Ronald Wright: "Eine kurze Geschichte des Fortschritts"


Wie historische Zivilisationen sich selbst vernichteten

Der Mensch ist aus der Sicht der Paläontologen ein Neuling auf der Weltbühne, und darüber hinaus umfasst die Geschichte des Fortschritts im Verhältnis zur Dauer der menschlichen Existenz eine bemerkenswert kurze Zeitspanne. Diese letzten zehn- bis zwölftausend Jahre haben das Gesicht des Planeten jedoch bemerkenswert verändert.
Im Verlauf der Altsteinzeit kam es aufgrund verbesserter Waffen und Jagdtechniken zur Entwicklung einer frühen Kultur. Aktiv oder passiv verdrängten die Cro-Magnon-Menschen, unsere Vorfahren, daraufhin die Neandertaler bis zu deren Aussterben. Und wo die steinzeitlichen Jäger künftig auftauchten, verschwand die eiszeitliche Großfauna, was sicher nicht nur an klimatischen Veränderungen lag, sondern an einer Bejagung, die jeglicher Umsicht (heute würde man von "Nachhaltigkeit" sprechen) entbehrte.
Die ersten "richtigen" arbeitsteiligen Zivilisationen in Mesopotamien richteten sich selbst zugrunde, weil die sich blindlings vermehrenden Menschen durch unbeschränkte Abholzung und Versalzung der Ackerböden aufgrund mangelhafter Bewässerungstechniken ihre Lebensgrundlage vernichteten.
Ein ähnliches Muster ergab sich auf der Osterinsel: Auch hier wurden die Bäume bis zum letzten gefällt, worauf die Erosion die Insel veröden ließ.
Die Maya-Kultur ging ebenfalls wegen Überbevölkerung und Übernutzung natürlicher Ressourcen zugrunde, ähnlich wie das antike Rom.
Dass die chinesische und die ägyptische Kultur bis heute überlebten, hat unter anderem mit den unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten zu tun, weniger mit maßvoller Ressourcenpolitik.

Der Autor stellt den erwähnten untergegangenen Zivilisationen unsere eigene gegenüber mit der Möglichkeit zur Selbstvernichtung durch Atombomben und Umweltgefährdung. Die Ausbreitung unserer Zivilisation über den gesamten Globus und der rasante Bevölkerungsanstieg haben dazu geführt, dass es im Falle von Misswirtschaft keine Ausweichmöglichkeiten mehr gibt - im Gegensatz zur Antike.

Ich finde den Titel etwas irreführend, weil es sich eben nicht um eine Geschichte des Fortschritts handelt, die chronologisch technische Neuerungen und ihre Folgen vorstellt, sondern um eine Fortschritts- und Technikkritik anhand ausgewählter Zivilisationen, die am Fortschritt scheiterten, und des Hinweises auf die durchaus existierenden Parallelen zu unserer eigenen Zivilisation. Konkrete Lösungen zeigt der Autor nicht auf, denn die gibt es mit Sicherheit nicht, bevor wir das Problem der Überbevölkerung im Griff haben, das Wright auch richtig als einen der wesentlichen Schrittmacher der großen Menschheitskatastrophen erkennt.
"Eine kurze Geschichte des Fortschritts" ist also durchaus ein lesenswertes und auch packend geschriebenes Buch, sofern man weniger an den Fakten des Fortschritts denn an seinen "Nebenwirkungen" interessiert ist.

(Regina Károlyi; 01/2006)


Ronald Wright: "Eine kurze Geschichte des Fortschritts"
(Originaltitel "A Short History of Progress")
Deutsch von Monika Niehaus-Osterloh.
Rowohlt, 2006. 208 Seiten.
ISBN 3-498-07356-7.
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