Selma Lagerlöf: "Gösta Berling"
"Gösta
Berling" ist der erste Roman, den Selma Lagerlöf, die
spätere schwedische Literaturnobelpreisträgerin,
veröffentlichte. Das 1891 erstmals veröffentlichte
Buch erschien im September 2007 als 544-seitige Taschenbuchausgabe bei
dtv.
38 Kapitel bilden das Buch, und mit jedem Kapitel beginnt auch eine
neue Geschichte - oder gar mehrere. Selma Lagerlöf schrieb die
einzelnen Kapitel einst unabhängig voneinander und gewann mit
einigen von ihnen zunächst einen Novellenwettbewerb, bevor sie
sich daran setzte, ihre Einzelgeschichten zu einem Roman
zusammenzusetzen. Diese Art der Entstehung merkt man dem Buch auch
deutlich an, denn mit jedem Kapitel beginnt eine neue Geschichte, eine
- in engen Grenzen gesetzte - andere Zeit. Stets dauert es ein paar
Seiten, bis der Leser sich wieder stimmig in der Geschichte
fühlt, sich Kapitel für Kapitel immer wieder aufs
Neue in den Bann schlagen lässt.
In den Bann schlägt "Gösta Berling" allerdings
tatsächlich. Die namensgebende Hauptfigur, zunächst
vom Leser bemitleidet, macht zahlreiche Wandlungen durch.
Zunächst Pfarrer, später einer der berühmten
Kavaliere der Majorin von Ekeby, stets in irgendeiner Form in
Schwierigkeiten. Dabei ist Gösta Berling zugleich beliebt. Er
ist gesellig, weiß sich besonders gut auszudrücken
und seinem Charme erliegen einige Frauen - doch all dies macht
Gösta Berling dennoch lange Zeit aus verschiedenen
Gründen nicht
glücklich.
Das Buch auf die Geschichte eines einzelnen Mannes zu begrenzen,
würde dem Werk allerdings in keiner Weise gerecht. Wie es sich
für eine Saga gehört - und nichts Anderes
hält der Leser mit "Gösta Berling" in den
Händen -, tauchen zahlreiche Figuren auf, sind miteinander
verwoben, erleben verschiedene Situationen und Motivationen. In diesem
Werk wird heiß und innig geliebt, die Liebe verworfen, es
wird gestritten und anderswo getanzt und gelacht - all die
großen Gefühle der Menschen finden sich in diesem
Buch auf verschiedene Weisen wieder und fesseln den Leser schon allein
darum.
Doch auch das ist längst nicht alles. Je mehr man liest, desto
größer ist die Vertrautheit, die zwischen dem Leser
und den von Lagerlöf erdachten Figuren entsteht. Die Autorin
selbst tritt immer wieder als Erzählerin in Erscheinung, die
den Leser direkt anspricht und das Gefühl der Vertrautheit
damit umso mehr verstärkt.
Zuguterletzt sind es auch die ausführlichen Beschreibungen der
Landschaften und Häuser, die dazu führen, dass man
bald schon mitten im Geschehen zu sein scheint und dem Geschick (oder
Ungeschick) der Charaktere folgt.
Die Sprache ist die eines älteren Werkes - immerhin stammt es
aus dem neunzehnten Jahrhundert - und somit zunächst etwas
schwerer zu lesen, doch später entfaltet sich durch genau die
sorgsame Sprach- und Erzählweise Lagerlöfs das ganze
Potenzial des Buches. Es hat etwas Märchen- und Zauberhaftes
an sich, etwas
Verträumtes. Diese Grundstimmung zusammen mit
dem Wechselspiel der Gefühle, dem
Übernatürlichen, das stets subtil am Rand mitschwebt
sowie in Kombination mit der eher rauen Erscheinung der beschriebenen
Landschaft machen "Gösta Berling" zu einem grandiosen Ganzen.
(Tanja Elskamp; 10/2007)
Selma
Lagerlöf: "Gösta Berling"
Übersetzt von Pauline Klaiber-Gottschau.
dtv, 2007. 544 Seiten.
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