Stephen King: "Love"
Lisa Landon - genannt Lisey,
geborene Debusher - ist besonders dafür berühmt, dass sie mit einem
außerordentlich berühmten Mann verheiratet ist, dem Autor Scott Landon. Eine Ehe, die im
Großen und Ganzen ein wenig ungewöhnlich verlaufen ist. Doch zu Beginn
dieses Buches begegnen wir der Witwe Landon, die mit einer zweijährigen Verzögerung
nun endlich damit begonnen hat, den literarischen Nachlass ihres Mannes zu
ordnen - etwas, wozu sie diverse akademische Buchjäger bereits sehr massiv
aufgefordert hatten. Hilfe bekommt sie dabei von ihrer älteren Schwester
Amanda - Manda-Bunny -, die selbst eine etwas eigene Beziehung zu ihrem
Schwager hatte - was aber erst im Laufe der Erzählung deutlicher
werden soll. Im Moment zeigt sie nur ihre Neigung zu manischem Verhalten und
erweist sich dabei beim Ordnen und Sortieren als überaus nützlich.
Ein von ihrer Schwester erstelltes Notizbuch zu gefundenen Fotografien
Liseys in Artikeln über Scotts Lesereisen beginnen Lisey auf eine Reise in
ihre eigene Vergangenheit mit Scott zu führen, die sich durch von Scott vor
seinem Tod gelegte Spuren in eine Art elaborierte Schnitzeljagd verwandelt.
Und diese Schnitzeljagd - die aus einer ungewöhnlichen Familientradition
der Familie Landon erwachsen ist - führt Lisey nicht nur zu einem Preis,
sondern auch zurück in ihre eigene Vergangenheit, in der einige recht seltsame Erinnerungen verborgen sind. Erinnerungen, die sie am liebsten für
immer hinter sich gelassen hätte. Doch die Schnitzeljagd muss weitergehen,
damit Lisey am Ende ihren Preis bekommen kann, wie auch immer der aussehen
mag. Und es muss ein Opfer geben - weil es das in Geschichten immer geben
muss - und das Opfer muss in Blut sein, damit es ein gutes Ende geben kann.
Denn alle Geschichten kommen aus einer Welt neben der Welt, einer Welt, die
die Autorinnen und Autoren manchmal anzapfen können. Aus Gilead, aus
Nimmerland, aus tausend anderen Welten, die die Vorstellungskraft des Dichters
erst schafft, wie es Heinlein in
"Die Zahl des Tieres" gezeigt hat und
King selbst unter anderem in der Geschichte um den "Schwarzen
Turm".
Es geht um Erinnerungen und Geschichten und darum, wo sie herkommen und wo
sie hingehen. Es geht um Liebe und wie sie Menschen verletzt, aber auch heilt.
Darum, dass es in Nimmerland
Elfen gibt und
Krokodile - und dass beides zu
einer guten Geschichte gehört, in der der Mond immer voll ist. Und Schatten für
eine kurze Zeit ihre eigenen Wege gehen. Und dass dies der Grund ist, warum
das Leben mit einem Schriftsteller schwierig sein kann, und warum
Schriftsteller und
Alkohol oft so gute Freunde werden.
Doch Schriftsteller müssen diese Welten besuchen und über sie schreiben,
denn manche Geschichten, das lernt Lisey und auch der Leser
dieses Romans, müssen erzählt werden, um Magie in die Welt zu bringen - oder
auch wieder hinaus. Um uns Monster in der anderen Welt zu zeigen, damit wir
lernen, die Monster in unserer eigenen Welt zu besiegen.
Dieser Roman ist - wie das Nachwort zeigt - ein überaus autobiografischer und darum mehr mit dem Herzen als mit dem Hirn zu
lesen, wiewohl Letzteres gleichfalls ans Arbeiten kommt. Und für jemanden, der vor
wenigen Jahren noch sagte, er wolle mit dem Schreiben ganz aufhören,
eine erfreuliche Form des Schwurbruchs.
Wieso es notwendig war, dem Buch einen
anderen englischsprachigen Titel zu geben, mag verstehen wer will. Aber Liebe
ist hier auf jeden Fall eine Menge drin.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2006)
Stephen King: "Love"
(Originaltitel "Lisey's Story")
Übersetzt von Wulf Bergner.
Heyne, 2006. 700 Seiten.
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Hörbuch-CDs:
Gesprochen von Regina Lemnitz.
Random House Audio, 2006. 18 CDs, Laufzeit ca. 1125 Minuten.
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