Laotse: "Tao te king"
Das Buch des Alten vom Sinn und Leben
Das kleinformatige Büchlein mit den
Sprüchen von Laotse wird vom Atmosphären-Verlag als zweiter Band in der Reihe "Quellen der Weisheit" herausgegeben.
Es beinhaltet die Übersetzung der chinesischen Sprüche und Weisheiten des alten Meisters Laotse,
der vor etwa 2500 Jahren in China als Archivar am kaiserlichen Hofe der Zhou
wirkte. Motiviert durch den Zerfall des Reiches und den damit verbundenen
Moralverfall, begab er sich auf Wanderschaft und gelangte dabei auf einen
Grenzpass, wo er vom dortigen Grenzwächter aufgefordert wurde, seine Weisheiten
aufzuschreiben.
Dies tat er und hinterließ dem Wächter das "Tao te king". Danach
wanderte er weiter, und keiner hörte jemals wieder etwas von
ihm.
Das "Tao te king", auch "Daode jing", entstand im 4.
Jahrhundert vor Christus. Es beeinflusste den Daoismus tiefgreifend. Im 2.
Jahrhundert nach Christus wird Laotse sogar als Gott anerkannt und zu einer der
drei höchsten daoistischen Gottheiten erhoben. In China ist das Werk heute noch
ein sakraler Text.
Aufgrund der unterschiedlichen sprachlichen Ausdrucksweisen wird
vermutet, dass es von verschiedenen Meistern stammt. Wahrscheinlich
wurde es anfangs mündlich überliefert und dann
aufgeschrieben. Die Grundlage für die westlichen
Übersetzungen bildet die Ausgabe von Wan Bi (226-249 n. Chr.), die
auch in China weit verbreitet ist. 1973 und 1993 wurden in chinesischen
Gräbern noch zwei ältere Ausgaben gefunden. Sie sind 500 bzw.
700 Jahre älter.
Das "Tao te king" ist in zwei Teile gegliedert.
In das Tao, Richard Wilhelm, der Übersetzer der vorliegenden Ausgabe,
übersetzt es mit "Der Sinn", und das "Te", was für ihn "Das
Leben" bedeutet, so begründet im Vorwort.
Es besteht aus insgesamt
81 Sprüchen und ist mit seinen 5000 Schriftzeichen ein eher kurzer Text, so Dr.
Martina Darga, die das Vorwort zu dieser Ausgabe verfasste.
Die Sprüche selbst "greifen essenzielle Fragen auf, berühren Bereiche weit über unser
gewöhnliches Dasein hinaus und stellen sich gleichzeitig konkreten
Lebenssituationen". (Zitat von Dr. Martina Darga: Seite 16f.)
Im Jahr 1788 wurde das Werk von Jesuitenmissionaren erstmals ins Lateinische übersetzt
und so nach Europa gebracht.
Diese Ausgabe ist etwas Besonderes. Sie gibt das
von Richard
Wilhelm, einem
deutschen Pfarrer und Missionar, im Jahr 1910 ins Deutsche übersetzte und 1911
herausgegebene "Tao te king" wieder. Wilhelm war der Erste, der den chinesischen
Text ins Deutsche übertrug.
Anschließend kommentiert der Autor die Weisheiten
des Laotse, wobei er sowohl chinesische Philosophen, als auch Bibelzitate mit
einbezieht. Er versucht sensibel, einem europäischen Publikum die Bedeutung
der Verse verständlich zu machen. Dabei zeichnet er sich als hervorragender
Kenner der chinesischen Kultur und
Philosophie
aus. Die Kommentare sind keine Interpretationen, sondern beschreiben den Hintergrund
der Verse. Der Verfasser zeigt in ihnen auf, was einzelne Wörter bedeuten und
warum sie gerade so von ihm übersetzt werden, er analysiert die Texte und stellt
Zusammenhänge innerhalb des Textes und der chinesischen Kultur her. Die Kommentare
zeigen seine hohe humanistische Bildung und sein großes Verständnis für die
Kultur, aus der das Buch stammt.
Darga meint zur
Übersetzung, die jetzt 90 Jahre alt ist, sie "mag in mancher Hinsicht nicht
mehr dem derzeitigen sinologischen Forschungsstand entsprechen" (Zitat von
Seite 24), ist aber auch heute noch eine der wichtigsten. Außerdem betont sie
die Offenheit und Achtung des Verfassers gegenüber der chinesischen Kultur und
Geisteswelt. Dieser Offenheit begegnet man auch im Vorwort zur Originalausgabe.
Wilhelm hat sich eingehend mit der Kultur und Religion des Landes, in dem er 21
Jahre als Missionar arbeitete, beschäftigt.
Die Verse selbst sprechen für sich und nehmen den Hauptteil des Buches ein. Sie sind aufwändig gestaltet,
indem auf linken Seiten des Buches jeweils die Nummer sowie die Überschrift, und
auf rechten der jeweilige Spruch steht. Diese Darstellungsweise verleiht dem
Text eine besondere Bedeutung.
Gerade dies beeindruckt auch an diesem Buch; nicht der Übersetzer steht im Mittelpunkt,
sondern das Wort Laotses.
Die
Verse selbst können, will man sie wirklich verstehen, nicht in einem durch
gelesen werden, sie sind eher dazu gedacht, den Leser durch einen bestimmten
Lebensabschnitt oder sogar während seines gesamten Lebens zu begleiten.
Vermutlich hat der Atmosphären-Verlag gerade deshalb das Büchlein kleinformatig
gestaltet, somit kann es wirklich in jeder Tasche Platz finden und überallhin
mitgenommen werden.
Der Übersetzer Richard Wilhelm (1873-1930) lebte von 1899 bis 1920 als Pfarrer,
Missionar und Lehrer in der deutschen Kolonie Qingdao. Nach zwei Jahren Aufenthalt
in Deutschland arbeitete er als wissenschaftlicher Berater der deutschen Gesandtschaft
und als Universitätsdozent in Peking. Ab 1924 war er Professor für Chinesische
Geschichte und Philosophie in Frankfurt am Main. Daneben beschäftigte er sich
mit der Übersetzung von bedeutenden Schriften der chinesischen Philosophie und
Religion. Berühmt wurde auch seine Übersetzung des "Yijing" ("I Ging").
Er galt als Botschafter zwischen den Welten, der die geistigen Kulturgüter Chinas
nach Europa zu tragen vermochte.
(Ingrid; 07/2004)
Laotse: "Tao te king"
Übersetzt von Richard Wilhelm.
Neu eingeleitet von Martina Darga.
Atmosphären-Verlag, 2004. 176 Seiten.
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