Fatos Kongoli: "Hundehaut"


Albanische Geschichte in Beziehungen

Krist Tarapis Gedanken, Tag- und Nachträume drehen sich fast nur um Frauen. Der alternde, beruflich nur mäßig erfolgreiche albanische Drehbuchautor gibt sich über diesen Lebensinhalt hinaus in Tirana um 2000 nur noch dem Alkohol und melancholischen Erinnerungen voller Selbstmitleid hin. Im Rückblick auf sein Leben fühlt sich der Erzähler Tarapi, genannt Trapi - "Gemächt", als Hundehaut: "Ein Sprichwort bei uns sagt, dass man Butter nicht auf Hundehaut verschwenden soll. Butter, die mit Hundehaut in Berührung kommt, wird ranzig." (Seite 14)

Sich an schönen Frauen zu erfreuen, ist für ihn eine Leidenschaft, die sein Leben vor, aber auch während und nach der Ehe mit Marga bestimmt. Doch Marga ist tot, sein Sohn lebt in den USA, die Tochter zieht mit einem italienischen KFOR-Offizier in dessen Heimat.

In dieser trostlosen Situation hält er sich an Lori, die attraktive und selbstsichere Freundin seiner Tochter. Mit ihr entdeckt er nicht nur Freuden der Jugend - nach und nach erfährt er aus ihrer Lebensgeschichte, dass er schon Loris Mutter und Großmutter gekannt hat. Lori ist die letzte in einer Reihe von Frauen, die denunziert, verfolgt und verbannt durch behördliches Eingreifen unerwartet und schmerzlich aus Tarapis Leben verschwinden.

Diese drei und einige weitere Frauen, darunter auch Ehefrau Marga, markieren Tarapis Lebensabschnitte und gleichzeitig Epochen in der jüngeren Geschichte Albaniens. Sie führen die Leser von der verhaltenen Aufbruchstimmung eines jungen Sozialismus in einem wenig entwickelten Land über brutale Verfolgung und staatlichen Terror bis zur wirtschaftlichen Aussichtslosigkeit nach der Wende und zur Dominanz mafioser Netzwerke mehr als ein Jahrzehnt nach der Überwindung der Diktatur.

In diesem Schlüsselroman spiegelt sich die albanische Geschichte in der Geschlechterbeziehung; das Buch beschreibt auch die Veränderung sexueller Beziehungen in einem traditionell patriarchalisch geprägten Land. Der Totalitarismus von Enver Hoxha wirkte in alle sozialen Verhältnisse hinein, auch intimste Beziehungen blieben vom Regime nicht unbeeinflusst. Der Leser erfährt inmitten ergreifender Liebesgeschichten von bestürzender Not und brutaler Verfolgung ganzer Familien.

Der Autor Fatos Kongoli, geboren 1944, gilt als einer der bedeutendsten Autoren der albanischen Gegenwartsliteratur. Nach "Die albanische Braut", der Geschichte des Massenexodus junger Albaner nach Italien, versteht er es auch in seinem zweiten im Schweizer Verlag Ammann erschienenen Roman, das Schicksal seines Landes mit persönlichen Erfahrungen einer Generation zu verknüpfen, die gegen Ende des Lebens erkennen muss, dass sie den verlorenen Jahren Albaniens nicht mehr entkommen wird.

(Wolfgang Moser; 02/2006)


Fatos Kongoli: "Hundehaut"
Aus dem Albanischen von Joachim Röhm.
Ammann Verlag, 2006. 300 Seiten.
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Fatos Kongoli studierte Mathematik in China und Tirana. Von 1977 bis 1992 war er Redakteur im Verlag "Naïm Frashëri" und bei der Literaturzeitschrift "Drita", Mitstreiter von Elena Kadaré und Jusuf Vrioni. Heute arbeitet er als Kulturredakteur bei "Rilindja démokratike. Erstmals veröffentlicht wurde "Die albanische Braut" ("I humburi") 1992 bei Dituria, einem der neuen unabhängigen Verlage Albaniens. Fatos Kongoli lebt in Tirana.

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