Tanja Kinkel: "Der König der Narren"

In den Tagen, in denen das Nichts Phantásien bedroht, leben in der Ebene von Kenfra die Weberinnen von Siridom. Die Teppiche, die sie weben, gelten nicht nur als die schönsten Phantásiens, es hat auch eine besondere Bewandtnis mit ihnen: sie zeigen Motive aus der phantásischen Geschichte. Res, die ihrer Mutter als Weberin nachfolgen soll und sich danach sehnt, aus ihrem vorbestimmten Dasein auszubrechen, entdeckt durch einen alten Teppich Hinweise auf den Verlorenen Kaiser, der angeblich Phantásien aus einer ähnlichen Gefahr gerettet hat. Sie macht sich auf die Suche, ohne zu ahnen, dass ihr noch Schlimmeres als das Nichts begegnen wird, und nicht jede Antwort eine Hilfe sein kann. Doch aufzugeben, kommt für Res nicht in Frage ...


Tanja Kinkel wurde 1969 geboren und gewann bereits mit 18 Jahren ihren ersten Literaturpreis. Der vorliegende Roman hat Michael Endes Phantásien zum Schauplatz, und darum spielen hier auch verschiedene Figuren, die wir aus diesem Buch kennen, eine wichtige Rolle.

Res soll in Siridom in die mächtige Gruppe der Teppichweberinnen aufgenommen werden, aber das sagt ihr überhaupt nicht zu. Sie würde viel lieber mit ihrem Geliebten Kunla, einem Händlersohn, durch Phantásien reisen. Doch das ist ihr nicht gestattet. Als eines Tages ein Händlertross ohne Händler in der Stadt eintrifft wird Res klar, dass etwas in den Ländern um die Stadt nicht in Ordnung sein kann, und es stellt sich schließlich heraus, dass das Nichts wieder um sich greift. Zusammen mit einer sehr intelligenten Katze namens Schnurrspitz, die von Res dringend fortgebracht werden möchte, da sie das Nichts auf Siridom zukommen fühlt, bricht Res auf. Gleichzeitig macht sich Kunlas Familie heimlich auf den Weg in die Stadt der Kindlichen Kaiserin, um dort Hilfe zu finden. Res und Schnurrspitz brechen in entgegengesetzte Richtung auf, um den Verlorenen Kaiser zu finden, der Phantásien bereits zuvor einmal vor dem Nichts gerettet hat.

Dazu wandern sie zunächst durch die Glasberge und kommen dann zu den Leonesen, das sind Sandwesen, um einen ihrer Teppiche in einen fliegenden Teppich verwandeln zu lassen. Dabei kommt es allerdings zu größeren Schwierigkeiten, und Res und Schnurrspitz müssen wie von Furien gehetzt aufbrechen, um auf einem bewohnten Frachtwal Deckung zu suchen. Von hier aus verschlägt es sie in die Gegend von Haruspex, in der sie in dem Dorf Sto Vo Kor absteigen, (die Ähnlichkeit mit der klingonischen Hölle wird noch durch die dort servierten Speisen verstärkt), das sie allerdings wieder ziemlich überstürzt verlassen müssen - wobei sie dann auf dem Teppich noch zusätzlich einen offensichtlich Verrückten, (es gesellte sich nämlich Yen Tao-tzu - augenscheinlich ein Narr, dem Res das Leben gerettet hat, dazu), dabei haben.

Nun geht es fröhlich weiter durch Phantásien und durch mehr oder minder geschickte Anleihen an andere Fantasy-Welten-Schöpfer von der Antike bis zur Moderne. Res und ihre beiden Begleiter gelangen, von wütendem Sand verfolgt, von Sto Vo Kor nach Kading, ein Land außerhalb der Zeit, dessen Eingang ähnlich unangenehme Erscheinungen birgt wie die Marktbrücke in Clive Barkers "Abarat", wo sie unfreiwillig Mitglieder einer Mördergilde werden - Ankh-Morpork lässt grüßen? Die ebenso schöne wie skrupellose Fürstin von Kading zeigt sich sehr an Res interessiert ...

Gegen Ende wird die Geschichte ein klein wenig zu vorhersehbar, bis sie einen eher unbefriedigenden Abschluss findet.
Mein Resümee: Nicht unbedingt preisverdächtig.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2004)


Tanja Kinkel: "Der König der Narren"
Droemer/Knaur, 2003. 368 Seiten.
ISBN 3-426-19641-7.
ca. EUR 18,90. Buch bestellen

Tanja Kinkel, 1969 in Bamberg geboren, verfasste bereits im Alter von acht Jahren ihre erste Erzählung. Die promovierte Germanistin ist erfolgreiche Autorin historischer Romane. Schon 1992 wurden ihre ersten beiden Bücher mit dem Bayerischen Staatsförderpreis für junge Schriftsteller ausgezeichnet. "Wenn es nicht wahr ist, dann ist es eine gute Geschichte", so zitiert Tanja Kinkel ein italienisches Sprichwort und umschreibt damit zugleich ihr persönliches Erfolgsrezept für sozusagen "ordentliche" Unterhaltungsromane.

Lien:
Netzseite von Tanja Kinkel

Ergänzende Buchtipps:

"Die Puppenspieler"
Im Jahre 1484 gibt der Papst das Signal zur Hexenverfolgung. Und mitten in Deutschland muss ein Zwölfjähriger zusehen, wie seine Mutter auf dem Scheiterhaufen endet. Richard, Sohn eines schwäbischen Kaufmanns und einer schönen Sarazenin, werden die unmenschlichen Bilder für immer verfolgen. Bis ins Haus des reichen Jakob Fugger, der den Neffen seiner Frau aufnimmt und in seinem Hause erziehen lässt. Und später nach Florenz und Rom, wo er für Jakob Fugger arbeiten wird. Im Italien der Medici und Borgia, der Bußpredigten eines Savonarola und der grenzsprengenden Kunst eines Michelangelo wird Richard gegen das Erbe seines eigenen Blutes kämpfen. Und er muss sich endgültig entscheiden zwischen Freundschaft und Liebe, zwischen dem Wunsch nach Rache und einem ungebundenen, vorurteilsfreien Leben.
Buch bestellen

"Die Löwin von Aquitanien"
Leichtsinnig und romantisch, ehrgeizig und kaltblütig, Leitstern der Troubadoure, eine meisterhafte Politikerin, wenig besser als eine Dirne - all diese Eigenschaften wurden der großen Königin des 12. Jahrhunderts von der Überlieferung nachgesagt. Was davon wahr ist? Vielleicht ein wenig von allem. Aufgewachsen an einem der kultiviertesten Höfe der Zeit, fand die junge, lebenshungrige Eleonore erst als über Achtzigjährige im Kloster von Fontevrault ihren Frieden: Sie hatte zwei königliche Ehemänner und acht ihrer zehn Kinder überlebt.
Buch bestellen

"Die Schatten von La Rochelle"
1640: Während in Europa Glaubenskriege toben, stößt in Frankreich ein Mann ins Zentrum der Macht vor - Richelieu, Kardinal und Erster Minister von Ludwig XIII. Nur seiner klugen, treuen Nichte Marie schenkt der von vielen beneidete, bewunderte und auch gehasste Mann Vertrauen. Doch als Marie den Mysteriösen Paul d'Irsdmasens kennen lernt, ist sie nicht mehr Herrin ihres Schicksals und ihrer Gefühle. In Marias Händen aber ruht das Überleben ihres Onkels.
Buch bestellen

"Götterdämmerung"
Neil LaHaye, erfolgreicher amerikanischer Journalist, als Pulitzerpreisträger berühmt für seine systemkritischen Themen, steckt in einer Lebenskrise: seine Leser hat er verloren, seine Frau ihn verlassen. Nach einem gründlich missratenen Liebesabenteuer beschließt er, einen Bestseller über AIDS, die Pest des 21. Jahrhunderts zu schreiben. Gleich zu Beginn seiner Recherche stößt Neil auf merkwürdige Zusammenhänge, die auf einen gewissen verschollenen Dr. Sanchez und seinen Arbeitgeber, den mächtigen Pharmakonzern Livion hinweisen. Sein journalistischer Instinkt sagt ihm, dass er einem skandalösen Komplott der Pharmaindustrie auf der Spur ist.
Bei seinen immer besesseneren Nachforschungen trifft er auf Beatrice, die Tochter von Sanchez, die isoliert in Alaska, weitab der üblichen staatlichen Kontrollen, in einem Sicherheitslabor des Pharmakonzerns Livion arbeitet, wo mit dem Unvorstellbaren experimentiert wird. Ungewollt stößt er in ein Wespennest von politischen und wissenschaftlichen Verstrickungen, die geradewegs ins Pentagon führen. La Haye verliebt sich in Beatrice, die beiden fliehen. Nur ist diesmal den Medizinern gelungen, das zu vollenden, was die Physiker mit ihren Atom- und Wasserstoffbomben nicht geschafft haben.
Buch bestellen

"Das Spiel der Nachtigall" zur Rezension ...