Bettina Röhl: "So macht Kommunismus Spaß"

Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret


Konkrete Nostalgie

Dies ist die Geschichte von Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl - aufgeschrieben von deren Tochter Bettina Röhl. Wir erfahren die Biografien der Revoluzzer-Eltern sowie die Entwicklung der meistgelesenen Studenten-Zeitung "Konkret". Erstmals gibt es Einsicht in Protokolle der illegalen West-KPD (mit Sitz in Ost-Berlin) sowie Briefe und Dokumente von Ulrike Meinhof selbst. Ergänzt durch Interviews mit prominenten Zeitzeugen ist hier eine spannende Familienhistorie entstanden, die gleichzeitig als faktenreiches Gesellschaftsporträt der 50er und 60er Jahre gelten kann. In gewisser Weise ist dieses Buch eine schöne Ergänzung zu Gretchen Dutschkes Biografie über ihren ermordeten Mann Rudi Dutschke (erschienen 1996).

Einleitend in einem "Prolog" erinnert sich Peter Rühmkorf an die gemeinsamen Zeiten mit den Eltern Röhl. In der Hauptsache schildert dann Bettina Röhl sehr detailliert die Entwicklung der Familie mit ihrer Geburt als Zwillingsschwester beginnend, als ihr Vater gesagt hatte: "Mit Kindern kann ich erst etwas anfangen, wenn sie sprechen können und man mit ihnen Skat oder Fußball spielen kann." Vater Röhl wurde Kommunist aus Provokation: Als die KPD 1956 verboten wurde, trat er in die Partei ein und bekam so Verbindung zur SED. Als Student machte er zusammen mit Rühmkorf linkes Kabarett und gründete diverse Studentenzeitschriften. Manfred Kapluck war der eigentliche Motor (u.a. Gründer der DFU) und hatte das Talent, die "Konkret" mit SED-Zuschüssen zu finanzieren. Die fröhliche und überzeugende Mentalität Kaplucks verleitet Bettina Röhl zu der Feststellung: "So macht Kommunismus Spaß."

Dabei verwundert sie schon das Phänomen, dass die politische Unfreiheit in der DDR von den Westlinken negiert bzw. verharmlost wurde. Wie eine Anekdote mutet es auch an, dass der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann anfangs der Rechtsanwalt der "Konkret" war. Ulrike Meinhof beginnt sozusagen ihr politisches Leben als Studentin, als sie Ende der 50er Jahre Aktionen gegen die atomare Aufrüstung organisiert. Dabei trat sie durchaus für die friedliche Nutzung der Atomkraft als Energiequelle ein. Im Mai 1958 lernen sich Ulrike und Klaus in Frankfurt kennen - er findet sie anfangs "betulich", sie findet ihn "fies". - Einschätzungen die sich sehr schnell ins Gegenteil verwandeln. Durch Kapluck wird Ulrike Meinhof schließlich Kommunistin und bekämpft das gesamte westdeutsche System.

Bettina Röhl zeichnet sehr geduldig die teilweise konfusen politischen Strömungen der späten 50er und frühen 60er Jahre nach, als es zu Berührungen zwischen SDS, Spd, KPD, der Anti-Atomkraft-Bewegung und der "Konkret" kommt - wobei sich aus diesen komplizierten Kooperationsansätzen keine dauerhaften Allianzen entwickeln ließen. Das ist seit jeher die Tragik der Linken (zu der die SPD damals gewissermaßen noch gehörte), dass sie keine längerfristige Grundorientierung in den wesentlichen gesellschaftlichen Fragen aufbauen konnte bzw. kann. Damals kam es zum offenen Bruch zwischen SDS und "Konkret" - Ulrike und Klaus aber verlobten sich. Ab 1960 sind die beiden quasi dreifach liiert: privat, in der "Konkret" und in der KPD.

Geschildert wird weiter der Bruch der SED mit der "Konkret", welche nun in der BRD Sammler- und Kultobjekt wird. Die Auflage steigt, und man bekommt Kontakt zur Gruppe 47. (Eines der zahlreichen Fotos zeigt übrigens Ulrike Meinhof eng geschmiegt an Marcel Reich-Ranicki). Es kommt die große Zeit der APO, Rudi Dutschke tritt auf, die Ehe von Ulrike und Klaus Röhl wird geschieden. Meinhof wendet sich gegen den "Salonsozialisten" Röhl, überfällt mit Berliner Genossen die "Konkret"-Redaktion in Hamburg und demoliert dort auch das ehemals gemeinsam bewohnte Haus.

Ulrike Meinhofs Weg führt in die RAF, welche (u.a. mit Baader, Ensslin, Mahler) im Terrorismus eskalierte. Die Mitglieder werden verhaftet, 1976 stirbt Meinhof in Stuttgart-Stammheim unter dubiosen Umständen. In einem sogenannten "Epilog" versucht Bettina Röhl eine Wertung - sie möchte Ulrike Meinhof weder als Heilige der Widerstandsbewegung noch als Teufelin der RAF stilisiert sehen. Sie fordert auch, klar die frühere Studentin und Kommunistin moralisch von der Terroristin der letzten sechs Jahre zu trennen. Das Buch hält insgesamt eine erstaunlich sachliche Balance: Die Tochter verliert sich weder in Vorwürfen, noch versucht sie etwas zu rechtfertigen. Sie schildert zwar mit gewisser familiärer Nostalgie, aber doch basierend auf Dokumenten und mit der Nüchternheit einer Chronistin. Jedenfalls könnte dieses Buch mithelfen, die 60er Jahre noch einmal neu aufzuarbeiten und die Dialektik aus linken und konservativen Missverständnissen auszugleichen zu einer historischen Objektivität.

(KS; 04/2006)


Bettina Röhl: "So macht Kommunismus Spaß"
Europäische Verlagsanstalt, 2006. 684 Seiten.
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Band 1 versammelt im Faksimile eine umfassende Sammlung von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, die die "Mediengeschichte" der RAF dokumentieren.
Band 2 des Katalogs enthält Einführungen zu allen gezeigten Werken, zum Teil von den Künstlern selbst verfasst. Zudem beschäftigen sich namhafte Autoren mit Themen wie der "Identifikationsfalle RAF", den "Strategien der Inszenierung" oder der "RAF in den Medien".
Künstler: Franz Ackermann, Dennis Adams, Bettina Allamoda, Eleanor Antin, Sue de Beer, Ullrich Bernhardt, Joseph Beuys, Dara Birnbaum, Klaus vom Bruch, Lutz Dammbeck, Christoph Draeger, Felix Droese, Thomas Eggerer / Jochen Klein, Hans-Peter Feldmann, Peter Friedl, Johan Grimonprez, Rudolf Herz, Jörg Immendorff, Johannes Kahrs, Scott King, Martin Kippenberger, Astrid Klein, Korpys / Löffler, Jonathan Meese, Michaela Meise, Michaela Melián, Klaus Mettig, Olaf Metzel, Rob Moonen / Olaf Arndt, Hans Niehus, Marcel Odenbach, Sigmar Polke, Yvonne Rainer, Gerhard Richter, Thomas Ruff, Katharina Sieverding, K.R.H. Sonderborg, Klaus Staeck, Wolf Vostell, Willem, Johannes Wohnseifer und viele Andere.
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