Ralf König:  "Bis auf die Knochen"

"Jago"

"Das Kondom des Grauens"

"Das Kondom des Grauens"

Achtung! Dies ist kein Comic für Leser mit Kastrationsängsten. Ralf König hat hier eine Geschichte erzählt, die den Mann an seinem edelsten Teil packt.

Inspektor Mackeroni, aus einem kleinen sizilianischen Dorf, lebt in New York, wo er sich auf Grund seiner Veranlagung vorwiegend um Fälle im Rotlichtmilieu kümmern darf. Er ist dafür auf Grund seiner Kontakte und seines Naturells sehr gut geeignet. Als in einem kleinen Stundenhotel immer mehr Freier bei ihren geschäftlichen Kontakten ihrer Geschlechtsteile verlustig gehen, wird er auf diesen Fall angesetzt. Im Rahmen der Ermittlungen lernt er schon früh einen jungen Mann kennen, mit dem er auch prompt versucht, im Hotel intim zu werden. Aber dabei kommt es zu einem seltsamen Zwischenfall. Es scheint, dass ein unerkanntes Tier sich mit im Raum befindet, und als Mackeroni es verfolgt, stürzt es sich auf seinen entblößten Penis und beißt ihm einen Hoden ab. Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, will ihm sein Vorgesetzter die Geschichte vom bissigen Kondom auf keinen Fall glauben, doch als guter Sizilianer muss Mackeroni sich auf eine Vendetta begeben. Ein Mann gegen ein Gummi. Drama, Spannung, tiefe Gefühle und eine sehr schwarze Sprache. Aufgemacht wie das Storyboard eines Films und dadurch überaus vergnüglich zu konsumieren. Wer nicht immer alles so ernst nimmt, wird hier eine Menge zum Lachen finden. Und bereit sein für das zweite Inspektor Mackeroni-Abenteuer: 

"Bis auf die Knochen"

Dies ist die Fortsetzung der Geschichte "Das Kondom des Graues" und zusammen mit dem anderen Buch die Grundlage für einen sehr gewöhnungsbedürftigen Film. Inspektor Mackeroni hat ausgiebig Sylvester gefeiert und so ist er nicht übertrieben glücklich, als er von seinen beiden Kollegen aus dem Bett geklingelt wird, die ihn an seinem freien Tag zu einem Tatort bringen wollen. Vielmehr zu zwei Tatorten. Denn in der vorhergehenden Nacht sind zwei Männer in New York gestorben. Ein Prominenter in einem Nobelhotel und ein Freund Mackeronis auf der Straße. Beide wurden bis auf die Knochen entblößt vorgefunden. Verdächtig ist die Person, die als letztes mit den beiden Opfern gesehen wurde: ein bekannter homosexueller Pornostar. Als Mackeroni diesen an einem seiner Drehorte aufsucht, befindet sich der Darsteller gerade in einer Sinnkrise, weswegen er Sylvester auch ganz allein in einer abgelegenen Hütte verbracht hat, wodurch er kein überaus überzeugendes Alibi hat.
Während des Verhörs stellen die beiden Helden dieser Geschichte fest, dass sie sehr ähnliche Probleme in Beziehungen haben, da sie körperlich ein klein wenig besser ausgestattet sind als ihre Geschlechtsgenossen.
Auf Grund der Prominenz des ersten Opfers wurde Mackeroni ein Kollege namens Plumley "aufs Auge gedrückt", der ihm schon in normalen Zusammenhängen auf den Wecker fällt. Um sich seiner zu entledigen, steckt Mackeroni Plumley in Lederkleidung und lässt ihn mehr oder weniger undercover in der homosexuellen Lederszene ermitteln. Dabei hat der brave Familienvater einige überaus verstörende Erlebnisse, die sein Selbst- wie auch sein Weltbild absolut aus den Fugen geraten lassen. Jede Ähnlichkeit mit "Cruising" (mit Al Pacino) ist absolut beabsichtigt und dabei auch überaus amüsant. Man sollte wirklich aufpassen, welche Farbe das Tuch hat, das man aus der Gesäßtasche seiner Lederhose hängen lässt ...

So nimmt die Geschichte auf mehreren Schienen ihren Lauf und ist dabei teils nachdenklich, teils amüsant und immer ein wenig krass in der Darstellung, bis sie gegen Ende in irrwitziger B-Movie-Manier in die Absurdität abgleitet, was aber gerade ihren Reiz ausmacht.

"Jago" 

"Jago", das ist Shakespeare. Jago ist der Bösewicht, der Othello gegen die schöne Desdemona aufgehetzt hat. Und "Jago" ist auch der Titel dieser Graphic-Novel, die im Elisabethanischen England spielt. Die Royal Shakespeare Company spielt nun schon mit Burbage in der Hauptrolle seit fast zwei Jahren "Hamlet", und der Hauptdarsteller kann seine Rolle immer noch nicht. Dies erfreut seine Kollegen in der Schauspielgruppe nicht sonderlich, die durch die spielerische Stagnation karrieremäßig einfach nicht mehr von der Stelle kommen. So ist es auch für Gus Philip in der Rolle der Ophelia, der dringendst auf Shakespeares neues Stück wartet. Der Schriftsteller kommt allerdings wegen laufender Alkohol- und Drogenexzesse nicht dazu, sein aktuelles Stück weiter zu schreiben.

Gleichzeitig spielen sich in der Londoner Sodomiten-Szene (der die meisten der Schauspieler angehören) seltsame Dinge ab. Ein geheimnisvoller Schwarzer scheint es sich in den Kopf gesetzt zu haben, alle blonden Homosexuellen der Stadt zu vernaschen. Dies ist besonders tragisch, da nämlich Tom Poope - ein Konkurrent von Gus - mit diesem geheimnisvollen Schwarzen eine tiefe innige Beziehung verbindet. Er ist auf die blonden Homosexuellen in der Stadt unheimlich eifersüchtig, doch sein Liebster sieht in diesen Sexualkontakten keine Gefahr für ihre Liebe. Und so muss auch schließlich Gus beim Besuch in einer Hafenkneipe dran glauben und hat in Tom nun nicht nur einen professionellen, sondern auch noch einen emotionalen Rivalen. Angestachelt durch die Prophezeiungen dreier - von Walter Moers gezeichneter Hexen - beginnt er ein intrigantes Spiel gegen die Widersacher seiner beruflichen und amourösen Ambitionen. Und dabei begegnen uns etliche Szenenzitate aus verschiedenen Werken Shakespeares. "Romeo und Julia" (Tom und sein Liebhaber), "Ein Mittsommernachtstraum", "Hamlet", "Macbeth", "Die lustigen Weiber von Windsor"“, "Antonius und Cleopatra", "Othello", "Richard III", "Der Sturm", "Was ihr wollt", "Maß für Maß", "Heinrich V", "König Lear", "Heinrich IV", "Venus und Adonis" und natürlich einige Sonette halten für diese etwas andere Version von "Shakespeare in Love" her. Und für die, die in ihrem Willy nicht so sicher sind, findet sich am Ende des Buchs auch noch eine ausführliche Verweisliste, damit man sich besser zurecht findet. Hier hat sich jemand wirklich Mühe gegeben, und am Ende erklärt uns Ralf König auch noch, warum er gerade Shakespeare genommen hat. 

Darf man das eigentlich? Eine Ikone der Weltliteratur für ein Schwulencomic durch den Kakao ziehen? Nun, ich finde schon. Vor allen Dingen, wenn man es mit einem so offenen Auge und soviel Liebe zur Sache tut, wie König in diesem Fall. Hinzu bekommt man noch einen schönen Einblick in das Leben im London der Elisabethanischen Zeit, was auch sehr reizvoll ist. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Shakespeare hieran selbst seinen Spaß gehabt hätte. Ganz sicher. 

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2003)


Ralf König: "Das Kondom des Grauens"
Achterbahn, 1988. 54 Seiten.
ISBN 3-8971-9128-8.
ca. EUR 7,90.
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"Bis auf die Knochen"
Edition Kunst der Comics, 1990. 105 Seiten.
ISBN 3-923102-46-1.

"Jago"
Rowohlt, 1998. 182 Seiten.
ISBN 3-499-22392-9.
ca. EUR 10,90.
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