Donna Leon: "Wie durch ein dunkles Glas"

Commissario Brunettis fünfzehnter Fall


Sehr schwacher und langweiliger Krimi

"Kaum jemand beherrscht so gut wie Donna Leon die Kunst, Geschichten zu erzählen, in denen die Frage, wer der Mörder ist, gleichsam zur Nebensache wird vor lauter spannenden Details." Diese Worte auf der Umschlagrückseite stammen von einem New Yorker Kritiker, und sie gehen voll daneben, verfehlen den Kopf des sprichwörtlich gewordenen Nagels um Längen, zumindest was diesen neuen Roman Donna Leons anbetrifft. Denn was die Autorin ihren Lesern mit Commissario Brunettis fünfzehntem Fall zumutet, dürfte selbst so manchem eingefleischten Brunetti-Fan sauer aufstoßen. Die hanebüchene Geschichte taugt meines Erachtens nicht einmal als Fortsetzungsroman für die Regenbogenpresse. Die vom Kritiker angesprochenen "spannenden Details" konnten sich mir nicht erschließen, und von Erzählkunst mag ich erst recht nicht reden.

Zäh und schwerfällig dümpelt sich die Handlung in Gang, klischeebehaftet und durchsichtig von Anfang an. Die Dialoge plätschern monoton und inhaltslos vor sich hin wie der unsägliche Springbrunnen in meines Nachbars Garten. Den stark typisierten Figuren mangelt es an Profil und an Leben. Die ganze Geschichte, das ganze Buch atmet eine Aura des Naiven, des Trivialen. Es handelt sich bei Donna Leons "Wie durch ein dunkles Glas" um einen Schmarren minderwertigster Qualität und stockender Langeweile. Ja, man muss es leider so deutlich sagen.

Im Umfeld der venezianischen Glas-Manufakturen hat Donna Leon die Handlung ihres neuen Romans angesiedelt. Doch die assoziative Fantasie des Lesers spinnt sich schnell einen Faden hinüber zur Betten- und Bettwäschemanufaktur, denn durch ihre einschläfernde Geschichte erzeugt die Autorin zweifellos eine starke Nachfrage für deren Produkte. Auch die Umweltproblematik spielt eine tragende Rolle im Roman, ein Krimi also, der an das ökologische Gewissen der Leser appellieren soll, aber auch das stets aktuelle und brisante Umwelt-Thema kommt wenig überzeugend rüber.

Viel mehr bleibt mir kaum noch zu sagen, ja, ich bin tatsächlich sprachlos angesichts dieser erschreckenden Plattheit des Niveaus. Wenn auch meine Haltung gegenüber vielen der heutigen "Bestseller"-Autoren zugegebenermaßen vielleicht nicht ganz frei von Vorurteilen sein mag, etwas mehr hätte ich denn doch schon erwartet von einer Autorin wie Donna Leon. 

(Werner Fletcher; 07/2007)


Donna Leon: "Wie durch ein dunkles Glas. Commissario Brunettis fünfzehnter Fall"
(Originaltitel "Through a Glass Darkly")
Deutsch von Christa E. Seibicke.
Diogenes, 2007. 344 Seiten.
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Hörbuch:
Gelesen von Achim Höppner.
Diogenes, 2007. 8 CDs; Laufzeit ca. 538 Minuten.
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