Stephen King: "Qual"


Bei "Qual" handelt es sich um einen Roman, den Stephen King bereits 1973 das erste Mal beendete, als er unter dem Pseudonym Richard Bachman schrieb. Tatsächlich bewegt sich "Qual" sowohl thematisch als auch erzählerisch mehr in diesem Bereich von Kings Gesamtwerk. Der Roman ist keinesfalls eine Horrorgeschichte, und doch bewegt er den Leser stark.

"Blaze" (der Originaltitel) lautet der Spitzname des Clayton Blaisdell Junior, der in seiner Jugend ein überaus vielversprechender intelligenter Junge war, bis sein versoffener Vater ihn in einem Wutanfall die Treppe hinunterschleuderte und Clayton auf seinem Kopf landete. Seitdem hat er eine deutlich sichtbare Delle im Kopf, und seine geistigen Fähigkeiten sind erheblich eingeschränkt. Da weder Polizisten noch behandelnde Ärzte der Beschreibung des Unfallhergangs durch seinen Vater Glauben schenken wollen, befindet sich Blaze schließlich unter staatlicher Aufsicht, was nicht unbedingt eine Verbesserung darstellt.

Im Wechsel mit der Beschreibung seines Lebens, das ein wenig an John Steinbecks Erzählung "Von Mäusen und Menschen" erinnert, erlebt man, wie Blaze nach dem Tod seines kriminellen Freundes George versucht, dessen letzten großen Plan in die Tat umzusetzen: Die Entführung eines Kleinkinds, um solcherart eine Millionen Dollar zu bekommen. Doch was für einen halbwegs normal denkenden Kriminellen schon ziemlich problematisch ist, stellt Blaze immer wieder vor geradezu unüberwindliche Probleme.

Hin- und herwechselnd zwischen den Ermittlungen, Blazes Vergangenheit und seiner Gegenwart wird der Leser immer näher an diesen Charakter und seine Art zu denken und fühlen herangeführt. Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach Schuld und Verantwortung auf allen möglichen Ebenen der persönlichen und institutionalisierten Beziehungen, denn im Endeffekt ist Blaze wirklich nichts Anderes als das Produkt seiner Umwelt  - weil er nichts Anderes sein kann.

Ist "Qual" ein Krimi? Ein wenig. Ein psychologischer Roman? Ein wenig mehr. Interessant und handwerklich gut gelungen? Auf jeden Fall. Ohne die bei "Love" so deutlich herausgekommenen Nebenweltmomente ist dieser Roman auf ähnliche Weise - doch auch ganz anders - bewegend und sicherlich gleichfalls eine weitere Verarbeitung von Kings eigenem Unfalltrauma; auch wenn der "Meister" dies in seinem wie immer launigen Nachwort zum Roman nicht erwähnt.
Umso deutlicher wird dieser Aspekt jedoch in der Kurzgeschichte am Ende des Buchs, welche die Grundlage für einen Roman darstellte, der im Januar 2008 auf dem us-amerikanischen Markt erscheinen soll.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2007)


Stephen King: "Qual"
(Originaltitel "Blaze")
Übersetzt von Jürgen Bürger.
Heyne, 2007. 350 Seiten.
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Hörbuch:
Gesprochen von David Nathan.
Random House Audio, 2007. 9 CDs, Laufzeit ca. 630 Minuten.
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