Etgar
Keret: "Mond im Sonderangebot" "Ich
will meinen Lesern keine Antworten geben; alles, was ich will, ist,
dass sie anfangen, Fragen zu stellen." (Etgar Keret in einem Interview) Humor
- die Waffe der Schwachen Etgar Keret, israelischer
Humorist und Bestsellerautor, lässt sich nicht leicht
einordnen. Sein neues Buch, "Mond im Sonderangebot", enthält
33 Kurzgeschichten, in denen er sich als kreativer Künstler
präsentiert. Einige seiner Geschichten triefen vor schwarzem
Humor und erinnern an Roald
Dahl, andere sind eher besinnlich. In manchen seiner Werke
fließen Traum und Wirklichkeit ineinander über,
andere haben einen realen Hintergrund. Wer glaubt, alle Geschichten
verstehen zu können, wird das Klassenziel nicht erreichen.
Keret gibt keine Antworten. Er überlässt dem Leser
die Interpretation seiner fantasievollen Werke. (Klemens Taplan; 09/2003) Etgar Keret: "Mond im
Sonderangebot" Ergänzende
Buchtipps:
Etgar
Keret: "Pizzeria Kamikaze" Etgar Keret: "Gaza Blues.
Erzählungen" Etgar Keret: "Der Busfahrer,
der Gott sein wollte. Erzählungen"
Kurzgeschichten
Sein besonderes Augenmerk gilt dem Beziehungsdrama zwischen Mann und
Frau. In diese Kategorie passt zum Beispiel "Das Dickerchen". Die an
"Dr. Jekyll und Mr. Hyde" erinnernden nächtlichen
Verwandlungen einer Frau stellen ihre Partnerschaft auf eine harte
Probe. Wie sprach einst
Goethe: "Zwei Seelen wohnen ach in meiner
Brust" ...
Um Beziehungen geht es auch in der Parabel "Dein Mann". Dieser Thriller
lässt viele Fragen offen und muss wohl tiefenpsychologisch
gedeutet werden. Mit den unterschiedlichen Perspektiven von Mann und
Frau hat die Kurzgeschichte "Wie ein Baby" zu tun. Wie eine Frau die
Liebe interpretiert, wird dem Mann wohl immer ein Rätsel
bleiben. "Eiserne Regeln" ist eine süffisante
Beziehungsgeschichte, in der der äußere Anschein
falsche Signale vermittelt. Hier wird bereits eine Spur schwarzer Humor
erkennbar.
Rabenschwarz geht es in der Satire "Korrekttuttur" zu. Oder sollte ein
Todkranker ernsthaft über langfristige
Gewährleistungen nachdenken? "Der Mann ohne Kopf" ist eine
makabere Kriminalgeschichte. Wirkt sie nur deshalb makaber, weil hier
die Sicht von Kindern beschrieben wird, für die Terror zum
Alltag gehört?
Von Terror handelt auch die reale Geschichte "Die Brüste der
Achtzehnjährigen". Auch wenn der Titel erotische Fantasien
beflügeln kann, geht es hier um den individuellen Umgang mit
der alltäglichen Kriegs- und Terrorgefahr in Israel.
Sozialkritischer Stoff verbirgt sich in "Eine gute Tat pro Tag". Wer
diese vollbringen möchte, darf keine Hemmungen haben, sich von
einem Junkie den Mond verkaufen zu lassen.
Das
Thema Wünsche verarbeitet Keret in allen
Variationen. In "Die Flasche" ist es der Wunsch eines Studenten nach
der Liebe seiner Mitbewohnerin, der seine Fantasie anregt. Oder ist
diese Geschichte einfach nur absurd? In "Glitzeraugen" muss eine
verwöhnte Göre einsehen, dass es Wünsche
gibt, die aus prinzipiellen Gründen nicht realisierbar sind,
analog dem bekannten Allmächtigkeitsparadoxon: Gott
könne keine Mauer bauen, die so hoch ist, dass er selbst nicht
noch herüberspringen könnte. Dagegen sind die
Wünsch der Eltern in "Stolze Freude" erfüllbar. Aber
alles hat seinen Preis. Eltern und Sohn verhalten sich
homöostatisch. Sie bringen sich durch
Selbstregulation stets in ein dynamisches Gleichgewicht. Der Sohn kann
seine Erfolge nur zu Lasten seiner Eltern verbuchen.
Kann Keret auch besinnliche Geschichten schreiben? Wer daran zweifelt,
sollte "Acht Prozent von nichts" lesen. Ein Makler wird in eine heikle
Dreiecksgeschichte verwickelt. Durch die Stärke einer
betrogenen Frau findet er zu sich selbst.
Keret ist nicht nur ein kreativer Künstler, sondern er
behandelt auch, scheinbar selbstbezüglich, das Thema
Kreativität in seinen Kurzgeschichten. In "Ein Gedanke in Form
einer Geschichte" proklamiert er, dass der Kreative irgendwie anders
ist und sich ständig in Gefahr begibt, die Gesellschaft gegen
sich aufzubringen.
Etgar Keret hat einen unverwechselbaren Stil. Er verwendet eine
Umgangssprache mit auffallend vielen vulgären Ausdrucksweisen.
Beziehungsgeschichten, die gelegentlich ins Absurde abgleiten,
gehören zu seinen Stärken. In einem Interview sagte
er mal, dass Humor die Waffe der Schwachen ist, um Kritik zu
üben. Manche beherrschen diese Waffe perfekt. Ihre Kritik
erreicht ein breites Publikum. Warum wird Keret nicht manchmal
konkreter und geht damit mehr in die Verantwortung?
Etgar Keret wurde 1967 in Tel Aviv geboren und veröffentlicht
seit 1991 Kurzgeschichten und Comics. Er schreibt fürs
Fernsehen, lehrt an der Filmakademie in Tel Aviv und hat über
40 Kurzfilme produziert. Seine Bücher sind in Israel
Bestseller. Bekannt sind von ihm "Pizzeria Kamikaze", "Der Busfahrer,
der Gott sei wollte" und "Gaza Blues".
(Originaltitel "Anihu/ Cheap Moon")
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Luchterhand, 2003. 208 Seiten
ISBN 3-630-87153-4.
ca. EUR 17,50.
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Chaim befindet sich in der Welt, in der die
Selbstmörder landen. Alles ist so ähnlich wie vorher,
nur gibt es weniger zu tun. Aus Verlegenheit sucht er sich einen Job in
der Pizzeria Kamikaze, und nachts zieht er durch die Kneipen. So
freundet er sich mit Uzi Galfand an, der bis auf sein Einschussloch in
der Schläfe wirklich in Ordnung ist. Es stellt sich heraus,
dass Uzi bei seiner Familie wohnt, was ziemlich selten ist in dieser
Gegend. Seine Eltern haben sich fünf Jahre vor ihm umgebracht.
Chaim und Uzi hängen herum, trinken, sehen immer die gleichen
Leute, die irgendwie durch einen hindurchschauen. Als Chaim schon die
Lust verloren hat, sich jede Nacht um die Ohren zu schlagen, trifft er
einen ehemaligen Mitbewohner, der aus dem Fenster gesprungen ist, und
dieser erzählt ihm, dass Orga, Chaims letzte Freundin,
inzwischen auch Selbstmord begangen habe. Chaim beschließt,
sie zu suchen, Uzi stellt sein Auto zur Verfügung. Die beiden
fahren in Richtung Osten, treffen zunächst aber nur Araber.
Sie gabeln Lihia auf, eine Anhalterin, die fest davon
überzeugt ist, dass sie einem Unfall zum Opfer fiel, und nun
jemandem sucht, bei dem sie sich beschweren kann. In der
Dämmerung überfahren sie fast den
Spaziergänger Rafael Kneller, der sie zu sich nach Hause
einlädt.
Um Kneller herum hat sich eine bunte Gruppe eingefunden, die ein
Wunder
erleben will. Sogar Orga ist dabei, die sich aber sehr
verändert hat - und auch das Wunder gestaltet sich nicht so,
wie angekündigt. Dafür erreicht Lihia ihr Ziel, und
Chaim erfährt ein Geheimnis, das ihm alles Warten wert ist.
In Etkar Kerets kurzem Roman wechseln sich Tragik, Slapstick,
Weltschmerz und Ironie in rasantem Tempo ab und fügen sich
zusammen zu einem authentischen Zeugnis des Lebensgefühls der
jüngeren Generation
in Israel.
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Großstadtgeschichten
aus der Downtown: von Trinkern und Boxern, Nachtschwärmern und
Religiösen, Spionen und der Schule der Zauberer. Keret
erzählt knapp, schnell, mit immer unerwarteten Wendungen und
Schlüssen. "Gaza Blues" wurde in Israel ein Kultbuch.
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Kurze,
drastische, schräge, doppelbödige Geschichten
über Randexistenzen, Misserfolge, Liebeskummer, Araber,
Rassismus, Pubertät, Militär - auch in diesem
Erzählband macht Etgar Keret
keine
Zugeständnisse an die Political Correctness.
Ein Busfahrer entdeckt seine eigentliche Berufung, als ein notorischer
Zuspätkommer sich vor ihn hinkniet und ihm wieder
einfällt, dass sein ursprünglicher Berufswunsch
Gott
war. Drei Freunde werden in regelmäßigem Turnus von
Wahnsinnsschüben heimgesucht, bis sie draufkommen, dass
womöglich die Seele des vierten im Bunde, der den Wehrdienst
nicht aushielt und sich umbrachte, zu einsam ist. Eine Frau beschwert
sich, dass immer nur die Männer erschossen werden und den
Frauen nichts als der Trost und der Saft der Mythen bleibt &
In Etgar Kerets Geschichten aus Tel Aviv liegen Poesie und
Brutalität, Komik und Verzweiflung, Alltägliches und
Absurdes nah beisammen. Seine Ich-Erzähler sind Kinder,
Jugendliche oder eben erst erwachsen Gewordene, und sie haben keine
Lust, die Last der Vergangenheit zu tragen, für ihr Land zu
sterben oder sich in die Gesellschaft einzupassen. Sie haben nur keine
andere Welt als die ihre ...
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