Ryszard Kapuściński: "Meine Reisen mit Herodot"
Der "Reporter des Jahrhunderts", der
erste Reporter der Welt und die unveränderlichen
Prinzipien journalistischer Arbeit
Ryszard Kapuściński ist in der "Anderen Bibliothek" wie auch
bei Eichborn kein Unbekannter. Der "Reporter des Jahrhunderts" hat
jahrzehntelang über die Entwicklungen in Asien, Afrika und Amerika geschrieben
und diese Kontinente als Korrespondent und reisender Schriftsteller gründlich
kennen gelernt.
Auf seinen Reisen hatte er von Anfang an einen versierten Kollegen als
Begleiter: Herodot.
Seine Vorgesetzte schenkte ihm die polnische und damals schwer erhältliche
Ausgabe der "Historien" vor Antritt seiner ersten Auslandsreise, die
ihn nach Indien führen sollte. Es gab für ihn aufgrund der Abschottung Polens
im Ostblock keine Möglichkeit, sich auf das Land vorzubereiten. So wurde sein
erster Einsatz jenseits Polens zu einer wirklichen Grenzüberschreitung - und
sein Ziel war immer gewesen, die Grenze zu überschreiten. Asien, bunt, hektisch
und fremd, faszinierte ihn, aber es überforderte ihn auch; er verließ es mit
einem lachenden und einem weinenden Auge.
Mit Kapuścińskis Augen erlebt der Leser Indien, China und einige
afrikanische Länder, wie sie sich in den 50er und 60er Jahren einem
unvoreingenommenen Beobachter präsentierten - schon allein diese Berichte,
zum Teil Momentaufnahmen, zum Teil zeitlose Studien, sind journalistische
Glanzstücke. Zugleich betrachten und interpretieren wir mit dem Autor Herodots
Berichterstattung; Herodot bereiste die gesamte damals bekannte Welt und
beschaffte sich unermüdlich, systematisch und objektiv so viel Information wie
möglich über die unzähligen Völker der Antike, ihre Geschichte und ihre
Traditionen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten war Herodot ein hervorragender
Journalist, dessen Werk trotz der riesigen Fülle an Fakten sehr unterhaltsam zu
lesen ist.
Zugleich erweist sich Herodot als Lehrmeister. Für ihn zählt jedes Volk als
gleichberechtigter Teil der einen Welt, dessen Sitten zur Vielfalt und
Farbigkeit des Lebens beitragen. Herodot sucht nach klaren Fakten; Berichte mit
unbestimmtem Wahrheitsgehalt kennzeichnet er als solche. Behutsam ordnet er sein
Material, kommentiert, wo es nötig ist, interpretiert nur selten.
Zweieinhalb Jahrtausende nach Herodot hat sich die Arbeitsmethodik eines
Reporters nicht wesentlich geändert. Die Welt ist größer geworden, die
Entfernungen kleiner, die Arbeitsmittel vielseitiger, der Leserkreis unendlich
viel weiter. Die Themen sind dieselben geblieben: verschiedene Länder und Völker,
ihre Gewohnheiten, ihre Interaktionen. Kapuściński bedauert, dass
heute, anders als zu Herodots Zeiten, vor allem kriegerische Interaktionen auf
Interesse stoßen - die Welt hätte so viel Interessantes jenseits davon zu
bieten.
Faszinierend lebendig schildert Kapuściński seine Reisen und macht die
von ihm bereisten Länder mit allen Sinnen erfahrbar. Wie der Autor lässt sich
der Leser von Herodots Buch fesseln und staunt über die Parallelen zwischen der
Antike und unserer Gegenwart. Kapuściński macht Herodot verständlich
- und umgekehrt.
Um die Qualität der Übersetzung zu beurteilen, müsste ich in der Lage sein,
das Original zu lesen; da der Stil von wunderbar schlichter Eleganz ist, halte
ich sie für sehr gelungen. Was Herstellung und verlagsseitige Aufbereitung
betrifft, ist das Buch ebenfalls ausgesprochen hochwertig - ein weiterer Höhepunkt
der "Anderen Bibliothek"!
(Regina Károlyi; 12/2005)
Ryszard Kapuściński: "Meine
Reisen mit Herodot"
Aus dem Polnischen von Martin Pollack.
Gebundene Ausgabe:
Eichborn, 2005. 363 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Taschenbuchausgabe:
Piper, 2007. 363 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Ryszard Kapuściński wurde am 4. März 1932 in Pinsk geboren,
das damals noch polnisch war und heute zu Weißrussland gehört. 1945 kam seine
Familie nach Warschau. Er studierte Geschichte an der Universität in Warschau.
Von 1956 bis 1981 arbeitete er als Auslandskorrespondent für die polnische
Presse, vornehmlich in Asien, Lateinamerika und Afrika, wo er Dutzende von Aufständen,
Bürgerkriegen und Revolutionen miterlebte. Ryszard Kapuściński zählte zu den
bedeutendsten Journalisten seiner Zeit und starb am 23. Jänner 2007 in Warschau. Seine Aufzeichnungen aus Gebieten des
Umsturzes weisen eine literarische Dimension auf, die sie nicht veralten lässt.
Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Ein Paradies für Ethnographen. Polnische Geschichten"
Frühe polnische Reportagen von Ryszard Kapuściński.
Eine Zeitreise in die Jahre nach dem Krieg: Der Meister der literarischen
Reportage über sein Heimatland Polen - und das Verhältnis zu Deutschland.
Es ist der 11. September 1961, Montag. Zwei Frauen fliehen aus einem Altersheim
in Szczytwo, Mutter und Tochter, Augusta und Margot. Sie kaufen zwei Fahrkarten
und fahren mit der Bahn durch die schöne Landschaft der Masuren. Ihr Ziel ist
Taubus, besser gesagt, das ehemalige Taubus, das jetzt Olecko heißt. Zwei
Frauen, grau, erschöpft, entschlossen. Sie wollen ihr Haus am Ringplatz in
Taubus zurück, sagen sie, weil Polen doch jetzt wieder deutsch sei ... Die
Helden in Kapuścińskis Reportagen,
die in Wahrheit immer auch grandiose Erzählungen sind, sind kleine Leute:
Umsiedler, die das Schicksal von einem Ende Polens an das andere geworfen hat,
Menschen auf der Suche nach Arbeit und besseren Löhnen, deutsche Frauen, die
sich nach Kriegsende nicht mehr zurechtfinden. Die große Politik bleibt
ausgesperrt, stattdessen belauscht Kapuściński die
Gespräche und findet die Geschichten, in denen die Wirklichkeit jener Zeit -
der 1950er- und 1960er-Jahre in Polen - unvergleichlich aufscheint. (Eichborn)
Buch
bei amazon.de bestellen
"Die Erde ist ein gewalttätiges Paradies. Reportagen, Essays, Interviews aus vierzig Jahren"
Seit Jahrzehnten reist Ryszard Kapuściński
um die
Welt, wohl nur Wenige haben so
viel von ihr gesehen wie der sagenumwobene Schriftsteller aus Polen, und auch
sein Werk ist ein weitläufiger literarischer Kontinent.
Kapuscinski schrieb große Reportagen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und
Europa, eine umfassende Studie über Glanz und Zerfall des sowjetischen
Imperiums, ein packendes Buch über die Mechanismen des Bürgerkriegs, ein
großes Panorama Afrikas. Seine Werke sind zeitlose Studien der Macht und
literarische Meisterwerke gleichermaßen. Daneben stehen weitere Bücher, z. T.
im deutschen Sprachraum noch unveröffentlichte Reportagen, Essays, Gedichte,
Maximen und Reflexionen.
Frank Berberich hat diesen literarischen Kontinent in seiner ganzen Tiefe
erschlossen, quer durch alle Genres und Erdteile. In seiner umfassenden und
klugen Auswahl bietet er neben den berühmtesten Texten auch eine Reihe
brillanter Stücke aus den Nebenwerken. Ein Interview, in dem Kapuściński
über
sein eigenes Schreiben Auskunft gibt, sowie in Deutschland noch unbekannte Texte
und Fotografien Kapuścińskis runden den Band ab.
Buch
bei amazon.de bestellen
"Die Welt im Notizbuch"
Für Ryszard Kapuściński sind Kontinente gleich fremd und gleich nah. Afrika,
Asien, Europa, Lateinamerika es gibt kaum eine Weltgegend, in der Ryszard Kapuściński
nicht persönlich war. Und anders als seine westlichen Kollegen trat
der polnische Reporter in Drittweltländern nicht als Privilegierter auf,
sondern mischte sich gewissermaßen als einer von ihnen unters Volk. Das
verschaffte ihm einzigartige Möglichkeiten und einen einzigartigen Blick auf
die Welt.
Auch die rasanten globalen Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus
sieht er ganz anders als ein Westler oder einer, der seine östliche Heimat kaum
verlassen hat.
Aus Gedankensplittern, Reportagen, Fragmenten und Essays vieler Jahre formt sich
eine Welt, die wir zu kennen meinen - die wir so aber noch nie gesehen haben.
Buch
bei amazon.de bestellen
Noch ein Buchtipp:
Ilija Trojanow: "Die Welt des Ryszard Kapuściński .
Ausgewählte Geschichten und Reportagen"
"Mehr noch als ein großer Reisender und Reporter war Ryszard Kapuściński
ein außergewöhnlicher Erzähler, seine Geschichten bieten nicht nur Fakten,
sondern destillieren sie zu einer höheren Wahrheit." Ilija Trojanow
Schon früh war
Ilija Trojanow von Ryszard Kapuściński fasziniert,
seine Bücher verschlang er, lange war ihm der große Pole Leitstern und Idol -
jetzt, nach dem Tod des großen Autors, zeigt er der Leserschaft "seinen"
Ryszard Kapuściński. Aus dem umfangreichen Gesamtwerk des polnischen
Autors, Denkers und "Reporters des Jahrhunderts" hat er seine
Lieblingsstücke ausgewählt und stellt sie - begleitet von eigenen Texten über
Kapuścińskis Welt - vor. Und da gibt es etwas vorzustellen: denn wer
außer Kapuściński hat die Reden von Nasser und Nkrumah mit eigenen
Ohren gehört, Salvador Allende, Idi Amin,
Che Guevara und Patrice Lumumba persönlich
getroffen? Asien, Afrika und Lateinamerika durchstreift und von innen heraus
kennengelernt, den Zerfall des sowjetischen Reichs aus allen Blickwinkeln
beobachtet, 30 Staatsstreiche und Revolutionen selbst miterlebt, dem Tod ins
Auge geblickt und die Entwicklungen der globalisierten Welt weltweit beobachtet?
In "Die Welt des Ryszard Kapuściński" entsteht ein
Gesamtbild von Kapuścińskis Schaffen - es ist die Hommage eines jungen
Weltensammlers an einen Autor, der weltweit eine ganze Generation von
Neugierigen, Reiseschriftstellern, Politikern, Abenteurern und Journalisten prägte.
Buch
bei amazon.de bestellen