H. R. F. Keating: "Inspector Ghote geht nach Bollywood"
Ein guter Zeitplan im Sog des gegenwärtig florierenden Bollywood-Reklamerummels zeichnet die 2005 wiederaufgelegte Neuausgabe des 1976 erstmals unter dem Originaltitel "Filmi, Filmi" erschienenen Romans (dt. "Inspector Ghote geht zum Film", 1978) aus und verleiht ihr dadurch ungeahnte Aktualität ebenso wie einen überaus zeitgeistigen Auftritt.
In der vorliegenden Ausgabe lässt
Keating seinen Serienhelden, den
CID-Inspector Ganesh V. Ghote zum zehnten Mal
ermitteln, wodurch dieser Band etwa die Hälfte der Karriere des ständig
schikanierten Bombayer Kriminalpolizisten markiert. Am Ende darf Ghote meist
triumphieren, daher liest sich der Roman durchaus mit einer gewissen Spannung -
wird es der listige Beamte auch diesmal schaffen, oder erweist sich das
undurchsichtige Gestrüpp der Filmmetropole mit ihrem Bild komplex gezeichneter
Charaktere am Ende als Dschungel, aus dem es kein Entrinnen, keine brauchbare Fährte
und keine befriedigende Aufklärung gibt?
Ghote erhält vom obersten Vorgesetzten, dem Deputy Commissioner, einen äußerst
wichtigen Fall übertragen: in den Talkiestan-Studios wurde Dhartiraj, der Star
und berühmte Darsteller von Schurken, beliebt in ganz Indien, ermordet
aufgefunden und Ghote allein wird mit der Untersuchung der heiklen Angelegenheit
beauftragt. Für den Inspector tut sich dadurch eine für ihn völlig neue Welt
auf, er beginnt im hektischen Gewühl einer geheimnisvollen Umgebung zu
recherchieren. Sehr bald wird ihm klar, dass er dringend Unterstützung braucht,
um sich in der für ihn so ungewohnten Atmosphäre orientieren zu können und
dieser enormen Herausforderung gewachsen zu sein. Diese findet er rasch in
Gestalt der Gesellschaftskolumnistin und, was Tratsch, Vernetzung und Kennerwissen
anbelangt, scheinbar allwissenden und multiperspektivischen Klatschspaltenkönigin
Miss Pilloo Officewalla, die schnell wahre Beraterfähigkeiten an den Tag legt
und für Ghote unverzichtbar wird, will er auch nur den Funken einer Chance auf
Aufklärung des Mordes haben.
Die Nachricht vom Tod des Superstars sickert rasend schnell durch, sorgt für
ungeheure Aufregung und zum Leidwesen Ghotes steigt damit proportional der
Zeitdruck für ihn. Unterschiedliche Motivationen bewegen ganz unterschiedliche
Menschen, auf Aufklärung der Umstände und die Ergreifung des Mörders zu drängen,
was Ghotes Druck zusätzlich erhöht.
Der Produktionsleiter fürchtet um die Fortsetzung der aktuellen Dreharbeiten
zu "Khoon Ka Gaddi", dem größten historischen Film, der je gemacht wurde,
nach der Vorlage von Shakespeares "Macbeth",
und ist dementsprechend außer sich. Er will Ghote ganz ungeniert für seine Reklamezwecke
instrumentalisieren, was dieser aber schnell durchschaut und sich entschieden
dagegen verwehrt, auch wenn er an der Aufklärung ebenso brennend interessiert
ist.
Es kommt zur wenig Gutes verheißenden Begegnung mit dem Seth, eigentlich Seth
Chagan Lal, seines Zeichens Produzent und Mann des Geldes und der Macht, der
Ghote eine Warnung oder Drohung andeutet, die diesem in ihrer wahren Bedeutung
nicht klar ist, es wird ihm so gut wie befohlen, gewisse Dinge nicht
aufzudecken, Dinge, die dazu beitragen würden, die Fertigstellung von "Khoon
Ka Gaddi" hinauszuzögern. Aber was war das? Offensichtlich ist nur, dass
es zu keinen Skandalen wegen des noch nicht fertiggestellten Films der Fifteen
Arts Production kommen dürfe.
Kurz danach trifft Ghote den Regisseur
Bhabani Ghosh am Schauplatz des Verbrechens und sieht erstmals die massige, rot
bekleidete Leiche des ermordeten Stars.
Von da an beginnt seine fieberhafte Jagd nach Hauptverdächtigen, die
Zeugenbefragungen erweisen sich als schwieriges Unterfangen im Umfeld der
Filmmetropole. Jeder scheint eigene Interessen wahren zu wollen, und Ghote
verwickelt sich immer tiefer in den Fängen der schillernden Kunstwelt.
Um sich als genialer Starermittler zu profilieren und die legendäre
Schauspielerin Nilima, die ungekrönte Königin der Superstars, zu beeindrucken
und ihre Zuneigung und Achtung zu gewinnen, lässt Ghote keine Möglichkeit
unversucht, um die Umstände des Todes von Dhartiraj restlos und lückenlos
aufzuklären. Welch ungeahnte und scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten
sich ihm dabei in den Weg stellen, lässt sich in "Inspector Ghote geht
nach Bollywood" ab sofort nachlesen.
Wenn auch einzelne Worte in der deutschen Übersetzung ein wenig verunglückt
wirken ("Goldknöpfe, die fast abzuplatzen scheinen"), so tut das der
Geschichte insgesamt keinen nennenswerten Abbruch. Der Autor lässt seinen
Helden unverdrossen jeder, sich auch nur im Ansatz als Weg zum gewünschten
Ermittlungserfolg offenbarenden Spur folgen, und so amüsieren auch den Leser
Ghotes bisweilen zutiefst psychologische Deutungsmuster. Keating hatte im
Vorfeld seiner Recherchearbeiten zu diesem Roman die glückhafte Chance, dank
eines Empfehlungsschreibens direkt ins Herz der filmi duniya, der außergewöhnlichen
und bekanntermaßen extravaganten Welt von Bollywood, die auch in unseren
Breiten seit Jahren aufgrund der Hochkonjunktur indischer Filme, Festivals und
nicht zuletzt durch die Lebensart beeinflussende Musik und Mode ein Begriff ist,
zu gelangen. Sein neues Wissen verpackte er geschickt in die Handlung und
charakterisierte unübertrefflich Figuren, was Fans ganz bestimmt zu schätzen
wissen, wenn sich beim Lesen im Kopf Bilder auftun, deren Ursprung auf genau
diese Erfahrungen rekurrieren.
(Gabriele Klinger; 06/2005)
H. R. F. Keating: "Inspector Ghote geht nach Bollywood"
(Originaltitel "Filmi, Filmi, Inspector Ghote")
Aus dem Englischen von Edda Janus.
Unionsverlag, 2005. 208 Seiten.
ISBN 3-293-20323-X.
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Kindesentführung in Bombay. "Keine Polizei!", fordern die
Erpresser. Aber weil Detective Inspector Ghote so unauffällig und gar nicht wie
ein Polizeibeamter aussieht, wird er in die Wohnung des reichen Fabrikanten
Manibhai Desai geschickt, um ihm beizustehen, wenn die Entführer anrufen. Da
stellt sich heraus, dass die
Entführer das falsche Kind erwischt haben: Desais
Sohn hatte mit Pidku, dem Sohn des Schneiders, im Spiel die Kleider getauscht.
Wird Desai trotzdem bezahlen?
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Matthias Uhl, Keval J. Kumar: "Indischer Film. Eine Einführung"
Indien ist mit jährlich 800 Kinofilmen der größte Filmproduzent der Welt.
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ein und verehren ihre Stars mitunter wie lebende Götter. Dieses Buch bietet
einen Einstieg in die im Westen fast unbekannte Filmkultur des indischen
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und informiert über die gesellschaftlichen Hintergründe, die zu deren Verständnis
unerlässlich sind. In ausführlichen Darstellungen werden einige der bislang
wichtigsten Filme behandelt. (Transcript)
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Shashi Tharoor: "Indien.
Zwischen Mythos und Moderne"
Was Indien betrifft, so hatte Winston Churchill zwar nur selten recht, aber es
stimmt, dass kein anderes Land der Welt eine so außergewöhnliche Mischung von
ethnischen Gruppen, eine so große Vielfalt der Topografie und des Klimas, von
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Entwicklungsstufen umfasst wie Indien. Und dennoch ist Indien mehr als die Summe
seiner Gegensätze. Es ist ein Land, das, nach den Worten des ersten
Premierministers Nehru, "von starken, aber unsichtbaren Fäden"
zusammengehalten wird.
Wie kann man sich diesem Land der Schneegipfel und der tropischen
Dschungel
nähern, einem Land mit siebzehn Hauptsprachen und zweiundzwanzigtausend Dialekten,
das von einer Milliarde Menschen jeder ethnischen Herkunft bewohnt wird? Wie
ist zu erklären, dass ein Land, in dem vier von fünf Indern ihren Lebensunterhalt
mühselig dem Erdboden abringen müssen, eine größere Menge von raffinierter Software
für Computerhersteller entwickelt als jedes andere Land auf der Welt? Wie lässt
sich eine Zivilisation schildern, die die Geburtsstätte von vier großen Religionen,
von einem Dutzend verschiedener Traditionen des klassischen Tanzes, von fünfundachtzig
politischen Parteien und von dreihundert Arten der Kartoffelzubereitung ist?
Shashi Tharoors Buch ist das faszinierende Porträt eines der interessantesten Länder
der Welt, seiner Politik, seiner Mentalität, seines kulturellen Reichtums. Und
es belegt die globale Bedeutung Indiens für das 21. Jahrhundert, für die
Zukunft der industrialisierten Welt. (Suhrkamp)
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