Thomas Kastura: "Der vierte Mörder"
Thomas
Kastura ist kein Neuling im Literaturbetrieb und kann schon auf einige
Veröffentlichungen zurückblicken. Doch mit seinem
Kölnkrimi zum Schillerjahr hat er sich selbst in das
Bewusstsein der lesenden und kritisierenden Öffentlichkeit
katapultiert, was der "Welt" sogar im Januar einen ersten Platz in den
Krimitabellen wert war. Und selbst Kölner Kritiker lobten
sowohl Ortskenntnis als auch Ortsdarstellung des 1966 geborenen
Bambergers.
In der Vorweihnachtszeit 2005 bekommt die Polizei Post von einem Mann,
der mit einem Zitat aus Schillers "Glocke" die Macht des Feuers
beschwört, bevor er eine ein wenig kryptische Drohung
über ein Feuer im Untergrund darunter setzt. Klemens Raupach,
vor drei Jahren nach einer unglücklich verlaufenen Verhaftung
ins Archiv - den Untergrund der Kölner Polizei verbannt - und
seine Assistentin Photini Dirou bekommen durch Raupachs alte Flamme
Heide Thum dieses Schreiben in die Finger und beginnen über
dessen Ernsthaftigkeit und tiefere Bedeutung zu sinnieren.
Zunächst erscheint die Geschichte als eher nicht
ernstzunehmend. Folglich können sich die drei erst einmal
Gedanken über die sich verändernde Personalstruktur
der Kölner Polizei und die
höchstpersönlichen Auswirkungen derselben machen -
bis der Briefschreiber seine Epistel auch an die Kölner Presse
sendet. Nachdem ein U-Bahn-Führer in seinem Treibwagen
verbrannt ist, beginnt die adventliche Bevölkerung der
Domstadt langsam nervös zu werden, und Raupachs Vorgesetzte
fühlen sich unter Zugzwang gesetzt. Da diese Situation arg ins
Auge gehen kann, wird der in Ungnaden befindliche Raupach zum Leiter
der Ermittlungsgruppe ernannt, eine Position, in der er die weiteren
Ermittlungen ohne Rücksicht auf Verluste vorantreibt.
Nach und nach laufen bei der neuen Kommission Informationen
über einige sehr ungewöhnliche Mordfälle
ein, die zum Teil in Verbindung mit Bränden stehen, dann aber
auch nur durch die Verbindung der Opfer untereinander
zusammenzuhängen scheinen. Aber es ergibt sich einfach kein
klar nachvollziehbares Muster, wie man dies bei einem
Serientäter erwarten würde. Tatsächlich
scheint bei einigen der Taten mehr als eine Person beteiligt zu sein,
was für einige Verwirrung sorgt. Denn als die Ermittler
herausbekommen, wer die Briefe geschrieben hat und zum Teil auch die
Motive zu verstehen beginnen, erscheinen einige der Morde, die sie dem
Schillerzitierer zugewiesen hatten, überhaupt nicht mehr ins
Bild zu passen, und der an diesen Morden schuldige Unbekannte scheint
auch noch mit jemand Anderem zusammenzuarbeiten. So gibt es also
mindestens drei Mörder in dieser vorweihnachtlichen Idylle,
was bei den Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel sehr
unterschiedliche Reaktionen hervorruft.
Eine psychologisch und handlungstechnisch sehr komplexe und dichte
Herangehensweise, wie man sie in solcher Perfektion selbst bei gut
etablierten Thrillerschreibern oft vergeblich sucht - und auch im
weiteren Bereich der allgemeinen Belletristik. Sowohl die Ermittler als
auch die anderen Haupt- sowie einige Nebenfiguren sind
außerordentlich plastisch und glaubwürdig gezeichnet
und auch in ihren Beziehung untereinander in erstaunlicher Weise der
Realität verpflichtet ohne dabei banal zu wirken. Die gesamte
Erzählung, die durch Bezüge auf das Leben speziell
Raupachs eine enorme Tiefe bekommt, schleift an keiner Stelle und wirkt
deutlich wie aus einem Guss. Der Autor soll im Moment
in Köln
Orte für neue Szenen in weiteren Raupach-Romanen suchen. Eine
Fortsetzungsidee, auf die man wirklich gespannt sein kann und die
sicherlich viel Freude bereiten wird.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2007)
Thomas
Kastura: "Der vierte Mörder"
Droemer, 2006. 496 Seiten.
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