Werner Kofler: "In meinem Gefängnis bin ich selbst der Direktor"

Lesebuch mit Audio-CD


Spieler, Spinner

Als ein 'Lesebuch' (Untertitel) mit CD, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Klaus Amann, präsentiert der vorliegende Band Texte unterschiedlicher Gattungen aus vier Jahrzehnten - in denen der Autor die "Gedankenstimmen", wie er sie nennt, zu ordnen versucht. Kofler setzt die Technik der Montage als Mittel der Sprach- und Gesellschaftskritik ein. Seine Beschimpfungen erinnern an Thomas Bernhard und gelten dem "Realismus" österreichischer Kollegen. Denn Koflers Credo ist: "Kunst muss die Wirklichkeit zerstören." Er setzt sich auseinander mit der österreichischen (und deutschen) Vergangenheit und Gegenwart - und er thematisiert die "Nicht-Aufgabe" der Literatur - er sieht sein Schreiben als eine "Kunstübung".

Kofler ist wortspielerisch und zynisch veranlagt, er prangert die Vergessenskultur an - aber das ist ja mittlerweile fast schon Klischee. Jedenfalls wird dem Leser quasi eine aktive Beteiligung am Text abgefordert - unter der Maxime: "Wenn Sie nachdenken und zu keinem Ergebnis kommen, haben Sie den Text verstanden." Das klingt ein wenig provokant-absurd und ist womöglich eine Herausforderung an eine Minderheit - denn mehrheitsfähig sind nur die Autoren, die verstanden werden wollen, oder?! Die Kurzprosatexte offerieren Geschichten, die beweisen, dass Absurdität banal und Banalität absurd ist. Dazwischen gibt es hin und wieder Seiten mit Kurznotizen, etwa: "Meine Stärke, das Abwarten; meine Schwäche, das Zögern." Oder: "Nichts verachtenswerter, als mit der Literatur sein Glück zu versuchen."

Kofler ist ein Chronist, bei dem das Insistieren und das Frotzeln programmatisch sind - da vermengt sich Autobiografie mit Satire. Da heißt es etwa: "Daß die Leute nicht mehr in der Lage sind, ein Buch, mein Buch, als das zu lesen, was es ist: ein Kunststück, eine Kunstübung, eine INVENTION (sich an die Schreibmaschine setzen und zu spielen, zu spinnen beginnen) - nicht mehr, nicht weniger." Sehr gerne führt er in die Geschichte des 20. Jahrhunderts zurück: "Ich reiste in die deutsche Geschichte, um etwas zu erleben." Und er schildert auch andere Epochen impulsiv und pointiert. Kofler eskaliert in seinen Ideen und Emanationen - er schreibt ein 'Sprechstück mit Musik' (Untertitel) mit dem Obertitel 'Tanzcafé Treblinka' - da braust ein Aufschrei durch die politisch-korrekten Separees deutscher Nachlass-Bedenkenträger. Ein Wissender klärt einen Unwissenden in Stakkato-Dialogfetzen auf über die Gegebenheiten im Dritten Reich - eine wahnwitzige, brutalstmögliche Aufklärungsarbeit.

In seinem ausgiebigen Nachwort weist Klaus Amann auf die zahlreichen Selbstcharakterisierungen Koflers hin, der seine Satiren als "Rachakte" sieht und sich als "Meister der üblen Nachrede" versteht. Schon nach Lichtenberg ist der Impetus des satirischen Sprechens die Entrüstung, der Autor schreibt zur "Besserung seiner Neben-Menschen". Angriffslust und Unversöhnlichkeit gehören zu Kofler - aber auch die subjektive Erfahrung der Wirkungslosigkeit von Literatur. Dennoch verteidigt er mit einem "trotzigen Trotzdem" seine ästhetische Position aus Hermetik und Sarkasmus. Nach Amann sind es die "Methode der Montage, des Zitierens, der Verknüpfung von Authentischem und Fiktivem, der ironischen, hypothetischen und konjunktivischen Schreibweisen, der Verarbeitung von tagespolitischem Geschwätz und historischen Dokumenten", was die Rezeption Kofler'scher Texte erschwert. Dennoch müssen wir, wollen wir zeitgenössische österreichische Literatur würdigen, und uns mit Kofler beschäftigen - und da ist solch ein 'Lesebuch' ein empfehlenswerter Einstieg.

(KS; 08/2007)


Werner Kofler: "In meinem Gefängnis bin ich selbst der Direktor"
Lesebuch mit Audio-CD

Verlag Drava, 2007. 335 Seiten.
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Werner Kofler wurde am 23. Juli 1947 in Villach geboren. Der Sohn eines Kaufmannes brach eine Lehrerausbildung nach vier Jahren ab und ging auf Reisen. Anschließend übte Kofler verschiedene Tätigkeiten aus. Seit 1963 ist Werner Kofler literarisch tätig, seit 1968 lebt er als freier Schriftsteller in Wien. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wie zum Beispiel 1976 den "Theodor-Körner-Preis", 1990 den "Würdigungspreis für Literatur", 1991 den" Großen Preis der Stadt Wien", 1992 den "Kulturpreis der Stadt Villach". 
Bislang mehr als zwanzig Buchpublikationen, darunter "Guggile" (1975), "Aus der Wildnis" (1998), "Manker" (1999), "Ida H." (2000), "Tanzcafé Treblinka" (2001), "Kalte Herberge" (2004), "Triptychon" (2005).

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Triptychon. Am Schreibtisch. Hotel Mordschein. Der Hirt auf dem Felsen"

Werner Kofler, seit dem Tod Thomas Bernhards für viele der wortgewaltigste Prosaist und schärfste Satiriker Österreichs, stürzt sich mit dem ihm eigenen Ingrimm auf das, was ihm widerstrebt, kurz, die Welt: "Kunst muss die Wirklichkeit zerstören ... Immer wieder sage ich: Komme her, Du Wirklichkeit, jetzt wird abgehandelt, ich traktiere sie auch, Sie wissen nicht, wie! - und doch: sie macht umso unverfrorener weiter."
In dieser Ausgabe sind Koflers Prosastücke aus "Am Schreibtisch", "Hotel Mordschein" und "Der Hirt auf dem Felsen" erstmals in einem Band versammelt. (Deuticke)
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"Guggile. Vom Bravsein und vom Schweinigeln. Eine Materialsammlung aus der Provinz"
Mitte der 1970er Jahre erschien ein Buch, das mittlerweile ein Klassiker der österreichischen Gegenwartsliteratur ist: Werner Kofler: "Guggile. Vom Bravsein und vom Schweinigeln. Eine Materialsammlung aus der Provinz". Und es ist auch allerhand Material, das er über eine Jugend in den fünfziger Jahren sammelt und zum Gesamtbild verknüpft: Dokumente, Aussprüche, Erziehungsmaximen, Zeitungsphrasen, alles, was das Herz begehrt. Seinerzeit nannte man das Buch "eine totale Autobiografie", auch deshalb, weil es die Autobiografie nicht nur des Autors, sondern vieler Anderer ist. (Deuticke)
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Noch ein Buchtipp:

Klaus Amann (Hrsg.): "Werner Kofler. Texte und Materialien"

(Sonderzahl)
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