Yasmina Khadra: "Die Schwalben von Kabul"
Die
afghanische Erde ist nur mehr Schlachtfeld, Arena und Friedhof. Die Gebete zerstäuben
im Knattern der Maschinengewehre, die
Wölfe heulen Abend für Abend den Tod an,
und der Wind, wenn er sich erhebt, überantwortet das Lamento der Bettler dem Krächzen
der Raben. (Auszug aus "Die Schwalben von Kabul")
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Wer Berichte in den Medien
über Afghanistan verfolgt, assoziiert mit diesem Land Krieg,
Leid, Unterdrückung und Fanatismus. Wie wirkt sich der allgegenwärtige religiöse
Fundamentalismus auf den Alltag der Menschen in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans,
aus? Kann es in dieser, vom Misstrauen vergifteten Atmosphäre, in der das Lachen
untersagt ist, in der viele Menschen resigniert haben, noch Hoffnung und Liebe
geben?
Yasmina Khadra beleuchtet in seinem Roman das Schicksal zweier Ehepaare im Kabul der Taliban.
Mohsen Ramat und seine Frau Zunaira gehören zur gebildeten Gesellschaftsschicht
Kabuls. Ihre Beziehung funktioniert, da sie sich trotz der Widrigkeiten des Alltags
gegenseitig respektieren. Sie haben sich einen Rest an Kultiviertheit bewahrt
und hoffen auf diese Weise die notwendige Kraft zu schöpfen, die Zeit der Unterdrückung
zu überwinden. Eines Tages beteiligt sich Mohsen, vom Blutrausch der Menge ergriffen,
an der Steinigung einer Prostituierten. Als er dies seiner Frau gesteht, bricht
für sie eine Welt zusammen.
Gefängniswärter
Atiq Shaukat und seine Frau Mussarat sind, so wie viele Menschen ihrer Gesellschaft,
orientierungslos und zermürbt. Sie gehören zu den einfachen Leuten, denen es nur
noch darum geht, ihren Alltag einigermaßen zu überstehen. Träume sind ihnen fremd.
Atiq ist verzweifelt und ratlos, da seine Frau Mussarat schwer krank ist. Was
bedeutet das in einem Land, in dem die Frauen unterdrückt werden? Das Frauenbild
in Afghanistan wird an vielen Stellen des Romans deutlich. Prägnant ist zum Beispiel
die Unterhaltung zwischen Atiq und seinem Freund Mirza. Dieser empfiehlt
Atiq, er solle seine Frau verstoßen, wenn sie krank ist und ihre Arbeit nicht
mehr verrichten kann.
Die
Wege der Protagonisten sind schicksalhaft miteinander verknüpft. Kann es in dieser
eisigen Atmosphäre Mitgefühl und Liebe geben? Das selbstlose Verhalten von Mussarat
in einer schwierigen Situation lässt Hoffnung aufkommen, Hoffnung nicht nur für
einen Menschen, sondern Hoffnung für ein unterdrücktes Volk, die schwere Zeit
zu überwinden.
"Die
Schwalben von Kabul" ist ein eindringlicher Roman. Der Leser wird von der Atmosphäre
gefangen genommen. Die Beschreibungen wirken authentisch. Die persönlichen Schicksale
sind erfunden und m. E. ein wenig überzeichnet. Aber sie überzeugen. Die Unterdrückung
der Menschen in dem totalitären Afghanistan
ist auf jeder Seite des Romans deutlich spürbar. Synonym für die Einschüchterungen
ist die Peitsche, deren Gebrauch in Kabul zum Alltag gehört.
(Klemens Taplan)
Yasmina Khadra: "Die Schwalben von Kabul"
Aus dem Französischen von Regina Keil-Sagawe.
Aufbau-Verlag. 158 Seiten.
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Yasmina Khadra ist der Künstlername des 1955 geborenen Autors Mohammed
Moulessehoul. Als hoher Offizier der algerischen Armee veröffentlichte er seine
ersten Bücher wegen der strengen Zensurbestimmungen unter den beiden Namen
seiner Frau. Erst nachdem er im Dezember 2000 mit seiner Familie
nach Frankreich
ins Exil gegangen war, konnte er dieses Pseudonym lüften.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Die Schuld des Tages an die Nacht"
Nach einem halben Jahrhundert trifft
Jonas noch einmal die Freunde aus Jugendtagen. Er blickt zurück auf sein Leben
und die bewegte Geschichte seiner Heimat Algerien. Unter dem arabischen Namen
Younes wird er auf der Nachtseite des Schicksals geboren, als Jonas wächst er
im europäischen Viertel der Küstenstadt Rio Salado auf. Dort begegnet er der
schönen Französin Émilie - sie wird die große Liebe seines Lebens. Die
Sehnsucht dieser beiden Menschen spiegelt über Jahrzehnte hinweg das
dramatische Verhältnis von Orient und Okzident, zweier Welten, die einander so
viel Leid zufügen und dennoch so verzweifelt um Versöhnung ringen. Dass sie möglich
ist, zeigt Yasmina Khadras großer Roman auf unvergleichlich poetische Weise. (Ullstein)
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"Die Sirenen von Bagdad"
Bei einer Razzia des US-Militärs wird ein junger Iraker tief gedemütigt und
muss seine Familie und sein Heimatdorf verlassen. Er beschließt, sein Leben der
Aufgabe zu widmen, den Westen tödlich zu treffen. Höchst eindrucksvoll erzählt
Yasmina Khadra vom Leben der Menschen in einer ausweglosen Spirale aus zerstörter
Ehre und Hass in einem zerbrochenen Land. (dtv)
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