Maria Leistner: "Was Kinder klug macht"


Praxisorientierter Ratgeber mit viel Hintergrundwissen

Angesichts der Fülle von Ratgebern zur Kindererziehung stellt sich den Eltern kleiner Kinder früher oder später die Frage, ob man eigentlich ein einschlägiges Fachstudium absolviert haben muss, bevor man die Familienplanung in die Praxis umsetzt. Besonders unerfreulich ist die Widersprüchlichkeit der Sachbücher untereinander, vor allem, weil die Theorien annähernd so schnell aufeinander folgen wie letzte Schreie der Kleidermode. Nimmt man noch die durch die PISA-Studie ausgelöste hektische Suche nach der Wunderformel für Intelligenzentwicklung hinzu, eingepasst in einen Normierungswahn, der auch vor der Persönlichkeit der Kinder nicht Halt macht, so bleibt für die Eltern schließlich nur Verwirrung - und ein diffuses Schuld- und Versagensgefühl, wenn sich das eigene Kind im einen oder anderen Bereich langsamer entwickelt als jenes der Nachbarn.

Maria Leistner möchte dieser für die Familien nicht eben erfreulichen Entwicklung entgegenwirken; ihrer Meinung nach (der sich die Verfasserin dieser Rezension dank eigener Erfahrungen gern anschließt) geht es vor allem darum, in den Kindern die Freude am Lernen zu wecken und sie als eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen. In ihrem Buch zur Förderung drei- bis sechsjähriger Kinder vermittelt sie Informationen über die unterschiedlichen Arten von Intelligenz (Sprache, Sehen und räumliches Denken, Logik und mathematisches Denken, musikalische Intelligenz, kinästhetische Intelligenz, Sozialverhalten und Selbstwahrnehmung) und Möglichkeiten, diese "Intelligenzen" zu fördern, wobei sie beim Alltäglichen ansetzt. Denn es kommt ganz wesentlich auf das familiäre Umfeld, auf die Vorbilder an, wobei das Kind auch aus offen eingestandenen Schwächen der Eltern und anderer Bezugspersonen lernt. Eine Reizüberfrachtung, wie sie manche Eltern in ihrem gut gemeinten Streben nach erzieherischer Perfektion dem Kind aufdrängen, schadet ähnlich wie die Reizarmut der Kinderheime in armen Ländern. Kinder brauchen Zeit und die Chance, ihr individuelles Tempo einzuhalten; mancher scheinbare Rückschnitt ist ein Atemholen vor dem nächsten gewaltigen Satz nach vorn.

Der Hauptteil des Buchs ist in drei Abschnitte gegliedert, in denen es um die spezifische Förderung von Kindern im Alter von 3-4, 4-5 und 5-6 Jahren geht, wobei diese Förderung spielerische Betätigung mit einfachsten Mitteln beinhaltet. Naturphänomene werden nachgestellt (die unterschiedliche Dichte von Stoffen kann man ebenso problemlos über ihren Auftrieb beobachten wie die Viskosität mithilfe von Wassertropfen auf Münzen), verschiedene Maltechniken erweisen sich als überaus sinnliche Erfahrung, die Musikalität lässt sich schon durch eine Trommel aus Kochlöffel und Kochtopf anregen. Einfache, lustige Rollenspiele vermitteln empathische Fähigkeiten, witzige Hüpfspiele ein Bewusstsein für den Körper. Der Fundus an Anregungen ist schier unerschöpflich, und alle sind "kinderleicht" umzusetzen und durchaus auch nützlich für Erwachsene!
Zur Einführung für jedes der drei thematisierten Lebensjahre erhält der Leser Informationen über die spezifische Entwicklung im jeweiligen Jahr, wobei die Autorin jedoch immer wieder die Individualität der Kinder betont, die sich nun einmal nicht unbedingt den "Sollwerten" fügt. Und nicht jedes Kind muss jedes Spiel mögen: Die kleinen Persönlichkeiten finden rasch selbst heraus, was ihnen in ihrem jeweiligen Entwicklungsstadium gut tut!

"Was Kinder klug macht" ist schlüssig aufgebaut und in einem zwar sachlichen, aber nicht zu trockenen Stil verfasst. Dieser Ratgeber lässt die Beschäftigung mit dem Kind zu einer von Zwängen, Druck und Schuldgefühlen befreiten, natürlichen Sache werden. Am meisten lernen Kinder nun einmal in einem aufgeschlossenen, fröhlichen Umfeld zusammen mit und von entspannten, unverkrampften Eltern. Die Orientierung an alltäglichen, unkomplizierten Dingen und Vorgängen verhindert, dass einem die Spielvorschläge rasch verleidet werden. Trotz aller Schlichtheit predigt die Autorin jedoch keineswegs Technikfeindlichkeit.
Da wird Kindererziehung von einer belastenden Verpflichtung regelrecht zum "Kinderspiel".

(Regina Károlyi; 12/2005)


Maria Leistner: "Was Kinder klug macht"
Herder spektrum, 2005. 160 Seiten.
ISBN 3-451-05356-X.
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