Benedikt Föger und Klaus Taschwer: "Konrad Lorenz"

"Sein Fach, die Tierpsychologie, ist in vatikanischen Kreisen nicht allzu beliebt, da man Tieren keine Psyche, keine Seele zugesteht und weil außerdem das mitunter sehr menschenähnliche Verhalten von Tieren dort Ärgernis erregt. (Heiterkeit bei den Nationalratsabgeordneten der ÖVP)"

(Auszug aus einer Polemik des kommunistischen Parlamentariers Ernst Fischer)


Über Konrad Lorenz eine Biografie zu schreiben ist allemal noch eine Herausforderung von besonderer Brisanz. Denn immerhin präsentiert sich die Person des großen Lebensforschers nicht nur als in mehrfacher Hinsicht unzeitgemäß und widerborstig, sondern auch als problematisch in ihren Bezüglichkeiten zur rassistischen Weltanschauung des Nationalsozialismus. Kein einfaches Unterfangen also, doch, um es gleich vorweg zu sagen, das Autorenduo Taschwer und Föger hat die heikle Aufgabe mit Bravour bewältigt. Was sich letztlich dem Leser bietet, ist die kritische Würdigung eines Wissenschafters von Weltrang, dessen Bedeutung "als ökologisches Gewissen der Nation" zur Zeit seines Lebens weit über den Bereich seines eigentlichen Betätigungsfeldes, die Ethologie, hinausragte.

Ein Menschenleben beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. So einfach und so banal verhält sich die Chronologie des Lebens, ein Grundschema, das dem Betrachter natürlich und einsichtig erscheint. Auch die vorliegende Biografie nimmt in diesem Sinne, einer kurzen essayistischen Einleitung nachfolgend, ihren quasi "natürlichen" Verlauf, beginnend mit dem Eintritt des Konrad Zacharias Lorenz in die Welt der Lebenden (Wien, am 7.11.1903), der unbeschwert glücklichen Kindheit in Altenberg, Schul- und Studienjahren in Wien, dem lange Zeit vergeblichen Streben nach einer Professur an einer der österreichischen Universitäten, sodann folgt doch noch eine rasante wissenschaftliche Karriere - allerdings in Deutschland -, welcher 1973 mit der Verleihung des Nobelpreises für Medizin und Physiologie eine krönende Weihe zuteil wird, schlussendlich die Wandlung zum ökologischen Gesellschaftskritiker und Ahnherrn der Grünbewegung. Am 27.2.1989 scheidet Konrad Lorenz in Wien aus dem Leben.

Wer sich mit der Person Konrad Lorenz befasst, kommt um einige Aspekte nicht herum, die da sind: seine Wissenschaft vom Leben, sein Engagement für die Erhaltung des Lebens, und schließlich aber auch seine Position gegen das Leben, in Gestalt seiner weltanschaulichen Nähe zum Nationalsozialismus. Gerade Letzteres war ihm sein Leben lang ein wunder Punkt, und man muss es den beiden Biografen hoch anrechnen, dazu keinen vorauseilenden Kompromiss mit der immer noch starken und prominent besetzten Verehrergemeinde in Österreich eingegangen zu sein. Ohne falsche Rücksichtnahme wird Lorenz' biologistisches Denken, insbesondere die Domestikationsthese ("Verhaustierung des Menschen" mit allen dazugehörenden Degenerationserscheinungen), in seiner Bezüglichkeit zur Ideologie des Nationalsozialismus dargestellt. Des begeisterten Nationalsozialisten Buhlen um die Gunst der braunen Herren kommt ebenso ausführlichst zur Sprache, wie sein teils im Dunklen liegendes Engagement für die NS-Rassenpolitik, welches Lorenz in den Verdacht bringt, in einem gewissen Sinne gar wohl ein Naziideologe gewesen zu sein. Wie selbstverständlich dem Naturforscher die obskure Gedankenwelt der Nationalrassisten gewesen sein muss, erhellt sich aus dem Umstand, dass Lorenz auch in den Nachkriegsjahren einen arglosen Umgang mit extrem rechtslastigen, wenn auch nur mit derer sehr geistvollen, Initiativen pflegte, und, wie Taschwer und Föger ausführen, sich immer erst in Folge massiven äußeren Drucks von diesen, mehr widerwillig denn freiwillig, distanzierte. Dieses letztlich dann aber doch umso nachdrücklicher. Was als dramatische Inszenierung von geistigen Verirrungen und derer betrübtes Einbekenntnis jedoch kaum geeignet war, die berechtigten Zweifel an seiner von nationalsozialistischen Verunreinigungen vorgeblich gesäuberten Geisteshaltung nachhaltig zu tilgen.

So schonungslos nun auch die braune Vergangenheit von Lorenz vorgeführt wird, wird zugleich doch nicht verabsäumt, die Ambivalenz und Zeitgebundenheit entsprechender Sprachregelungen darzulegen, wie sie Lorenz in seinen der NS-Ideologie verdächtigten Schriften zur Anwendung gebracht hat. Denn, so schrieb etwa auch der Wiener Jude und Psychoanalytiker Sigmund Freud zum Prozess der Kulturentwicklung: Wir würden ihm auf der einen Seite "das Beste verdanken, was wir geworden". Auf der anderen Seite könnte er vielleicht sogar "zum erlöschen der Menschenart" führen, denn "schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte."
Sigmund Freud war nun ganz bestimmt kein ideologischer Ziehvater des Nationalsozialismus, dieser trachtete ihm vielmehr nach dem Leben und zwang ihn zur Flucht, doch würde man diese Rede von "unkultivierten Rassen" und "zurückgebliebenen Schichten" heute wohl als ebenso ungebührlich wie ungeheuerlich erachten. Dass Lorenz, in seiner für ihn so typisch sorglosen Art, auf dieser zwar kulturkritischen doch mittlerweile dubios gewordenen Sprachregelung eines Sigmund Freud bis ins ausgehende 
20. Jahrhundert hinein beharrte, bezeugt der im Buch abgehandelte Verweis auf ein Interview mit dem ökologischen Monatsmagazin "natur", in dessen Verlauf er, voll des Zorns ob der mit Menschen überbevölkerten Erde, eine gewisse Sympathie für die Immunschwächekrankheit Aids bekundet, welche immerhin geeignet sei, die Menschheit zu dezimieren. Und damit noch nicht genug, jetzt ganz im Sinne der Freudschen Diktion: "Es zeigt sich, dass die ethischen Menschen nicht so viele Kinder haben und die Gangster sich unbegrenzt und sorglos weiterreproduzieren." Eine zumindest nach Kriterien politischer Korrektheit äußerst gewagte Aussage, die anno dazumal auch für dementsprechenden Aufruhr sorgte.

Der kritische Blick auf die Person des Naturforschers kommt also nicht zu kurz. Andererseits, Zweck einer Biografie ist nicht die Hinrichtung, sondern die kritische Würdigung einer Person, und insofern werden gegenständlich nicht nur Aspekte der Entschuldigung angeführt (Lorenz hatte ein enthusiastisches Temperament), sondern eben auch gegenteilige oder relativierende Meinungen zur vorherrschenden Charakterologie, wie sie etwa der Befund einer sowjetischen Behörde vorbringt, welcher Lorenz als vorbildlichen Antifaschisten ausweist. Auch wird nicht verschwiegen, dass Lorenz` "gottlose" Wissenschaft der vergleichenden Verhaltensforschung in seiner von klerikalen Konservativen beherrschten Heimat Österreich, in den Jahren der austrofaschistischen Diktatur (1934-1938), gerade noch missbilligend geduldet wurde, ansonsten aber jeder Chance auf Entfaltung beraubt war. Allein schon aus Gründen der Karrierestrategie musste dem in seinem Forschungsdrang Drangsalierten die Machtergreifung der selbst biologistisch gesinnten Nationalsozialisten schlechthin opportun erscheinen. Was jedoch sein wirklich zweifelhaftes Verhalten während der NS-Zeit und das spätere verschämte totschweigen seiner inbrünstig begehrten und auch erlangten NS-Mitgliedschaft nicht entschuldigen, sondern nur verstehen helfen sollte. Dass das Erklären und Verstehen von Verhaltensweisen diese nicht entschuldigt, daran lassen die Buchautoren auch keinen Zweifel aufkommen.

Dass Konrad Lorenz auch ein Mensch aus Fleisch und Blut war, wird in einer Reihe von Anekdoten aus seiner Vita zur Darstellung gebracht. Einfach vergnüglich ist es zu lesen, wie der mittlerweile (ab 1940) an der Universität Königsberg, auf dem Lehrstuhl von Immanuel Kant, zum ordentlichen Professor für Psychologie avancierte Lorenz 1944 an der Ostfront auf wahrlich unorthodoxe Weise seinen Heldenmut unter Beweis stellt und sich dann auch in der russischen Kriegsgefangenschaft (1944-1948) als Ungeziefer fressendes Vieh gewissermaßen tierisch einrichtet. Zu einem anderen Zeitpunkt gefährdet die kurze Liebelei mit einer ausgerechnet linksgerichteten Wissenschafterin die Familienidylle des Hauses Lorenz. Und dann immer wieder die geliebten Graugänse, deren hochentwickelte Sozialordnung der Tiersoziologe überaus schätzt, so dass er sich im bayrischen Seewiesen bei Starnberg eine vielköpfige Grauganskolonie zulegt, mit welcher er in reiferen Lebenstagen, zum Anlass seiner Pensionierung im Jahre 1973, nach Grünau, im oberösterreichischen Salzkammergut, übersiedelt.

Lorenz liebte die Tiere, derweilen seine Beziehung zu den Menschen merkwürdig unterkühlt und unflexibel blieb. Einigermaßen erheiternd lesen sich dann auch jene Sequenzen, die von Lorenz` Konflikten mit der aufmüpfigen Revoluzzergeneration um das Jahr 1968 herum erzählen. Um die traditionellen Riten und Normen des Sozialverhaltens an die nachfolgende Generation weitergeben zu können, bedürfe es jenes Maßes an Autorität, die nur einer Kultur der Unterordnung zu eigen ist. Lorenz warnte vor dem Untergang des Abendlandes, kritisierte einmal mehr die Feindseligkeit der jüngeren Generation gegenüber der älteren und unterstellte den Hippies, mit ihrer Kleidung die Älteren nur ärgern zu wollen. Die Älteren seien umgekehrt wegen ihres Brutpflegeinstinkts der jugendlichen Aggression gegenüber wehrlos. In der Tat, der wertkonservative Lorenz leistete sich in diesen Tagen so manchen Eklat. Die passendste Reaktion darauf fand vielleicht der Wolfsforscher Erik Zimen, der dem zornigen Herrn Professor nicht mit ebenso zornigen Worten entgegnete, sondern dem Verdutzten einfach nur ein Blumensträußchen überreichte.

Konrad Lorenz` wissenschaftliches Schaffen, wie z. B. mittels des Buches "Die Rückseite des Spiegels" dargelegt, welches eine philosophische Abhandlung zur von Lorenz mitgeprägten evolutionären Erkenntnistheorie ist, wird von seinen Biografen nur eher beiläufig tangiert. Umso mehr Beachtung widmen sie jedoch dem populärwissenschaftlichen Werk, welches allerdings mehr den Tierliebhaber und Gesellschaftskritiker betrifft, denn den Wissenschafter. Und die Autoren verfahren mit dieser Schwerpunktsetzung richtig, denn während sein, gewiss bedeutsames, wissenschaftliches Schaffen zur Tiersoziologie in Fachkreisen für Aufsehen sorgte und den Niedergang des konkurrierenden Behaviorismus beschleunigte, so blieb es doch auf das akademische Milieu beschränkt und ist mittlerweile durch den Erkenntnisfortschritt in der Soziobiologie weitestgehend überholt. Selbst Lorenz schien sich zuletzt in schwachen Momenten damit abzufinden, dass sein am Gedanken der "Arterhaltung" orientiertes Werk dem soziobiologischen Konzept der "Individualselektion" kaum mehr Paroli bieten konnte. Die klassische Ethologie nach Lorenzscher Prägung war überholt, doch wehrte der sture Patriarch aus Altenberg einen jeden intern gesetzten Versuch der Anpassung an moderne Erkenntnisse ab. Schlussendlich warteten seine Mitarbeiter nur noch darauf, dass der alte Sturkopf endlich abtrat.
Es ist also mehr als nur angemessen und vertretbar, das wissenschaftliche Werk lediglich zu streifen, und sich stattdessen in das populärwissenschaftliche Schaffen zu vertiefen, welches, da der Biologe aus Altenberg in seiner Heimat Österreich schlussendlich gar zum Propheten der Spielart einer ökologischen Apokalyptik avancierte, in weiterer Folge in einem gewissen Maße geschichtsträchtig, jedenfalls jedoch politikwirksam wurde. Denn zumindest in Österreich erlangte Lorenz - ungeachtet seiner braunen Vergangenheit - durch sein Engagement innerhalb der Umweltschutzbewegung, zuerst 1978 im Kampf gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf, sodann zum Schutz der faszinierenden Auenlandschaft bei Hainburg, höchste politische Bedeutung, wenn nicht sogar Kultstatuts im Rahmen einer alternativen Weltsicht zur herrschenden Industriegesellschaft. Das Volksbegehren gegen das zu jener Zeit in der Planungsphase befindliche Kraftwerksprojekt bei Hainburg war schließlich gar, unter Ausnutzung der Popularität des Nobelpreisträgers, als Konrad-Lorenz-Volksbegehren tituliert. Dessen führende Exponenten, Freda-Meissner Blau und Günter Nenning, sollten nur kurze Zeit später gemeinsam mit Prominenten aus der Öko- und Friedensbewegung eine Grünpartei aus der Taufe heben, die bis in unsere Tage hinein das Politikgeschehen in Österreich zusehends mitbestimmt. Und als im Dezember 1984 die Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern und der Polizei um die von der Rodung bedrohte Auenlandschaft bei Hainburg zur Brachialität eskalierte, bat der österreichische Bundeskanzler Dr. phil. Fred Sinowatz - bekannt für sein tiefgründiges Verständnis von den Dingen ("Es ist alles sehr kompliziert.") - den greisen Propheten und "Seher von Altenberg" am 12. Januar 1985 zu einem Versöhnungsgespräch in das Martinschloss in Klosterneuburg bei Wien.

Die Ausführungen zur populären Sachliteratur stellen sich im Unterschied zum wissenschaftlichen Schrifttum also ziemlich umfassend dar, wobei jedoch wunderbare Bücher wie beispielsweise "So kam der Mensch auf den Hund" (übrigens immer noch ein herausragendes Hundebuch) und - der Titel gewahrt spontan an Franz von Assisi - "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen" zugunsten der Veröffentlichungen mit gesellschaftspolitischer Relevanz ein wenig hintan gestellt bleiben. Denn wirklichen Sprengstoff enthielten fürwahr Schriften wie "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit", "Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression" und "Der Abbau des Menschlichen", was sie für Zwecke der Biografie natürlich besonders interessant macht. Diese Bücher finden sich in hinreichend rezensierter Form wieder und werden in ihrer Entstehungs- und Wirkungsgeschichte eingehend diskutiert. Der Erfolg dieser zwar in brillantem Stile verfassten doch mit Versündigungen gegen den Sprachkodex politischer Korrektheitslehre nur so überquellenden Literatur erstaunt bis zum heutigen Tage. Alle diese Titel wurden trotz oder eben wegen ihrer unzeitgemäßen Betrachtungsweisen zu wahrlich zeitlosen Bestsellern der Literaturgeschichte.

Die "Acht Todsünden" waren Lorenz, nach Ansicht seiner Biografen, zu einem kulturkritischen Pamphlet geraten, welches nach Lorenz` eigenem Dafürhalten "einem Bußprediger wie dem berühmten Augustiner Abraham a Sancta Clara besser anstünde als einem Naturforscher." Als die Schlimmste aller Todsünden bezeichnet Lorenz in seinen "Acht Todsünden" bekanntlich die Überbevölkerung, womit er weniger die Bevölkerungsexplosion in der "Dritten Welt" meint, sondern vielmehr die Übervölkerung von Siedlungsräumen der hochentwickelten Weltteile. Des Weiteren beklagt er das genetische Verkommen und stellt Fragen nach dem erblichen Instinktausfall bei Menschen, prangert die Verwüstung des natürlichen Lebensraumes an, mit welchem auch die Ehrfurcht vor der Schöpfung verloren gehe, und geißelt das "rat race des allgemeinen Wettbewerbs" in der spätkapitalistischen Gesellschaft. Ein ebenso zorniges wie mutiges Buch also, das, Taschwer und Föger können sich diese Bemerkung nicht verkneifen, stellenweise fatal an den Lorenzschen Tonfall aus der NS-Zeit erinnert, etwa wenn Lorenz auf möglicherweise genetisch geschädigte Sozialparasiten zu sprechen kommt, denen man nicht mit falsch verstandenem Mitleid kommen dürfe. Und man staunt, wenn Taschwer und Föger aufdecken, dass der Lorenzsche Bestseller von den "Acht Todsünden" auf Betreiben des um den Ruf seines Freundes besorgten Norbert Bischof vor Drucklegung noch um einige Passagen entschärft und in der Aussage relativiert wurde. Eine Entschärfung, die etwa ein Karl von Frisch (wie Lorenz Tierpsychologe und Nobelpreisträger aus Österreich) mit der Bemerkung missbilligte: "Es ist schade, dass Sie (Konrad Lorenz; Anm. des Rez.) die beabsichtigte Wirkung durch das Vorwort abgeschwächt haben. [ &] Das Grundübel sehe ich darin, dass sich die Menschen viel zu stark vermehrt haben." Lorenz reagierte auf diese Kritik mit Freude, zumal es ihn danach gelüstete, als ökologischer Strafprediger sein Leben abzurunden, wie Taschwer und Föger darlegen. So schrieb der von seinem Erfolg euphorisierte Lorenz an seinen Freund und Kollegen, den ehemals NS-Verfolgten und Nobelpreisträger Nikolaas Tinbergen: "Ich bin in Versuchung alles hinzuhauen und Prediger zu werden. Was ich predige, ist schlicht Biologie. Man müsste die einfachsten ökologischen Kenntnisse so sehr zum Allgemeinwissen machen, dass ein Politiker, der das nicht weiß, einfach ganz allgemein als Trottel gilt und automatisch nicht gewählt wird." Eine eigentlich diskussionswürdige Aussage, was den Typus des kenntnislosen Politikers betrifft!

Es mag vielleicht verwundern, wenn Taschwer und Föger ausführen, dass Lorenz mit seiner seltsam unzeitgemäßen Diktion, mit seiner finsteren Praxis des Strafpredigens, gehalten im Wortlaut einer verdächtigen Terminologie, deswegen doch keineswegs im rechtsextremen Eck landete, sondern bei der breiten Masse interessierter Leser ebenso wie bei lupenreinen Antifaschisten reüssierte. So merkte der liberale Philosoph und Kämpfer gegen den Totalitarismus, Sir Karl Popper, in einem Brief an Lorenz zu dessen düsterstem Buch "Der Abbau des Menschlichen" anerkennend an: "Ich habe Dein neues wunderschönes und menschliches Buch gelesen. Es ist mir aus der Seele geschrieben. [ &] Es hat alle Erwartungen übertroffen."
Ist Lorenz also als ein Vorkämpfer einer wahrlich humanistischen Gesittung zu sehen? In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, und dies war in der Biografie auch nicht auszusparen, dass Lorenz mit seinen Büchern, insbesondere mit "Das sogenannte Böse" (engl. Originaltitel "On Aggression"), einem pessimistischen und in seiner weltanschaulichen Auslegung gefährlichen Menschenbild Vorschub leistete, welches der Biologenzunft zusehends peinlich wurde, und deswegen schlussendlich zur Erklärung von Sevilla im Mai 1986 führte, womit eine auserlesene Schar von Wissenschaftern aus aller Welt sich unter dem Titel "Gewalt ist kein Naturgesetz" gegen den Missbrauch von Ergebnissen biologischer Forschung zur Legitimation von Krieg und Gewalt wendete.

Abschließend ist dem Autorenduo Klaus Taschwer und Benedikt Föger zu diesem vitalen und ebenso kritischen wie respektvollen Porträt des großen Naturforschers und Umweltschützers Konrad Lorenz jede Hochachtung auszusprechen. Weder sind die beiden Lorenz-Biografen der Versuchung erlegen, den Seher von Altenberg zur Ikone zu verklären, noch den zuletzt zornigen Greis zur lächerlichen Figur mit längst schon abgeschmackten Meriten zu verzerren. Auch der beliebten und im Grunde unakzeptablen Stilisierung zum unverbesserlichen Nationalsozialisten ist man bei Verfassung des Buches keineswegs aufgesessen, noch dass man die erst kürzlich aufgefundenen und aus der Perspektive rückblickender Wahrnehmung teils getrübten autobiografischen Notizen - Lorenz bastelte zuletzt an einer fragmentarisch gebliebenen Autobiografie - in bequemer Manier für bare Münze genommen und unkritisch in die Biografie übernommen hätte. Lorenz selbst zelebrierte sich zuletzt als mythischer Prophet des Weltuntergangs, wenn er beispielsweise donnerte: "Der Mensch ist im Begriff, sich selbst zu vernichten", und wusste dazu seinen ausdrucksstarken Charakterkopf mit vollem schlohweißen Haupthaar entsprechend in Szene zu setzen. Liebevoll und gutmütig fällt der Blick auf dieses Gehaben des Greises aus, welcher, immer noch wach und provokant im Geiste, in betont unzeitgemäßer Manier bis zuletzt kein Fettnäpfchen ausließ, in das es nach Möglichkeit hineinzutappen galt.

Obgleich zuweilen fragwürdig und suspekt, so führte Lorenz sein Leben lang doch ein Dasein in Würde und schied zu guter Letzt ebenso in Würde aus dem Leben. Eine Würde, die ihm seine Biografen belassen haben, so kritisch die Lesart des Buches auch immer der Faktenlage entsprechend ausfallen musste. Letztlich liegt uns somit eine Biografie vor, die ob ihrer generellen Ausgewogenheit überzeugt und folglich geeignet ist, bei Freund wie Feind des streitbaren Geistes und vermutlich populärsten Wissenschaftlers unserer Tage Anerkennung zu finden. Zudem erfreut ein Lesegenuss, der, wohl selbst noch bei Personen ohne Bezug zur akademischen Wissenschaft, in keinem Augenblick die Empfindung aufkommen lässt, man wolle das Buch eigentlich wieder beiseite legen.

(Tasso; 10/2003)


Benedikt Föger und Klaus Taschwer: "Konrad Lorenz"
Zsolnay, 2003. 368 Seiten.
ISBN 3-552-05282-8.
ca. EUR 24,90. Buch bestellen

Ergänzende Buchtipps:

Konrad Lorenz: "Eigentlich wollte ich Wildgans werden"
Aus meinem Leben. Mit Essays von Irenäus Eibl-Eibesfeldt und Wolfgang Schleidt.
Als Kind wollte er zuerst eine Eule sein, dann doch lieber eine Wildgans. Als "Vater der Graugans" und als Begründer der Vergleichenden Verhaltensforschung wurde er schließlich weltberühmt und einer der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Naturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts: Konrad Lorenz, geboren 1903 in Wien. Seine Bücher wurden Bestseller, zu einer Autobiografie hinterließ er nur Fragmente. Zu seinem 100. Geburtstag erschien erstmals auf Deutsch ein autobiografischer Text, in dem er über sein Leben, seine Familie und seine Wissenschaft berichtet. Irenäus Eibl-Eibesfeldt analysiert die wissenschaftliche Bedeutung des Nobelpreisträgers. Wolfgang Schleidt, ebenfalls Schüler und Mitstreiter von Lorenz, schreibt über Konrad Lorenz in seiner Zeit und dabei auch über dessen immer wieder kontrovers diskutierte Rolle im "Dritten Reich".
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Konrad Lorenz: "Das Jahr der Graugans"
Mit 147 Farbfotos von Sybille und Klaus Kalas.
Seit seiner Jugend hatte sich Konrad Lorenz mit Wildgänsen befasst. Der große Verhaltensforscher und Nobelpreisträger hat die Graugänse so leidenschaftlich wie kein anderes Tier beobachtet. Über die Lebens- und Verhaltensweisen der Graugänse in ihrer natürlichen Umwelt veröffentlichte er diesen mittlerweile legendären Text- und Bildband: 147 hervorragende Farbfotos aus dem Jahresablauf des Familien- und Gesellschaftslebens der Wildgänse und ein bewegender, anschaulicher Text von Konrad Lorenz.
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Leseprobe aus "Konrad Lorenz" von Benedikt Föger und Klaus Taschwer:

"Gewalt ist kein Naturgesetz": So lautet der Titel einer Erklärung, die im Mai 1986 anlässlich einer in Sevilla stattfindenden Konferenz über Gehirn und Aggression von zwanzig Wissenschaftlern aus aller Welt veröffentlicht wurde. In der Präambel zu dieser Deklaration erklärten die Autoren, die aus den verschiedensten Disziplinen kamen, dass sie sich damit "gegen den Missbrauch von Ergebnissen biologischer Forschung zur Legitimation von Krieg und Gewalt" wenden wollten. "Einige dieser Forschungsergebnisse, die wir als solche nicht bestreiten", hätten zur Schaffung einer pessimistischen Stimmung in der öffentlichen Meinung beigetragen. Im Kern besteht die "Erklärung von Sevilla", die in der Folge von über hundert wissenschaftlichen Vereinigungen übernommen wurde, in der Zurückweisung von fünf biologistischen Hypothesen über Krieg, Gewalt und Aggression. Wissenschaftlich nicht haltbar seien demnach die folgenden Annahmen:
1. Der Mensch habe das Kriegführen von seinen tierischen Vorfahren ererbt.
2. Krieg oder anderes gewalttätiges Verhalten sei beim Menschen genetisch vorprogrammiert.
3. Im Lauf der menschlichen Evolution habe sich aggressives Verhalten gegenüber anderen Verhaltensweisen durchgesetzt.
4. Das menschliche Gehirn sei "gewalttätig".
5. Krieg sei durch einen "Trieb" oder "Instinkt" verursacht oder irgendein anderes einzelnes Motiv.
Die zwanzig Wissenschaftler zogen in ihrer Deklaration den Schluss, dass die Menschheit biologisch gesehen nicht zum Krieg verdammt sei; sie könne von falsch verstandenem biologischem Pessimismus befreit und in die Lage versetzt werden, "mit Selbstvertrauen [...] an die notwendige Umgestaltung der Verhältnisse zu gehen. Und diese Aufgabe habe auch mit dem Bewusstsein der einzelnen Akteure zu tun, das entweder von Pessimismus oder von Optimismus gesteuert sein kann.
Die "Erklärung von Sevilla" fand weit über die wissenschaftliche Welt und über das internationale Friedensjahr 1986 hinaus Beachtung: Unter anderem wurde sie im November 1989 auch von der UNESCO verabschiedet. Doch auch kritische Stimmen blieben nicht aus, die meinten, dass sich die 20 Wissenschaftler lediglich einen biologistischen Strohmann zusammengebastelt hätten, um ihn dann zerstören zu können. Für andere wiederum war offensichtlich, dass damit auf jenes gleich epochemachende wie umstrittene Buch Bezug genommen wurde, das genau zwei Jahrzehnte zuvor unter dem Titel "On Aggression" in englischer Übersetzung erschienen war, das seinen Autor Konrad Lorenz endgültig zu einem wissenschaftlichen Weltstar machte und eine ganze Flut an Forschungen und Publikationen über Aggression in den verschiedensten humanwissenschaftlichen Disziplinen auslöste.
Doch fanden sich diese "wissenschaftlich unhaltbaren" Thesen tatsächlich in seinem umstrittenen und vieldiskutierten Bestseller, der jahrelang die wissenschaftliche Diskussion über Gewalt bei Tier und Mensch prägte? Oder waren die fünf kritisierten Annahmen bloß biologistische Zuspitzungen, die Lorenz und anderen Ethologen in den Mund gelegt wurden? Mit der "Erklärung von Sevilla" stand aber auch die gesellschaftliche Funktion der Wissenschaft zur Diskussion: Ist die Wissenschaft tatsächlich dazu verpflichtet, zur Schaffung einer optimistischen Stimmung in der öffentlichen Meinung beizutragen? Oder soll sie sich nicht vielmehr um die Produktion möglichst zuverlässiger Erkenntnisse kümmern?
Das sogenannte Böse, wie "On Aggression" im besser gewählten Originaltitel heißt, erschien in jenem Jahr, in dem Konrad Lorenz sechzig Jahre alt wurde. Und mit der Veröffentlichung dieses populärwissenschaftlichen Buchs begann für ihn auch ein neuer Lebensabschnitt: den der internationalen Kultfigur und des ums Wohl der Menschheit besorgten Predigers. Zugleich trat die eigentliche wissenschaftliche Forschungsarbeit noch weiter zurück als in den Jahren zuvor: "Es ist natürlich wahr, dass man sich in gewissem Sinne 'zur Ruhe setzt', wenn man so viel Zeit auf Zusammenschreiben und Predigen verwendet, statt neue Originalarbeiten zu schreiben", meinte Lorenz denn auch in einem Brief an Otto Koehler, unmittelbar nachdem "Das sogenannte Böse" erschienen war.
Wie Lorenz in der Einleitung seines Buches andeutet, ging die Idee zum Buch auf einen mehrmonatigen USA-Aufenthalt im Winter 1960/61 zurück. Der wohlbestallte Max-Planck-Institutsleiter war von der Menninger Foundation eingeladen worden, um als Alfred P. Sloane Visiting Professor an der Columbia University in New York über seine Forschungen vorzutragen. Daneben besuchte er mit seiner Frau, die in die USA mitgekommen war, Vorlesungen von Psychiatern und Psychoanalytikern. Am Ende der Reise, im Februar und März 1961, machten die beiden in Florida noch ein paar Wochen "Urlaub", den der Verhaltensforscher vor allem dazu nutzte, um schnorchelnd das Verhalten von Korallenfischen auf den Riffen zu studieren. Diese Beobachtungen verarbeitete Lorenz zum auch literarisch beeindruckenden Einstieg seines Buches: Als Ich-Erzähler erzählt er davon, wie er mit Taucherbrille und Flossen über "eine Märchenlandschaft" dahinschwebte, dabei von Hunderten Fischen begleitet wurde - und was geschah, als ein besonders bunter Korallenfisch einem anderen näher kam: nämlich wütende Angriffslust und Aggression bei dem, der sein Territorium verteidigte.
Konrad Lorenz nimmt mit dem Buch ein Thema auf, das ihn seit Beginn seiner Forschungen beschäftigte: das aggressive Verhalten von Tieren und Menschen. Und wie bei den meisten seiner Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg waren auch die Grundideen für "Das sogenannte Böse" bereits in den dreißiger Jahren formuliert worden: 1935, also fast drei Jahrzehnte vor Erscheinen von "Das sogenannte Böse", hatte Lorenz im Neuen Wiener Tagblatt einen populärwissenschaftlichen Text unter dem Titel "Moral und Waffen der Tiere" veröffentlicht, in dem er bereits einige der zentralen Thesen seiner späteren Arbeit vorwegnahm. Und der Schluss dieses Zeitungsartikels sollte zu einer hellsichtigen Prophezeiung werden, deren Erfüllung den ums Wohl der Menschheit besorgten Wissenschaftler ein Vierteljahrhundert später dazu motivierte, sich erneut mit dem Thema zu befassen. Lorenz schrieb damals, vier Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs:
"Es wird der Tag kommen, da von zwei kriegführenden Gegnern jeder den anderen glatt vernichten kann. Es kann der Tag kommen, da die gesamte Menschheit auf zwei solche Lager verteilt ist. Werden wir uns dann verhalten wie die Hasen oder wie die Wölf?
Das Schicksal der Menschheit wird sich mit dieser Frage entscheiden."
Nach dem Krieg war genau diese Situation eingetreten: Die beiden siegreichen Supermächte USA und UdSSR standen sich mit ihren jeweiligen Bündnissystemen im 
Kalten Krieg gegenüber. Und die Entwicklung der Waffentechnik - beide Machtblöcke verfügten mittlerweile über ein erhebliches Arsenal an Kernwaffen - machte es 1963 längst möglich, dass ein Gegner den anderen vollständig vernichten konnte.
Es war also gewiss auch die Weltlage, die Konrad Lorenz dazu gebracht hatte, sich erneut mit dem Thema Aggression und Krieg zu befassen - ausgehend freilich von seinen Beobachtungen und Deutungen des aggressiven Verhaltens bei Tieren. Wie er in der Einleitung schreibt, möchte er den Leser nämlich "möglichst genau auf demselben Wege führen, den ich selbst gegangen bin", um ihn "zum Verständnis der tieferen Zusammenhänge" zu bringen. Und weiter heißt es da:
"Die induktive Naturwissenschaft beginnt stets mit der voraussetzungslosen Beobachtung der Einzelfälle und schreitet von ihr zur Abstraktion der Gesetzlichkeiten vor, der sie alle gehorchen. [...] Wirklich überzeugend wäre mein Buch, wenn der Leser allein aufgrund der Tatsachen, die ich vor ihm ausbreite, zu denselben Schlussfolgerungen käme wie ich."
Der Verhaltens- bzw. Aggressionsforscher löst sein Vorhaben stilistisch brillant ein: Nach und nach lässt er seine Leserschaft an seinen suggestiv vorgetragenen Beobachtungen teilhaben und konfrontiert sie erst danach mit seinen eigenen Behauptungen, die heute zum Teil immer noch umstritten sind oder widerlegt wurden, zum Teil aber auch Allgemeingut geworden sind. An die beeindruckenden Schilderungen seiner Tauchabenteuer vor Florida schließen sich Deutungen der in der Tierwelt beobachteten Phänomene an. Und gleich vorneweg gibt es eine Klarstellung, die auf den ersten Blick trivialer erscheint, als sie tatsächlich ist: Für den Verhaltensforscher gilt nicht jenes Verhalten als aggressiv, das sich gegen andere Arten richtet - also z. B. das von Raubtieren, die ihre Beute jagen und töten. Es geht ihm um das aggressive Verhalten von Artgenossen, die sich - wie die Korallenfische - aus ihren jeweiligen Revieren vertreiben, die sich um Nahrung oder um Fortpflanzungspartner streiten. Aggression ist für Lorenz also eine intraspezifische und daher "soziale" Verhaltensbereitschaft, die unter anderem für die gleichartige Verteilung der Tiere im Raum sorgt oder für die Auswahl der besten und stärksten Tiere zur Fortpflanzung.

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