Franz Kardinal König: "Gedanken für ein erfülltes Leben"
"Wer die Wahrheit sucht, wer ihr dienen und nicht an ihr vorbeileben will, der ist unterwegs zu Gott. Wahrheitssuche ist Suche nach Gott. Wann der Mensch findet, darüber entscheidet Gott. Wenn er gefunden hat, ist er Gott begegnet."
(Kardinal Franz König)
Die langjährige Sekretärin von Kardinal
König, Frau Annemarie Fenzl, und der Publizist Heinz Nußbaumer fungieren als
Herausgeber des nunmehr zu besprechenden Buches.
Es sind Texte darin
enthalten, die aus Predigten, Interviews, Reden, Buch- und Zeitungsbeiträgen
u.ä. des am 13. März 2004 in seiner Wohnung im Altenheim der Barmherzigen
Schwestern verstorbenen Kardinals entommen sind.
Die Idee, Kardinal König mit diesen Texten selbst sprechen zu lassen, erweist
sich als großer Gewinn für dieses Buch. Insbesondere in den ersten beiden Abschnitten,
welche "Vom Geist Gottes" und "Vom Sinn des Lebens" benannt sind, mag es dem
Leser möglich sein, den verdienstvollen Kirchenmann buchstäblich hören zu können.
Der Geist des Kardinals schwirrt in der Luft, und jeder einzelne Satz hat enormes
Potenzial. Die vielen Fragen, denen der "moderne" Mensch ausgesetzt ist, lassen
sich letztlich auf die drei Grundfragen: "Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was
ist der Sinn meines Lebens?" rückbegründen. Jegliche abstrakte Frage ist nur
ein Zurückweichen vor den bedeutenden Fragen, die das Leben an uns Menschen
stellt.
Die Zusammenstellung der Texte belegt eindrucksvoll, worauf es
dem Kardinal Zeit seines Lebens ankam. Das ist den Herausgebern hoch
anzurechnen. Viele seiner Erkenntnisse sind nicht immer "zeitgemäß" und
entsprechen doch voll und ganz der Wahrheit. Kardinal König hat diese Wahrheit
erkannt, und die Suche nach Wahrheit als Suche nach Gott beschrieben. Diese
Erfahrung bleibt vielen Menschen verschlossen, weil sie sich erst gar nicht
aufmachen, zu suchen, oder aber aus irgendwelchen - oft unsinnigen - Gründen
"glauben", dass rationale Gründe gegen Gott sprächen.
Dem hält Kardinal König
entgegen:
"Es gibt keine halbe Sünde, keine halbe Lüge und es gibt keine
halbe Wahrheit.
Es gibt kein halbes Christentum, keine halbe Verantwortung,
keine halbe Liebe, keine halbe Hoffnung, keinen halben Glauben!
Es gibt nur
ein Ja oder Nein, kein Drittes. Das ist die Entscheidung."
Es gibt also nur ein Ja oder Nein, und eine Entscheidung für oder gegen Gott
trifft der Mensch allein. Gerade jene Menschen, die nicht die Kraft und das
Vertrauen aufbringen mögen, an einen Gott zu glauben, der sie liebt, lud Kardinal
König ein, diese Grenze vom Ich zum absoluten Du zu überwinden. Er sprach stets
davon, dass Glauben etwas sei, das wachsen müsse. Nichts entsteht von Jetzt
auf Gleich. So wie der Mensch nicht schon als ausgereifte Persönlichkeit zur
Welt kommt, sondern im Laufe der Zeit durch Wachstum sein Leben erweitern und
begreifen kann, ist es auch im Glauben. Allerlei Dogmen einfach ungefragt anzunehmen
und damit den "Gläubigen" zu mimen, war die Sache des Kardinals nicht. Er verstand
es, dass Menschen zweifeln und möglicherweise das eine oder andere Dogma der
Kirche ablehnen. Er verlangte von diesen Menschen nicht, zum "rechten" Glauben
zu finden und den
Katechismus der katholischen
Kirche auswendig zu lernen. Es ging ihm um Erfahrung; darum, dass Glauben
nur durch Erfahrung wachsen kann. Und zwar nicht durch Erfahrung, die im "stillen
Kämmerlein" vollzogen wird, sondern sich im
Austausch mit Menschen und der Schöpfung bestätigt. Tatsächlich wäre es
völliger Nonsens, Glauben nur aus einer eigensinnigen, inneren Selbstreflexion
ableiten zu wollen. Das kann nicht funktionieren.
Eine wunderbare Bereicherung dieses Buches sind die Abbildungen der Dinge, welche
Kardinal König besonders wichtig waren. Als Zeichen der Treue zum Vatikanischen
Konzil trug er ausnahmslos den Konzilsring, den er von Paul VI. überreicht bekam,
bis zu seinem Tode. Kurz vor dem Tod von
Johannes
XXIII. im Juni 1963 schenkte dieser bislang bedeutendste Papst dem damaligen
Wiener Erzbischof als Zeichen seiner besonderen Verbundenheit ein wertvolles
Brustkreuz. Kardinal König trug fortan kein anderes mehr.
Diese zwei Beispiele zeigen eindrucksvoll, mit wie viel Liebe und
Gottvertrauen er für das "Zweite Vatikanische Konzil" tätig war und welchen
Stellenwert es in seinem Leben hatte.
König blieb Zeit seines Lebens dem
Geist des Zweiten Vatikanums treu. Dies hat er den meisten "Kirchenmännern"
voraus, die allzuleicht absurde Anschauungen "predigen".
Die menschliche
Qualität von Kardinal König war unermesslich. Er war stets bereit, sich mit den
Dingen zu konfrontieren, die auf ihn einstürzten. Was er für die Ökumene, den
Dialog der Christen mit den anderen großen Weltreligionen, und auch für die
Nichtglaubenden gewirkt hat, kann mit Fug und Recht als revolutionär bezeichnet
werden.
König war immer ein bescheidener Mensch, der den Glauben nie anderen
Menschen aufdoktrinieren wollte und dem Rituale keine leeren Floskeln, sondern
Begegnungen und Gespräche mit Gott waren.
Dieses Buch macht einmal mehr
klar, wie wertvoll Kardinal König - nicht nur - für die katholische Kirche
gewesen ist, und welchen Verlust diese durch seinen Tod hinnehmen musste. Einen
Verlust, der ein tiefes Loch hinterlässt. König verteidigte die Schwächen und
die Sündhaftigkeit der Kirche, weil er nur zu gut wusste, wie viel sie in
Vergangenheit und auch Gegenwart in Gestalt ihrer Repräsentanten verbrochen hat.
Dennoch ließ er nicht davon ab, für die Kirche einzutreten. Sein Ziel war es
wohl, Menschen zu animieren, die einen Veränderungsprozess einleiten mochten,
oder auch sein Erbe antreten würden. Kirchenmänner wie Kardinal König sind
äußerst selten. Er hat sich nie "aufgebläht", wie dies viele Menschen tun, die
glauben, etwas Besonderes geleistet zu haben. Er war ein stiller, in sich
ruhender Mensch, der völligen inneren Frieden gefunden hatte. In einer
lärmenden, materialistischen, kapitalistischen Konsumwelt war es ihm wesentlich,
auf das Gewissen der Menschen hinzuweisen, die es in der Hand hätten, dem
Ungeist, der auf dieser Welt allzu verbreitet ist, etwas entgegenzusetzen:
Liebe, Glaube, Vertrauen.
Die Worte von Kardinal König:
"Der Geist
Gottes wird nur denen gegeben, die auf Ihn hören und Ihm gehorchen, sagt die
Schrift. Das ist eine harte Wahrheit. Im Gewissen entscheidet sich der Mensch
für oder gegen den Geist Gottes. Ge-Wissen heißt: Ich 'weiß' etwas in meinem
Allerinnersten. Dieses innerste Wissen ist das Herzstück und der Kern meines
Lebens und meiner Existenz."
Dieses Buch sehen die Herausgeber als "Vermächtnis" von Kardinal Franz König.
Tatsächlich kann es heilsame Wirkung auf Leser ausüben, die mit dem Glauben
hadern, oder aber überhaupt keinen Bezug dazu haben.
Auf alle Fälle birgt es viele kostbare Schätze in Form von Texten, die
tief in die existenziellen Abgründe des Menschen hineinzuleuchten vermögen. Es
ist eine wertvolle Ergänzung zu den von Kardinal König Zeit seines Lebens
geschriebenen Büchern.
(Jürgen Heimlich; 10/2004)
Franz Kardinal König: "Gedanken für ein
erfülltes Leben"
Herausgegeben von Annemarie
Fenzl und Heinz Nußbaumer.
Styria, 2004. 224 Seiten.
ISBN
3-2221-3162-7.
ca. EUR 14,90.
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