Commissario Brunettis
elfter Fall ist wie erwartet sehr spannend, geht aber auch ziemlich unter die
Haut, da die Umstände und Hintergründe, unter denen das Verbrechen an einem jungen
Mädchen geschieht, sehr denkwürdig sind.
Vorerst beginnt die Geschichte
ganz harmlos: Eine von Paolas Studentinnen bittet ihre Professoressa um eine Auskunft
hinsichtlich einer Begnadigung für ihren Großvater und ersucht sie, mit ihrem
Mann darüber zu sprechen. Als die Informationen von Paola für das Mädchen nicht
zufriedenstellend sind, spricht sie selbst mit Brunetti und erklärt ihm, dass
ihr größter Wunsch wäre, die Ehre ihres Großvaters wieder herzustellen. Das Verbrechen,
für das er verurteilt wurde, liegt Jahre zurück und der Großvater ist mittlerweile
verstorben. Brunetti erkundigt sich über den Mann und erfährt nur Negatives, stößt
auf größte Ablehnung und teilweise unverhohlenen Hass seitens seiner Informanten.
So erfährt er, dass Luca Guzzardi sich zu Beginn und während des Krieges auf besonders
widerwärtige Art bereichert hätte. Menschen, die das Land verlassen mussten, soll
er Kunstgegenstände zu einem unverschämt niedrigen Preis abgekauft haben und dergleichen.
Brunetti
ist zwar befremdet, misst dem Ganzen aber keine allzu große Bedeutung bei, bis
Claudia Leonardo, das Mädchen, das ihn aufgesucht hat, ermordet aufgefunden wird.
Die Ermittlungen verlaufen zäh, doch je weiter sie voranschreiten, desto
tiefer wird der Sumpf und Brunetti muss erkennen, dass auch im Venedig von heute
noch Ewig-Gestrige zu finden sind, die an Idealen festhalten und eine Zeit verherrlichen,
die in erster Linie als menschenverachtend bezeichnet werden kann. Die Klärung
des Mordfalles bleibt bis zuletzt spannend, und der Ausgang ist einigermaßen außergewöhnlich
und keinesfalls vorhersehbar. Im Zusammenhang mit diesem Verbrechen wird aber
ganz deutlich, wie blind und abhängig Liebe machen kann und wie skrupellos manche
Menschen diese Tatsachen zu ihrem eigenen Vorteil nützen.
Alles in allem
eine spannende Lektüre, die man bis zum Finale kaum aus der Hand legen kann. Die
Familie Brunetti bekommt immer mehr Facetten, sodass der Leser oft das Gefühl
hat, diese Menschen zu kennen und die Sehnsucht
nach
Venedig wächst, obwohl der Commissario kein Fan der Touristen ist. Brunetti
entwickelt sich immer mehr zu einem ausgesprochen sympathischen und menschlichen
Commissario, der auch seine Unzulänglichkeiten hat. Die persönliche Assistentin
von Patta, Signorina Elettra, die ihn bei der Aufklärung dieses Falles wie immer
tatkräftig unterstützt, gewinnt auch zusehends an Tiefe.
(Margarete; 06/2003)
Donna Leon: "Die dunkle Stunde der Serenissima"
(Originaltitel "Wilful Behaviour")
Aus dem Amerikanischen von Christa Seibicke.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2003. 384 Seiten.
ISBN 3-257-06343-1.
ca. EUR 19,90.
Buch bestellen
Taschenbuch:
Diogenes, 2004. 384 Seiten.
ISBN 3-257-23448-1.
ca. EUR 9,90.
Buch bestellen