Bernd Stöver: "Der Kalte Krieg"
Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947-1991
Präzise
Chronik
Das zentrale Paradoxon des Kalten Krieges war somit die
Vorstellung, sich im totalen Krieg zu befinden, den man aber im
Gegensatz zu bisher bekannten Phasen "totaler Kriegsführung"
nicht mit Aufbietung aller, das heißt auch
militärischer Mittel führen konnte und die Mehrheit
auch nicht führen wollte. (Seite 23)
W. Putins Auftritte in westlichen Hauptstädten und sein Umgang
mit missliebigen Journalistenfragen lassen manchmal an seine sowjetischen
Amtsvorgänger während des Kalten Krieges denken. Aber
wissen wir nur 18 Jahre nach dem Zusammenbruch der sozialistischen
Regime in Ost- und Mitteleuropa und 16 Jahre nach dem
Zerfall der
Sowjetunion überhaupt noch, was Kalter Krieg bedeutet?
Bernd Stöver beleuchtet in seinem gewichtigen, über
500 Seiten starken Buch umfassend die globalen Auswirkungen des Kalten
Krieges während fast eines halben Jahrhunderts: die Wirtschaft
mit ihren gesellschaftlichen Auswirkungen wie dem Bau von Atombunkern
und den auch aus militärpolitischen Überlegungen
propagierten Atomkraftwerken, die Wissenschaft, Kunst und Kultur mit im
Osten umstrittenen Verleihungen von Nobelpreisen, die
instrumentalisierte Religion, die Reise- und
Urlaubsmöglichkeiten, ... Eigentlich war jeder Bereich im
Leben von Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen vom Kalten Krieg
berührt.
Dennoch fiel bei der Lektüre des umfassend angelegten Buches
auf, dass der Potsdamer Professor für Zeitgeschichte fast
ausschließlich westliche Quellen auflistet, sowjetische
Archive und östliche Perspektiven, z.B. aus der
russischsprachigen Literatur der Zeit des Kalten Krieges oder von heute
hat er offensichtlich kaum bzw. nur in Übersetzung verwendet.
Die Kriege in Korea,
Vietnam,
Afghanistan, Angola und die
Auseinandersetzungen um Kuba und Taiwan nehmen als Konfliktzonen der
beiden großen Kontrahenten USA und UdSSR eine wichtige Rolle
ein; abgesehen von der deutsch-deutschen Grenze sucht man allerdings
Mitteleuropa als Kontaktgebiet beider Blöcke vergebens, und
der Sonderfall des neutralen Österreich ist im Buch auf eine
halbe Seite reduziert. Der österreichische Staatsvertrag,
einer der wenigen Fälle von Konsens zwischen den
Supermächten, kommt gar nicht vor.
Insgesamt versucht Bernd Stöver, dieses Zeitalter
möglichst enzyklopädisch wiederzugeben, widmet viel
Raum den Details und fasst sein Wissen in
nüchtern-wissenschaftlichem Stil zusammen. Wer profunde, nicht
zu knappe Information zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
sucht, wird sie in diesem Buch finden.
(Wolfgang Moser; 06/2007)
Bernd
Stöver: "Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen
Zeitalters 1947-1991"
C.H. Beck, 2007. 528 Seiten.
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Bernd Stöver, geboren 1961, ist apl. Professor an der Universität Potsdam und Mitarbeiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Zahlreiche Publikationen vor allem zur deutschen und amerikanischen Geschichte.
Weitere
Buchtipps:
Jörg Friedrich: "Nemesis. Der Westen im Krieg"
Nemesis, die Göttin der strafenden Gerechtigkeit, ist auch
für geschichtliche Vorgänge zuständig. Nach
Jahrhunderten westlicher Unterwerfung des Erdballs schlägt das
Pendel zurück, verschiebt sich die Achse des Weltgeschehens
von den alten Imperien des Westens hin zu den einstigen
Kolonialvölkern Asiens. Jörg Friedrich, bekannt
für unorthodoxe Fragen an die Geschichte, wagt einen neuen,
verstörenden Blick auf die Epoche des Zweiten Weltkriegs und
des nachfolgenden Kalten Krieges, in der die Weichen für die
Gegenwart gestellt wurden.
Nicht der europäische Kriegsschauplatz steht im Fokus von
Friedrichs Betrachtung, sondern die östliche
Hemisphäre, wo Russland, China und Japan, England, Holland und
Frankreich, Indien, Indonesien und die USA zwischen
Boxeraufstand und
Koreakrieg einen Dauerfeldzug um Hegemonie führten. Dort ging
es nicht um Schurken und Befreier, sondern um angemaßte
Fremdherrschaft und die Auflehnung dagegen. Niemand hielt den Westen
für den Heilsbringer. Vielmehr stellt sich aus dieser
Perspektive das Kriegsgeschehen in Europa als blinde
Selbstzerfleischung einer im Niedergang begriffenen Zivilisation dar,
der mit ihren Genoziden und Despotien, ihrem Kolonial- und
Rassendünkel, aber auch mit ihren ausgefeilten
Massenvernichtungstechniken die Kontrolle über sich und den
Rest der Menschheit entgleitet, materiell wie moralisch.
(Propyläen)
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John
Lewis Gaddis: "Der Kalte Krieg. Eine neue Geschichte"
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde bestimmt vom
Kampf zweier politischer Systeme und von der gegenseitigen nuklearen
Bedrohung. Wie kam es dazu? Wo entsprang der ideologisch-politische
Gegensatz zwischen Ost und West? Gaddis erzählt von den
entscheidenden Momenten und Persönlichkeiten, die das
Zeitalter des Kalten Kriegs prägten.
Die Unterdrückung der Satellitenstaaten durch die Sowjetunion,
die Aufstände in der DDR,
in Ungarn und der
Tschechoslowakei,
der Korea-Krieg, die legendäre Begegnung von Kennedy und
Chruschtschow, die Kuba-Krise,
die deutsche Wiedervereinigung - diese
und andere Wegmarken des Kalten Kriegs rückt Gaddis in den
Mittelpunkt seiner Darstellung und entwirft ein umfassendes Bild der
machtpolitischen Interessensphären eines halben Jahrhunderts,
in dem die Welt zweigeteilt war.
Zwar vermieden die beiden Supermächte USA und UdSSR direkte
militärische Auseinandersetzungen, sie trieben aber ein
beispielloses Wettrüsten voran. Mehrmals drohte der
Interessenkonflikt militärisch zu eskalieren.
Gaddis präsentiert neue und überraschende Ergebnisse
seiner jahrelangen Forschung in westlichen und östlichen
Archiven. (Siedler)
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