Manu von Miller: "Sonja Knips und die Wiener Moderne"

Gustav Klimt, Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte gestalten eine Lebenswelt


Schon beim ersten Durchblättern ist kaum zu übersehen, dass man ein besonderes Exemplar in Händen hält. Zwar wirkt der Einband einwenig schlicht und farblos, jedoch lässt das Innere des Buches keine Wünsche offen. Die vielen, auf hochwertigem, glänzenden Papier gedruckten Abbildungen, Skizzen und Fotos - mehr als die Hälfte davon sind in Farbe - vermitteln einen realistischen Eindruck von den damaligen Gegebenheiten und tragen zur Veranschaulichung bei. Auch das Verhältnis von Wort und Bild stimmt völlig. Die Seiten wirken nie überladen, die Unterteilung des Textes in kleinere, überschaubare Absätze gestaltet sich übersichtlich.

Eine Besonderheit des Buches ist die Art seines Zugangs zum Thema. Anders als in gewöhnlichen Sachbüchern betrachtet die Autorin hier die Zeit aus einem anderen Blickwinkel. Sie versucht sie nämlich mit den Augen einer überaus bedeutenden Frau zur Zeit der Wiener Moderne zu sehen, nämlich mit denen der Sonja Knips.
Als Tochter einer gesellschaftlich angesehenen aber unvermögenden Offiziersfamilie heiratete diese den aus Sachsen stammenden Wiener Großindustriellen Anton Knips. In ihm fand sie einen großzügigen Gönner, der ihren aufwändigen Lebensstil und ihre Vorliebe für die zeitgenössische Kunst finanzieren konnte.
Ein wichtiger Künstler dieser Epoche war Gustav Klimt, mit dem die Knips eine tiefe Freundschaft verband. Dieser Verbindung und der Gründung der Wiener Secession widmet Manu von Miller das erste Kapitel. Außerdem enthält es eine gelungene Analyse und Interpretation der Klimtschen Bilder unter anderem des Werkes "Das Bildnis Sonja Knips".
Als äußerst kunstinteressierte Frau engagierte sich Sonja Knips natürlich auch für die sich damals im Entstehen befindende Wiener Werkstätte. Wie fast jede Frau legte sie besonders großen Wert auf Mode und kostbare Accessoires, weshalb sie auch Gefallen an den einzigartigen Stoffen der Wiener Werkstätte fand. Dabei erzählt die Autorin außerdem vom berühmten Wiener Modesalon Flöge, der unzählige Kleider der Knips und anderer wohlhabender Damen schneiderte. Abgerundet wird der Ausflug in die Modewelt um 1900 mit den Ausführungen über das Aufkommen des neuartigen Reformkleides und den Schmuckkreationen der Wiener Werkstätte.
Ihrer Rolle als Förderin der Wiener Werkstättenkunst wurde sie nicht nur durch Mäzenatentum sondern auch durch Erteilung erster Aufträge gerecht. Ein besonders geschätzter Künstler war der Architekt Josef Hoffmann. Sein äußerst produktives Schaffen rund um Sonja Knips beschreibt das dritte und letzte Kapitel des Buches ausführlich.
Den Anfang machen die Renovierungsarbeiten der ehelichen Wohnung in der Gumpendorferstraße in Wien. Die Knips war des alten Stils ihrer Einrichtung überdrüssig und beauftragte Hoffmann sogleich mit der "Modernisierung". Im Buch sind neben einigen eindrucksvollen Originalfotos und Rekonstruktionen auch informative Beschreibungen und Erklärungen zu den einzelnen neu gestalteten Räumen wie dem Wohn-/Arbeitszimmer, dem Musikzimmer, dem Speisezimmer und dem Salon zu finden.
Doch diese Umgestaltung stellte erst den Anfang dar. Josef Hoffmann kreierte für Sonja Knips ein Lebensumfeld, das ihre gesamte Alltagswelt durchdrang. So baute er ihr ein komplett auf ihre Bedürfnisse und Vorlieben ausgerichtetes Landhaus im kleinen Örtchen Seeboden in Kärnten und eine Villa in der Nusswaldgasse in Wien. Zuletzt wurde er sogar mit der Gestaltung der Familiengrabstätte am Hietzinger Friedhof betraut.

Durch die andersartige Betrachtung der Materie erhält das Werk einen Anspruch auf Außergewöhnlichkeit. Mit der beeindruckenden Aufarbeitung dieser Frauenrolle wird das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Kunst und Förderung deutlich und lässt gleichzeitig das ihm innewohnende, unwahrscheinlich hohe Potenzial sichtbar werden. Eine gelungene Lektüre für Kunstinteressierte!

(NiNanu; 10/2004)


Manu von Miller: "Sonja Knips und die Wiener Moderne"
Christian Brandstätter, 2004. 144 Seiten mit ca. 60 Farb- und 30 Schwarzweiß Abbildungen.
ISBN 3-85498-356-5.
ca. EUR 36,-.
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Manu von Miller studierte Kunstgeschichte an den Universitäten von München und Salzburg. Promotion 1998. Von 1990 bis 1991 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Frick Art Museum in Pittsburgh tätig, von 1991 bis 1994 als Assistentin des Kurators der Frick Collection in New York. Seit 2003 ist sie Mitarbeiterin im Deutschen Theatermuseum in München.

Weitere Buchtipps:

"Die Wiener Moderne"

Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910. Hrsg.: Gotthard Wunberg, Mitarb.: Johannes J. Braakenburg.
Autoren:
P. Altenberg - L. Andrian - K. Baedeker - H. Bahr - R. Beer-Hofmann - A. Berg - E. Bienenfeld - H. Broch - M. E. Burckhard - F. Dörmann - F. M. Fels - S. Freud - A. Gold - P. Goldmann - E. Hanslick - M. Herzfeld - T. Herzl - L. Hevesi - C. Hoffmann - J. Hoffmann - H. v. Hofmannsthal - R. Kassner - R. v. Kralik - K. Kraus - A. Lindner - R. Lothar - E. Mach - G. Mahler - H. Menkes - M. Messer - R. Musil - H. Natonek - F. Nietzsche - H. Oehler - J. Pap - E. Reich - F. Salten - J. Schalk - A. Schnitzler - A. Schönberg - H. Sittenberger - C. Sokal - R. Specht - L. Speidel - O. Stauf von der March - O. Stoessl - R. Strauss - H. Ubell - O. Wagner - O. Weininger - E. Wengraf - P. Wertheimer - P. Wilhelm - B. Zuckerkandl. (Reclam)
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Herausgegeben von Lisa Fischer und Emil Brix: "Die Frauen der Wiener Moderne"

"Es gibt Frauen, die Heldinnen sind, von denen man aber nie etwas erfahren würde, wenn es nicht Frauen gäbe, die ungehörige Fragen stellen", so schrieb Lina Loos, eine der Frauen, um die es im vorliegenden Band geht.
Sich mit Ungehörigkeit Gehör zu verschaffen, auf der Suche nach der Bewegung, gegen das körperliche und geistige Korsett und für den Aufbruch zur Selbstachtung und Selbstwerdung, das war der Motor der bewegten Frauen im Wien um 1900, der sie in Konflikt mit den gesellschaftlichen Normen und den männlichen Repräsentanten brachte. Eine Voraussetzung für das ungewöhnlich kreative Klima des Fin de siècle war ein weibliches Selbstverständnis, das zu professioneller Selbstbestimmung drängte und dabei gesellschaftliche Forderungen und Visionen formulierte. Die Ausdifferenzierung ganz unterschiedlicher Frauenrollen war ein wesentliches Merkmal der österreichischen Moderne. Sie dauert bis heute an. In Wien um 1900 wurden der Zusammenbruch der Geschlechteridentität und die Forderung nach Frauenemanzipation zum Teil einer Kritik an der Moderne im Moment ihrer Entstehung.
In dieser Analyse nimmt die Forschung bei der Betrachtung der Jahrhundertwende erstmals durchgängig einen anderen Blickwinkel ein. Der Schwerpunkt liegt auf den weiblichen Gestaltern der Geschichte und der Realisierung der Lebensentwürfe in einem bürgerlichen Kontext. Der kulturelle Aufbruch - eine wahre Explosion an Kreativität - war vor allem ein Aufbruch der Frauen, vorangetrieben durch den daraus resultierenden Konflikt zu den männlichen Konkurrenten. Der Rahmen, in dem sich die Grenzen und Freiräume weiblichen Handelns und die daraus entstehenden Widersprüche und Spannungen darstellen lassen, ist Grundlage für eine Analyse der Wiener Moderne und gleichzeitig Wegweiser durch das 20. Jahrhundert.
Aus dem Inhalt:
E. Sagarra: Die Frauen der Wiener Moderne im Zeitkontext - W. Heindl: Frauenbild und Frauenbildung in der Wiener Moderne - S. Zimmermann: Frauenarbeit, soziale Politiken und die Umgestaltung von Geschlechterverhältnissen im Wien der Habsburgermonarchie - R. Sandgruber: "Frauen in Bewegung". Verkehr und Frauenemanzipation - J. Nautz: Zwischen Emanzipation und Integration - M. Tichy: Feminismus und Sozialismus um 1900 - H. Hacker: Zeremonien der Verdrängung - K. Jusek: Entmystifizierung des Körpers? - U. Kubes-Hofmann: Intellektuelle Frauen am Beispiel Rosa Mayreder und Helene von Druskowitz - B. Spreitzer: Selbstschöpfung - Fremdwerden - C. Balk: Inszenierte Weiblichkeit - J. M. Johnson: Schminke und Frauenkunst - S. Plakolm-Forsthuber: Stein der Sehnsucht. Stein des Anstoßes. Drei Bildhauerinnen der Jahrhundertwende - E. Hurnikowa: Die Frauen in der österreichischen und polnischen Literatur um die Jahrhundertwende - L. Fischer: Über die erschreckende Modernität der Antimoderne der Wiener Moderne - B. Bruns: Hermaphrodit oder das Geschlecht der Moderne. (Oldenbourg)
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Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hrsg.): "Klimt und die Frauen"
Frauenbilder nahmen bei Gustav Klimt einen ganz besonderen Platz ein. Doch wer verbirgt sich hinter Goldglanz und Farbenrausch? Dieser Band versucht, hinter der Faszination der Bilder den Frauen und ihren Schicksalen auf die Spur zu kommen. (DuMont)
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