Steve de Shazer: "Der Dreh"
Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie
Immer noch verbinden die meisten Menschen
mit der Psychoanalyse und der Psychotherapie den Gedanken an jahrelange Analysesitzungen
bzw. stetig wiederkehrende tiefgründige Wechselgespräche. Dabei werden die Ursachen
von Problemen gesucht, die der Gast in der Praxis eines Psychoanalytikers oder
eines Psychotherapeuten hat - oder zu haben glaubt. Diese Idee der Langwierigkeit
hält auch viele Menschen vom Besuch solcher Einrichtungen ab, genauso wie der
Gedanke, dass sie damit
eine Form der diskriminierbaren
geistigen Krankheit zugestehen. Was in weiten Teilen Deutschlands zum Beispiel
bewirkt, dass diese Besucher am liebsten nicht beim Betreten und Verlassen der
Praxen gesehen werden möchten. Und je öfter man da hin muss, desto größer ist
die Gefahr, gesehen zu werden.
Tatsächlich sind die meisten Kontakte zwischen psychotherapeutisch Tätigen und
Hilfesuchenden in reinen Beratungssituationen wesentlich kurzfristiger, als
es das allgemeine Denken über eine Therapie suggeriert. Steve de Shazer (1940-2005)
war einer der grundlegenden Denker und Praktiker der modernen Kurzzeittherapie.
Hierzu hat er auf der Grundlage von Ericksons Arbeit, der systemischen Intervention
und der philosophischen Überlegungen zur Kommunikation und Beziehung bei Derrida
und Wittgenstein am von ihm gegründeten Brief "Family
Therapy Center" in Milwaukee mit Hilfesuchenden gearbeitet und zum Therapieprozess
geforscht. Das in der sechsten Auflage vorliegende Buch ist eines der Standardwerke
zur Kurzzeittherapie und gibt eine gute Einführung in die lösungsorientierte
Kurzzeittherapie.
Dem Leser werden bei der Lektüre
gewisse wissenschaftliche Grundlagen abverlangt, denn über weite Teile handelt
es sich bei diesem Buch um einen Forschungsbericht, der die Beobachtungen und
Analysen von etlichen Sitzungen innerhalb des Instituts auswertet und davon
ausgehend Mechanismen und Strukturen innerhalb der hier gegebenen
Sitzungssituation aufzeigt. Dabei wird immer wieder auf die Falsifizierbarkeit
wissenschaftlicher Arbeit hingewiesen, und obwohl aus der Arbeit zwei
"Support"-Computerprogramme hervorgingen ("BRIEFER I" und "BRIEFER II") wird von
jeder Mechanisierung des Beratungsprozesses dringend abgeraten bzw. davor
gewarnt. Die hier dargestellten Techniken sollen als hilfreiche Bilder und
Ergänzungen des therapeutischen und beratenden Repertoires gesehen werden und
nicht als eine neue eigenständige Theorie, die mit anderen Theorien und Methoden
in Konkurrenz tritt.
Mit seinem wissenschaftlichen Stil wendet sich das
Buch zunächst eher an Personen mit entsprechender Neigung oder Vorbildung, aber
die ebenfalls enthaltenen Fallberichte und ihre einsichtige und präzise
Kommentierung - auch im Zusammenhang untereinander - dürfte auch für andere
Leserschichten zugänglich und interessant sein. Auf jeden Fall ein Buch, das in
keiner psychotherapeutischen Bibliothek fehlen sollte.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2006)
Steve de Shazer: "Der Dreh"
Aus dem
Amerikanischen von Sally und Bernd Hofmeister.
Carl-Auer Verlag, 2006. 213
Seiten.
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Ein weiteres Buch des
Autors:
"Das Spiel mit Unterschieden. Wie therapeutische Lösungen
lösen"
Das Spiel mit Unterschieden, das Steve de Shazer beherrschte wie
kaum ein Anderer, hat ihm den Ruf eines originellen Therapeuten und innovativen
Pragmatikers eingebracht. Sein Konzept der lösungsorientierten Kurzzeittherapie
und sein Erfolgstitel "Der Dreh" haben die jüngere Entwicklung der
Psychotherapie nachdrücklich beeinflusst.
Gegenstand dieses Buches ist die
Therapie als solche, als beobachtetes Gespräch zwischen Klient und Therapeut. In
acht ausführlichen Fallbeschreibungen demonstriert de Shazer die
unterschiedlichen Aspekte des lösungsorientierten therapeutischen Gesprächs als
fortschreitende, sinnvolle Erzählung. (Carl-Auer Verlag)
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