Milan Kundera:
"Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"
ungekürzt gesprochen von Heikko Deutschmann
(Hörbuchrezension)
Ein
politischer Liebesroman
Vielleicht nach dem Gesetz der historischen Ironie nicht ganz
zufälligerweise kam die Druckversion dieses Romans im Jahr
1984 heraus - dieses Menetekel Jahresdatum seit George Orwell. Und -
doppelte Ironie der Geschichte - der Roman spielt im Wesentlichen im
Jahr 1968 - für etliche europäische Länder
das Jahr des Aufbruchs -
die legendären 68er - und dann nach
dem sogenannten Prager Frühling der Einmarsch der sowjetischen
Truppen in die Tschechoslowakei. Was waren wir damals geschockt: mitten
in die Atmosphäre von Flower Power und
Willy Brandts Parole "Wir wollen mehr Demokratie wagen" die
Ernüchterung. Aber das ist ja auch das Grundthema des Romans:
Euphorie und Entzauberung, Hoffnung und Zynismus, Liebe und
Hilflosigkeit.
Für Tomas und Teresa - laut SZ "Romeo und Julia des 20.
Jahrhunderts" - haben Heimat und Exil kaum noch unterscheidbare
Kriterien, denn wer nach der Wahrhaftigkeit leben möchte, ist
in der Heimat ein Entwurzelter - und möglicherweise im Exil
ein Willkommener. Mit der Leichtigkeit, die unerträglich wird,
lässt es sich auf Dauer nicht leben - allerdings signalisiert
der Titel auch etwas von dem speziellen Kunststück, welches
Kundera gelungen ist: sein Roman ist intelligent und unterhaltsam
zugleich - was eine seltene Melange bedeutet. Kundera plädiert
ja für den Roman, der Poesie, Fantasie, Philosophie und
Unterhaltung - U und E eben - verbindet zur "Einheit von leichter Form
und ernstem Gegenstand." Und so schrieb er diesen politischen
Liebesroman, in dem sich Emotion und Ideologie, Tragik und Komik
artikulieren und eine groteske Symbiose eingehen.
Die große Kunst bestand nun darin, die 7 Teile des Romans auf
8 CDs unterzubringen; die Übersetzung aus dem
Französischen erfolgte damals ja durch Susanna Roth - gelesen
wird der Roman nun von Heikko Deutschmann. Ein auktorialer
Erzähler präsentiert seine philosophischen
Überlegungen über Leichtigkeit und Schwere, die er
zwischen die Handlung um Liebe, Untreue und politischen Terror streut.
Der Chirurg Tomas und die Serviererin Teresa finden zusammen, doch
Tomas kann auf seine Seitensprünge nicht verzichten, er
pflegte das, was er "erotische Freundschaften" nannte. Und er wird
aufgrund einer früheren "politischen"
Veröffentlichung zum Fensterputzer degradiert. Jedenfalls
"versuchte er zu beweisen, dass sein polygames Leben und seine Liebe zu
Teresa in keinerlei Widerspruch standen." Und fast schon zynisch
heißt es schließlich: "Um ihre Qualen zu lindern,
heiratete er sie und besorgte ihr einen jungen Hund." Das Zusammenleben
mit Teresa erscheint Tomas "in der Erinnerung schöner als in
der Wirklichkeit" - und "er genoss die süße
Leichtigkeit des Seins."
Als beide schließlich in einer landwirtschaftlichen
Genossenschaft arbeiten (müssen), ist der Hund Karenin Teresas
eigentliche Stütze. Allerdings stirbt er an
Krebs,
und die
beiden kommen bei einem Autounfall ums Leben. Es ist die
Unwiderrufbarkeit einer Handlung oder Entscheidung, welche die Schwere
in unser Leben bringt, Kundera bezweifelt allerdings, dass der Mensch
aufgrund von Erfahrungen zu besseren Entscheidungen kommen
könnte. Diese Geschichte um einen osteuropäischen
Intellektuellen zeigt letztendlich auch das politische Scheitern des
Prager Frühlings und vor diesem Hintergrund das Scheitern
aller Beziehungen
von Tomas, der eigentlich nur egoistisch und gar
nicht wirklich politisch denkt und empfindet. Kundera verstrickt uns in
philosophische, ideologische und emotionale Wirrnisse - tut dies
allerdings mit virtuoser Leichtigkeit - welche durch den Ton
unaufdringlicher Leidenschaft von Heikko Deutschmann zu einem
angenehm-anspruchsvollen Hörgenuss verdichtet wird.
(KS; 04/2007)
Milan
Kundera: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"
gesprochen von Heikko Deutschmann
Random House Audio, 2007. 8 Audio-CDs; Laufzeit ca. 10 Stunden.
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