Barbara Sternthal: "Diesen Kuss der ganzen Welt"

Leben und Kunst des Gustav Klimt


"Ich bin überzeugt davon, dass ich als Person nicht extra interessant bin ... Ich bin ein Maler."

Diese Selbsteinschätzung Klimts macht das Verfassen einer Biografie ungeheuer schwierig, die gerade auch das persönliche Element umfassen soll. "Wer über mich - als Künstler, was allein beachtenswert ist - etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten und daraus zu erkennen suchen, was ich bin und was ich will."
Gustav Klimt (1862-1918) hat die Entwicklung der Kunst in Österreich maßgeblich beeinflusst. Seine Bilder, allen voran der berühmte "Kuss", sind schon aufgrund von Klimts unverwechselbarem Stil (oder vielmehr: seinen Stilen) auch heute noch ausgesprochen populär und bieten Anlass zu den unterschiedlichsten Interpretationen.

Kaum jemand hat versucht, den Menschen Klimt darzustellen; das "Wissen" über sein Privatleben bestand fast nur aus Gerüchten. Barbara Sternthal schließt mit ihrer Biografie Klimts eine seltsame Lücke, indem sie mithilfe glaubwürdiger Quellen das künstlerische Schaffen und das tägliche Leben dieses vielleicht größten österreichischen Malers parallel darstellt. Es gelingt ihr ausnehmend gut: Der Junge aus ärmlichsten Verhältnissen, der seinem Grundschullehrer auffällt und ein Stipendium für den Besuch der Kunstgewerbeschule erhält, die Freundschaft mit Franz Matsch, erste von den Lehrern vermittelte Aufträge und, zusammen mit Klimts jüngerem Bruder Ernst, die Gründung der "Künstler-Compagnie der Gebrüder Klimt und Matsch", die Aufnahme der drei in die "Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens" (das Künstlerhaus) - die Autorin versteht es zu vermitteln, dass diese Bilderbuchkarriere nicht frei von Rückfällen und schmerzlichen Erfahrungen war, gerade auch privater Natur, wie etwa der Tod einer kleinen Schwester und später des Bruders Ernst.

Wirklich spannend wird das Buch ab jener Phase, in der Klimt sich vom "offiziellen" Stil des Fin de Siècle, dem Historismus, abwandte und seinen eigenen Stil entwickelte, der zunächst im Symbolismus verhaftet war. Der bescheidene, wortkarge Mann, der um des Malens willen malte, sah sich als Revolutionär plötzlich einer Flut von bösartigen Anfeindungen ausgesetzt, die ihn sein restliches Leben über regelmäßig begleiten sollten. Vor allem die unübersehbare Sinnlichkeit seiner weiblichen Figuren spaltete die Wiener Öffentlichkeit. Klimt hatte erheblichen Anteil daran, dass sich die Künstler der Secession vom Künstlerhaus trennten und eine nicht primär dem Kommerz verpflichtete Kunst aufkam.
Behutsam erforscht die Autorin in diesem Abschnitt Klimts Beziehung zu den Frauen. Bekanntlich pflegte er zahlreiche Liebschaften, vor allem mit seinen Modellen, wenn auch mit größtmöglicher Diskretion. Diesen Affären, die wohl über das Erotische kaum hinausgingen, stellt Barbara Sternthal Klimts Liebe zu Emilie Flöge gegenüber und ergründet die sehr tiefe, enge, vertraute und bis zu Klimts Tod dauernde Beziehung zwischen dem avantgardistischen Maler und der auf ihre Weise ebenfalls revolutionären Geschäftsfrau, ohne sich auf Spekulationen zu stützen.

Zwei Reisen sollten nacheinander weitere Brüche in Klimts Stil einleiten: Ravenna und Toledo. Die byzantinischen Mosaiken in Ravenna lösten die "Goldene Periode" aus, El Grecos Bilder in Toledo den tendenziell expressionistischen Stil des späten Klimt. Und auch diese Entwicklungen sollten das Wiener Publikum in zwei unversöhnliche Lager spalten.
Als Klimt 1918 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, hatte sich sein Ruf über ganz Europa ausgebreitet. Viele seiner Bilder verbrannten in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges in Schloss Immendorf.

Klimts Kunst und sein Leben: So farbig seine Bilder sind, so schlicht, fast schwarz-weiß wirkt der Privatmann. Der Blick hinter die Kulissen zeigt einen disziplinierten Arbeiter - mit ein paar Eigenheiten, doch ohne Extravaganz, einen Künstler, der Worte hasste, insbesondere, wenn er sie zu Papier bringen sollte, und dafür ein Meister der großherzigen Hilfsbereitschaft gerade jüngeren Talenten gegenüber war, etwa Egon Schiele oder Oskar Kokoschka.
Die Autorin hat bei der Recherche Enormes geleistet, zumal sich auch die Menschen um Klimt sehr diskret verhielten und somit authentisches Material rar ist. Umso erfreulicher erscheint es, dass die Symbiose aus fundierter Darstellung, Einordnung und Interpretation von Klimts Kunst mit der behutsam und doch packend erzählten Biografie so gut gelang. Trotz etlicher Voraus- und Rückblenden kommt es weder zu Brüchen noch zu übermäßigen inhaltlichen Überschneidungen. Eine knappe Chronologie im Anhang fasst die biografischen Höhepunkte zusammen.
Zahlreiche schwarzweiße und farbige Abbildungen ergänzen den Text in idealer Weise - nicht als Block in der Mitte, der einen ständig zum Blättern zwingt, sondern in den Zusammenhang eingebettet. Auch ansonsten wirkt die Aufmachung sehr ansprechend; an der Qualität wurde nicht gespart.

Da Klimt, entgegen seiner eigenen Aussage, eben auch als Mensch und nicht nur als Maler interessant ist und die Interpretation der Kunst gerade in neuerer Zeit kaum losgelöst von der Person des Künstlers möglich ist, liefert dieses Buch wertvolle Informationen und Impulse in einem sehr angenehm zu lesenden Stil: Styria hat damit, wie erwähnt, erfolgreich eine Lücke gefüllt.

(Regina Károlyi; 11/2005)


Barbara Sternthal: "Diesen Kuss der ganzen Welt"
Styria Premium, 2005. 240 Seiten.
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Barbara Sternthal, Dr. phil., geboren 1961. Studium der Theaterwissenschaft, Philosophie und Publizistik in Wien. Nach einem Abstecher in die Werbung war sie an George Taboris Theater "Der Kreis" tätig, dann im Christian Brandstätter Verlag. Seit 1999 frei schaffende Autorin, Redakteurin und Übersetzerin.

Weitere Buchtipps:

Tobias G. Natter, Peter Weinhäupl, Franz Smola (Hrsg.): "Klimt persönlich. Bilder - Briefe - Einblicke"

Das Werk Gustav Klimts ist weltbekannt, aber der Mensch und Künstler dahinter bleibt fast völlig verborgen. Zum 150. Geburtstag rücken das vorliegende Buch und die Jubiläumsausstellung im Leopold Museum anno 2012 Hauptwerke wie die Allegorie "Tod und Leben", herausragende Landschaftsgemälde und Zeichnungen von Gustav Klimt in ein neues Licht.
Die Bilder werden hier mit Originalzitaten sowie Postkarten und Korrespondenzen, die der Maler über zwanzig Jahre hinweg an seine Lebensgefährtin Emilie Flöge schrieb, konfrontiert. Bislang galt: "Hinter die Mauer, die Klimt um sich errichtet hatte, haben auch seine Freunde kaum jemals blicken dürfen" (Hans Tietze, 1919).
Nun lenken Buch und Ausstellung erstmals den Blick auf die private, persönliche Seite des Künstlers. Eine besondere Rolle spielt dabei das Atelier, das für Klimt eine Rückzugsmöglichkeit ins Private bedeutete, ein Ort, wo der Künstler ganz bei sich war, ein schon zu Lebzeiten sagenumwobener erotischer "hortus conclusus". Dort spricht er auch als Sammler von japanischen Holzschnitten, afrikanischer Stammeskunst und Anderem zu uns. Unterlegt wird die Annäherung an Person und Werk durch eine Vielzahl von zeitgenössischen Fotografien, die Klimt im Spannungsfeld von öffentlich und privat, im Atelier, im gesellschaftlichen Leben oder in der Sommerfrische am Attersee zeigen. (Christian Brandstätter Verlag)
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Alfred Weidinger: "Gustav Klimt. Leben und Werk"
In exzellenter Bildqualität und einer modernen Aufmachung führt diese Monografie ausführlich in Leben und Werk des beliebtesten Künstlers der Wiener Belle Époque ein. Das opulent ausgestattete Buch ist ein wunderbares Geschenk für jeden Kunstinteressierten, aber auch für Kunsthistoriker relevant: Eine ausführliche Biografie schildert Klimt von seinen Anfängen als Wandmaler bis zu seinem späteren künstlerischen und gesellschaftlichen Triumph in der mondänen und zugleich konservativen Zeit der Jahrhundertwende. Das vollständige Werkverzeichnis beinhaltet alle wichtigen Daten und Hintergrundinformationen und erläutert sie auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. (Prestel Verlag)
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Marian Bisanz-Prakken: "Gustav Klimt. Die Zeichnungen"

Zur Feier der 150. Wiederkehr des Geburtsjahres von Gustav Klimt widmen die Albertina, Wien, und The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, dem herausragenden zeichnerischen Werk dieses Künstlers eine besondere Ausstellung. Gekrönt wird dieses Projekt von der vorliegenden, reich illustrierten Publikation.
In diesem bewusst gewählten Rahmen wird Klimt gleichsam von innen heraus betrachtet. Seine etwa 250 Gemälde sind strahlende, weltberühmte Höhepunkte, aber der Essenz seiner Hauptthemen - Eros und Liebe, Leben und Tod - ging Klimt in Tausenden von Figurenstudien auf den Grund. Diese reichen oft weit über seine Malerei hinaus, wobei jedes Blatt, trotz der großen Menge, eine Welt für sich ist. Betont wird daher die Autonomie der Zeichnung im Werk des Künstlers, der sich in jeder Phase seiner Entwicklung als unübertroffener Meister der Linie erweist: vom Historismus über die Stilkunst um 1900 und den Goldenen Stil bis zur aufgelockerten Expressivität der späten Jahre.
Die gezeigten Arbeiten stammen zum Großteil aus der Albertina, dem jahrzehntelangen Forschungs- und Publikationszentrum der Zeichnungen Gustav Klimts, ergänzt werden sie von ausgewählten Leihgaben. Dieses breite Spektrum an Figurenstudien, bildhaften Allegorien und monumentalen Werkzeichnungen vermittelt einen ungewohnt nuancierten Einblick in die Denk- und Arbeitsweise des singulären Künstlers. (Hirmer)
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Rainer Metzger: "Gustav Klimt - Das grafische Werk"
Gustav Klimt, der Zeichner, steht bis dato im Schatten des Malers Gustav Klimt. Anders als etwa sein Freund, Adept und Nachfolger Egon Schiele wird Klimt als Organisator des Ornaments, als Dokumentarist der Wiener Belle Epoque und Porträtist der feinen Gesellschaft einer untergehenden Zeit geschätzt - in Eigenschaften mithin, die von der Verwendung von viel Farbe und viel Dekor abhängig sind. Die Zeichnung, so scheint es, gerät dabei ins Hintertreffen. Doch hat Gustav Klimt seine genuinen grafischen Qualitäten, und er hat sie sich im Lauf seiner künstlerischen Karriere geradezu erarbeitet.
Am Anfang steht eine Vielzahl von Blättern, die einen grafischen Markt bedienen, die sich als Kalenderdarstellungen eignen und der Didaktik des Allegorischen oder Historischen verpflichtet sind. Am Ende stehen autonome Zeichnungen, die um Klimts Lebensthema, die nackte Frau - schwanger, auto- und homoerotisch als künstlerische Tabubrüche -, kreisen, intim, dialogisch, auf paradoxe Weise ebenso dem Privaten unterworfen wie dem Ehrgeiz verpflichtet, große Kunst zu schaffen. Dazwischen stehen, unermüdlich und geradezu manisch ins Werk gesetzt, die vielerlei Skizzen, Studien, Etüden auf dem Weg zu den großen Gemälden.
Über 3.000 grafische Blätter haben sich erhalten. "Gustav Klimt - Das grafische Werk" will diesen veritablen Schatz heben und eine Dimension freilegen, in der sich Klimts spezielle Modernität zur Kenntlichkeit bringt. Gustav Klimt ist einer der herausragenden Vertreter der speziellen Modernität des Wien um 1900. Gerade seine Zeichnungen vermögen zu zeigen, warum. (Brandstätter Verlag)
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"Gustav Klimt - Landschaften"

Gustav Klimt ist als Porträtist der Damen des Wiener Großbürgertums, als Schöpfer des berühmten "Beethoven-Frieses" sowie als Schöpfer opulenter Goldhintergründe bekannt. Dabei wird leicht übersehen, dass er auch ein Meister der Landschaftsdarstellung war. Das Buch versammelt alle bekannten Landschaften Klimts, spürt seinen Spaziergängen durch Österreich und Italien nach und zeigt, welcher Rang dieser Werkgruppe innerhalb der europäischen Naturdarstellung zukommt.
Gustav Klimt hielt sich über viele Jahre regelmäßig im Tennengau und im Salzkammergut auf und unternahm einige Italienreisen. Schönheit und Charme der Natur faszinierten ihn. Da er in seinen Landschaftsbildern auch technisch experimentierte, gehören sie heute zu seinen kostbarsten Arbeiten. Klimts Landschafts-Oeuvre ist nicht sehr groß und daher besonders wertvoll. (Prestel Verlag)
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Joachim Nagel, Isolde Ohlbaum: "Zu Gast bei Gustav Klimt"
Die Gemälde Gustav Klimts zählen neben denjenigen Monets, van Goghs oder Picassos zu den meistreproduzierten Kunstwerken unserer Tage. Sein Privatleben wurde geprägt von einer genüsslichen Künstlergeselligkeit - man begegnet ihm in den Salons seiner mondänen Auftraggeberinnen und Freundinnen, in der entspannten Sommerfrische am Attersee und den berühmten Kaffeehäusern und Restaurants. So erschließt sich ein faszinierendes Bild der Kultur und Kulinarik im Wien der Jahrhundertwende. (Collection Rolf Heyne)
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Tobias G. Natter, Gerbert Frodl (Hrsg.): "Klimt und die Frauen"
Frauenbilder nahmen bei Gustav Klimt einen ganz besonderen Platz ein. Doch wer verbirgt sich hinter Goldglanz und Farbenrausch? Dieser Band versucht, hinter der Faszination der Bilder den Frauen und ihren Schicksalen auf die Spur zu kommen. (DuMont)
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Rudolf Herfurtner: "Klimt für Kinder" zur Rezension ...