Milan Kundera: "Das Buch vom Lachen und Vergessen"
Kein anderer Schriftsteller versteht
es derart ironisch, die Zwiespältigkeit der
Gefühle zu beschreiben wie Milan
Kundera. "Das Buch vom Lachen und Vergessen" ist ein Meisterwerk, ein Roman
in Variationen, vielschichtig, spannend, aufschlussreich und zugleich undurchsichtig
- voller Metaphern und Denkanstöße für den Leser. Ein Werk, dem es gelingt,
komplizierte Beziehungsgeflechte zwischen den Geschlechtern auszuloten und dabei
ein Stück der Geschichte seiner Heimat zu beleuchten. Ein Manifest wider das
Vergessen und eine Verbeugung vor jenen Menschen, die sich erkühnen zu erinnern,
und damit dem Vergessen die Stirn bieten.
Kundera
macht den Leser mit dem Prager Dissidenten Mirek bekannt, der verzweifelt
versucht, Liebesbriefe an eine Kommunistin zurückzufordern, um sein Bild als
Held des Widerstands nicht zu gefährden. Der Versuch scheitert, er wird
verhaftet und verurteilt aufgrund belastenden Materials, das in seiner Wohnung
gefunden wird.
Er war sich dessen bewusst, hat damit einer Menge von Freunden
Gefängnisstrafen beschert, doch statt dieses Material zu vernichten, galt seine
Intention nur der Zerstörung der kompromittierenden Liebesbriefe. War er
verliebt in sein Schicksal, und hat er den bevorstehenden Untergang geradezu
inszeniert?
Wir lernen ein Ehepaar kennen, das sich vom Dunstkreis der
Mutter des Mannes entfernt hat, um unbeschwert leben zu können. Jetzt ist die
Mutter alt und gebrechlich, und oft scheint es, als gehöre sie bereits in ein
Reich anderer Wesen. Das Ehepaar überlegt immer mehr, die Mutter zu sich zu
nehmen und lädt sie eines Tages zu einem längeren Besuch ein. Die Mutter folgt
der Einladung, widersetzt sich aber dem Abreisedatum und lernt so eine junge
Frau kennen, die ihr als Cousine der Schwiegertochter vorgestellt wird. Diese
junge Frau ist aber eine Freundin des Hauses, die von beiden Ehepartnern geliebt
wird. Eine Ménage à trois bahnt sich an, die von der Mutter fast vereitelt wird
und doch stattfindet. Eine Liebesnacht, die Marketa und Karel aus eingefahrenen
Gleisen befreien soll und Marketa doch nur bewusst macht, dass es ihr nicht
gelingen wird, aus alten ungeschriebenen Abkommen zu entfliehen.
"Das Buch vom Lachen und Vergessen" ist ein Rollen- und Variationsspiel. Figuren
und Geschichten faszinieren, die zwei Arten des Lachens - einerseits erfunden
vom Teufel, gut gekontert von den Engeln - geben zu denken. Immer schwingt die
für Kundera so typische Ironie mit, und die Frage "Hat die
Geschichte
überhaupt einen Sinn, oder treibt sie mit den Menschen nur absurde Scherze?" schwingt
in allen Geschichten mit. Eine spannende Frage, die jeder nur für sich selbst
beantworten kann und die den Leser nicht mehr loslässt.
Wer Kundera
kennt, wird dieses Buch lieben und es bis zum Ende nicht aus der Hand legen
können. Und selbst danach lässt es einen nicht los.
(Margarete Wais)
Milan Kundera:
"Das Buch vom Lachen und Vergessen"
Aus dem Tschechischen von Susanna Roth.
Fischer TB, 2014. 336 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Milan Kundera, 1929 in Brünn, ehemals Tschechoslowakei, geboren, ging 1975 ins Exil nach Frankreich. Sein Werk wurde in alle Weltsprachen übersetzt und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet.