Claude AnShin Thomas: "Krieg beenden - Frieden leben"

Ein Soldat überwindet Hass und Gewalt

"Ein jeder hat sein Vietnam. Eine jede hat ihren Krieg. Machen wir uns gemeinsam auf eine Pilgerreise, um diese Kriege zu beenden und wahrhaft in Frieden zu leben."


Claude AnShin Thomas beschreibt seine Geschichte, die aber als Synonym steht für die Geschichte vieler Menschen und erschreckend bewusst macht, wie Gewalt unser aller Leben beeinflusst. Krieg ist ein Ausläufer dieser Gewalt. Daher kann dieses Buch gerade heute ein Hoffnungsschimmer werden, ein Statement gegen den Krieg, eine Mahnung und ein Anruf, der leider oft genug nicht zu den Entscheidungsträgern vordringt.

Claude meldet sich als 17jähriger auf Anraten seines Vaters freiwillig zur Armee. Dort lernt er, wie man Krieg führt und jeden als Feind zu betrachten, der kein amerikanischer Soldat ist. Soldaten werden darauf getrimmt, den Feind zu entmenschlichen, und darin liegt die Saat des Krieges. Seine Vietnamerlebnisse sind erschütternd, aber noch schlimmer ist die Kälte und Abgebrühtheit, mit der er diesem Krieg und den Menschen begegnet. Zum ersten Mal in meinem Leben gelingt es mir nach dieser Lektüre, das Unvorstellbare nachzuvollziehen, nämlich wie es möglich ist, einen Fremden dermaßen als Feind zu betrachten, dass Töten durchaus legitim erscheint. Als Claude in die Heimat zurückkehrt und erwartet, als Held gefeiert, geliebt und geachtet zu werden, wird er bitter enttäuscht. Die Kriegsveteranen werden ausgestoßen, verabscheut und allein verantwortlich für das Desaster gemacht. Sein Leben gerät völlig außer Kontrolle, er ist nicht mehr fähig zu arbeiten und vegetiert voller Angst dahin, bis er auf Anraten einer engagierten Sozialarbeiterin Thich Nhat Hanh, einen vietnamesischen Zen-Meister, kennen lernt, der mit Kriegsveteranen arbeitet.

Diese Begegnung ermutigt Claude, sich seinen Erlebnissen zu stellen. Er erkennt, dass er bereits Krieg erlebt hat, bevor er nach Vietnam ging: den Krieg in seiner Familie. Vor seinen Ängsten und den schrecklichen Ereignissen, die sein Leben bestimmt haben, ist er immer nur davongelaufen. Sein Laufen nahm viele verschiedene Formen an. Er versuchte sich mit Drogen, Alkohol, Zigaretten und Sex zu betäuben. Er zog von einem Ort an den nächsten und blieb nie länger als sechs Monate. Er brauchte all das, um den Stacheldraht in sich zumindest einige Stunden in den Hintergrund zu drängen.

Viele lang verdrängte Ereignisse gelangen wieder in der Vordergrund, und er setzt sich trotz aller Schmerzen damit auseinander und erkennt immer mehr, dass wir alle die Fähigkeit besitzen, an der Umwandlung der Welt mitzuwirken, die Gewalt, den Hass und die Verzweiflung zu überwinden.

Claude beschäftigt sich mit Meditation und erkennt, dass deren Kern die bewusste Atmung ist und empfiehlt allen, die Praxis der Achtsamkeit zu üben, immer wieder inne zu halten und sich der eigenen Vorgehensweisen bewusst zu werden. Durch das bewusste Leben in Achtsamkeit gelingt es Claude AnShin Thomas, tief in seine Natur zu sehen und sein Leiden zu berühren. Als Buddhist glückt es ihm, mit seiner Angst, seinen Zweifeln, seiner Unsicherheit und seinem Zorn zu leben.

Eine seiner Pilgerreisen begann in Auschwitz. Claude ging zu der Mauer hin und versuchte sich selbst sowohl als Exekutionsopfer zu sehen, aber auch als Exekutierer, und hält uns damit vor Augen, was wir alle gerne vergessen: dass in jedem von uns das Potential steckt, beides zu sein.

Claude AnShin Thomas wurde 1947 in einer Kleinstadt in Pennsylvania geboren. 1995 ordinierte ihn Bernard Glassman zum Zen-Mönch. Er ist Gründer der Zaltho Foundation, die Gewaltlosigkeit und Frieden fördernde Aktivitäten initiiert und unterstützt.

(margarete; 06/2003)


Claude AnShin Thomas: "Krieg beenden - Frieden leben"
Aus dem Amerikanischen von Andrea Krug.
Theseus, 2003. 120 Seiten. 
ISBN 3-8960-220-0.
ca. EUR 14,90.
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