Freddy Derwahl: "Johannes XXIII. Ein Leben für den Frieden"
Ein schönes Bild eines menschlichen
Menschen
In seinem Buch "Johannes XXIII. Ein Leben für den Frieden"
beschreibt Freddy Derwahl das Leben des Angelo Roncalli, der 1958 zu Papst
Johannes XXIII. wurde.
Angelo Roncalli wurde 25. November 1881
in Sotto il Monte am Rand der Südalpen als Sohn von Bauern geboren. Seine
Kindheit verbrachte er in Armut, wohl auch deshalb, weil aufgrund der großen
Anzahl seiner Geschwister die Kinder am elterlichen Hof das Gesinde ersetzten.
Als er bereits in der Dorfschule dem örtlichen Priester durch sein großes
Interesse an der Kirche und der Geschichte auffiel und dieser begann, ihn durch
Lateinunterricht zu fördern und ihn so zum Priester zu prädestinieren, geschah
dies gegen den Willen des Vaters. Trotz aller Widerstände und wohl auch durch
die Unterstützung seiner Mutter wurde der junge Angelo schon im Alter von 14
Jahren ins Priesterseminar aufgenommen. 1901 leistete er seinen Präsenzdienst
ab. Eine Zeit, an die er sich auch später mit Schrecken erinnerte, vor allem
weil er unter dem Lebenswandel seiner Kameraden litt. 1903 wurde er zum Diakon
geweiht und ein Jahr darauf, nach Abschluss seines Theologiestudiums, zum
Priester.
Er wurde Sekretär des Bischofs von Bergamo, Graf
Radini-Tedeschi, der ihm ein großes Vorbild war. Einerseits, weil er die von
Angelo ein Leben lang gesuchte starke Vaterfigur darstellte und andererseits,
weil er sich trotz seines Amtes als Bischof der Probleme der Arbeiter bewusst
war. So setzte er sich im Jahr 1909 sehr für die von Textilarbeitern gegründete
Gewerkschaft ein und nahm sogar das Kind einer bei einem Streik verhafteten Frau
bei sich im Bischofssitz auf, nachdem er Mutter und Kind im Gefängnis besucht
hatte. Dieses Verständnis für die Probleme einfacher Menschen sollte auch Papst
Johannes XXIII. auszeichnen.
Gleichzeitig zu seinem Amt als
Bischofssekretär unterrichtete Angelo am Priesterseminar in Bergamo. Als Graf
Radini-Tedeschi starb, wurden Angelo von dessen Nachfolger alle Ämter mit
Ausnahme der Professur entzogen.
1915 wurde er in den
Ersten Weltkrieg
eingezogen und leistete seinen Kriegsdienst als Sanitätsunteroffizier. Diese
Zeit, die bestimmt zu den schlimmsten seines Lebens gehörte, erwähnte er auch in
seinen späteren Aufzeichnungen immer wieder. Und aus dieser Zeit stammte sicher
auch seine Überzeugung, dass der Weltfriede und seine Erhaltung zu den
wichtigsten Aufgaben der Menschheit gehören. Die Zeit des Krieges versöhnte
Angelo auch wieder mit seiner Familie, die ihn jetzt, da er nicht mehr der
undurchschaubare Seminarist sondern vielmehr der Priester war, als eine Art
stillen Paten im Hintergrund akzeptierte und schätzte.
1925 wurde Angelo
Roncalli als Apostolischer Visitator nach Bulgarien zwangsversetzt. Eine
Aufgabe, die er nur sehr ungern, ja geradezu widerwillig annahm. In Bulgarien
wurde er vor allem mit den Problemen eines Landes konfrontiert, das nicht nur
durch große Armut sondern vor allem auch durch Missverständnisse zwischen den
einzelnen Religionsgruppen zu einem permanenten Pulverfass geworden war. Doch
diese Aufgabe meisterte er durch sein diplomatisches Feingefühl, das ihn schon
als Student ausgezeichnet hatte, mit Bravour. Der inzwischen zum Erzbischof von
Aeropolis ernannte Roncalli wurde von der katholischen Bevölkerung, mit der er
Gottesdienste oftmals in Holzverschlägen ohne Kerzenlicht feierte, liebevoll
"Diado" ("guter Vater") genannt.
1934 wurde er als Apostolischer Delegat in die Türkei und nach Griechenland
versetzt. Eine undankbare Aufgabe, da sich sowohl die Türkei als auch Griechenland
feindselig gegenüber dem Christentum bzw. der römisch katholischen Kirche verhielten.
Trotzdem bezeichnete er später als Papst gerade diese Jahre als "die glücklichen
Jahre", vor allem deshalb weil er in dieser Zeit auch seelsorgerisch tätig sein
konnte. Während des Zweiten Weltkriegs leistete er auch in beiden Ländern caritative
Hilfe.
Die nächste Aufgabe, der er sich stellen musste, war eine nicht
minder schwere. Er wurde als Apostolischer Nuntius nach Frankreich berufen, wo
De Gaulle die Demissionierung von fast der Hälfte der katholischen Priester
forderte. Durch geschicktes und vor allem diplomatisches Verhalten und durch
Lösungen, die von einem großen Verständnis für ein Volk zeugten, dem der Zweite
Weltkrieg noch in den Knochen steckte, löste er die meisten Probleme, die sich
ihm in Frankreich stellten. Und es sollten später unter anderem auch
französische Kardinäle sein, die seine Wahl zu Papst unterstützten.
1953
wurde Angelo Roncalli zum Kardinal, und nur zwei Tage später zum Patriarchen von
Venedig
ernannt.
Als 1958 Papst Pius der XXII. starb, suchte die Kurie nach der
langen und oftmals fast als Schreckensherrschaft bezeichneten Zeit einen
Übergangspapst, der nicht viel ändern aber auch nicht viel bewirken würde, und
der aufgrund seines Alters nicht lange Papst sein würde. Und so wurde Angelo
Roncalli zum Papst gewählt. Als dieser nahm er den Namen Johannes an, der der
Name seines Vaters und seiner Taufkirche gewesen war. Johannes XXIII. war der
letzte Papst, der noch in einer prunkvollen Zeremonie gekrönt wurde.
Doch
die Kardinäle, welche ihn zu einem Übergangspapst ohne Wirkung hatten machen
wollen, sollten sich geirrt haben. Johannes XXIII. wurde in einer Zeit des
Kalten Krieges und des weltweiten atomaren Wettrüstens zu einem Papst des
Friedens, der aber gleichzeitig die größte Veränderung der katholischen Kirche
im 20. Jahrhundert bewirkte. In seine Zeit als Papst fiel das Zweite
Vatikanische Konzil. Er erließ die Enzyklika "Ad Petri Cathedram", die als eine
Einladung für alle - auch für Nichtchristen - verstanden werden kann, die
Enzyklika "Mater et Magistra", welche die Soziallehre der katholischen Kirche
ausführt und sechs weitere Enzykliken.
Die bedeutendste ist aber sicher
die Enzyklika "Pacem in Terris", die auch als Friedensenzyklika bezeichnet wird.
Es ist die erste Enzyklika, die von einem Papst nicht nur an alle Katholiken,
sondern an alle Menschen guten Willens adressiert wurde. In ihr fordert Johannes
XXIII., dass sich alle Menschen für einen dauerhaften und weltweiten Frieden
einzusetzen hätten. Sein großes Engagement für den Frieden zeigte sich auch in
der doch sehr bedeutenden Rolle, die er während der Kubakrise spielte, für deren
glimpflichen Ausgang er mitverantwortlich war. Durch seine hohe, allseits
bekannte Integrität genoss er auch bei Chruschtschow hohes Ansehen. Die
Verhandlungen mit Kennedy erleichterte ihm die Tatsache, dass dieser Katholik
war.
Durch all diese Maßnahmen wurde Johannes XXIII. weltweit populär und
war auch bei Nichtkatholiken sehr beliebt. Als 1963 bekannt wurde, dass der
Papst schwer erkrankt sei, kamen Genesungswünsche aus aller Welt und von
Menschen aller Konfessionen, ja sogar von solchen ohne Konfession. So schrieb
ein Atheist: "So weit ich beten kann, bete ich." Ein hinduistischer Mönch teilte
mit: "Gott erwartet Sie mit offenen Armen." Zehntausende beteten allein am
Petersplatz und blickten zum verschlossenen Fenster des Papstes. Überall auf der
Welt wurden Gottesdienste abgehalten. Von Protestanten ebenso wie von
Katholiken. Als Johannes XXIII. am 3. Juni 1963 starb, trauerten Menschen
überall auf der Welt um einen Mann, der durch seinen unermüdlichen Einsatz für
den Weltfrieden und das Wohl aller nur mit Mutter Teresa verglichen werden
kann.
Freddy Derwahl ist es gelungen, in seinem Buch "Johannes XXIII. Ein
Leben für den Frieden" das Bild eines ganz besonderen Menschen zu zeichnen, ohne
diesen dabei zu verkitschen. Dadurch, dass er dem Leser immer wieder Einblicke
in das Leben des Angelo Roncalli aus dessen persönlicher Sicht gewährt, ist es
möglich, den Menschen hinter der Figur des Papstes zu erkennen. Der Autor zeigt
nicht nur die schönen, sowieso schon bekannten Seiten von Johannes XXIII.,
sondern stellt dem Leser auch einen relativ unbekannten Angelo Roncalli vor, der
über seinen Büchern einschlief, während seine Geschwister am Feld arbeiten
mussten, und der lange Zeit davon überzeugt war, alles zu wissen und alles
besser machen zu können.
Einziges Manko an Freddy Derwahls Art zu
erzählen: Durch die vielen Figuren, die im Leben von Angelo Roncalli eine Rolle
spielten und die namentlich erwähnt werden, fällt es dem Leser manchmal schwer,
den Überblick zu behalten.
Dies wird aber durch die spannende Geschichte, die
Freddy Derwahl erzählt, wieder wettgemacht. Denn oftmals ist es gar nicht so
wichtig genau zu wissen, wer wer ist, es ist einfach nur schön über einen
Menschen zu lesen, der in seiner Amtszeit Menschlichkeit und Mut zur Offenheit
in der katholischen Kirche regieren ließ; über einen der größten Reformer des
zwanzigsten Jahrhunderts, der von sich selbst sagte:
"Ich bin kein bedeutender Papst
wie
mein Vorgänger,
ich bin kein schöner Papst
- seht nur meine Ohren an
-,
aber ihr werdet es gut
bei mir haben."
(Anna Mehlmann; 03/2004)
Freddy Derwahl: "Johannes
XXIII."
Pattloch, 2004. 240 Seiten.
ISBN 3-629-02100-X.
ca. EUR
16,90.
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Ergänzende Buchtipps:
Giuseppe Alberigo: "Johannes
XXIII"
Leben und Wirken des Konzilspapstes
Giuseppe Alberigo gilt
weltweit als einer der führenden kirchengeschichtlichen Experten für die Epoche
des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Pontifikates von Johannes XXIII. Von
der Kindheit über seine Zeit als Patriarch von Venedig und im diplomatischen
Dienst der Kirche in der Türkei, in Bulgarien und in Frankreich bis zu seinem
kurzen, aber für die Kirche so entscheidenden Pontifikat zeichnet Alberigo den
Lebensweg Roncallis nach. Er kann sich dabei auf Quellen stützen, die lange Zeit
nicht erschlossen waren. Historisch zuverlässig, vermittelt Alberigo ein
lebendiges Bild von der Persönlichkeit und der Rolle Roncallis als einer der
herausragendsten Gestalten des 20. Jahrhunderts. Eine andere starke Seite des
Pontifikates von Papst Johannes ist der Friede. Das Problembewusstsein dafür war
langsam herangereift in Roncalli mit seiner tiefgründenden und immerwährenden
Hochachtung vor dem gewöhnlichen Menschen, in der Wahrnehmung, dass das
Gleichgewicht des Schreckens vor der Atombombe nur ein Vorspiel sein könne für
die Zerstörung des Kosmos, wie es die jüngste Kubakrise allen vor Augen geführt
hatte. Das hatte den Papst dazu bewegt, sich während der kurzen Zeitspanne
seiner Regentschaft systematisch mit der Friedensproblematik zu befassen. Das
geistliche Tagebuch bleibt ganz stumm hinsichtlich dieses Themas, und zwar so
sehr, dass es scheint, als hätten die Probleme des Friedens bis zum 15. August
1961 die Aufmerksamkeit des Papstes nicht besonders in Anspruch genommen. Aber
genau in der zweiten Hälfte des Jahres ändert sich etwas daran. Ein
unmissverständliches Symptom dafür bleibt die Initiative von Nikita
Chruschtschow, der dem Papst am 25. November aus Anlass von dessen 80.
Geburtstag ein Telegramm mit guten Wünschen schickte, ein Vorgang, der lebhafte
Gefühle weckte und als Sensation empfunden wurde. In Moskau war man sich dessen
bewusst geworden, dass Papst Johannes XXIII. im Begriff war, ein erstrangiger
Gesprächspartner für die Bemühungen um die Beendung des Kalten Krieges zu
werden, der bedeutete, dass die Welt immer hart an der Schwelle zu einer
allgemeinen militärischen Reaktion stand. Was war eigentlich geschehen, um den
Papst anzufeuern, diesem Thema eine solch aktive Aufmerksamkeit zu
schenken?
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Giuseppe Alberigo
(Hrsg.): "Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959-1965) - Band I"
Die katholische Kirche auf dem Weg in ein
neues Zeitalter
Die Ankündigung und Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Januar 1959
- Oktober 1962)
Das Zweite Vatikanische Konzil war ohne Zweifel das epochemachende Ereignis
der Kirchengeschichte im 20. Jahrhundert. Eine Generation später hat es ein
hochkarätiges internationales und ökumenischen Team von Fachleuten unternommen,
dieses historische Ereignis umfassend aufzuarbeiten. Von den insgesamt fünf
Bänden, die auch in englisch, französisch, spanisch, portugiesisch und italienisch
erscheinen, ist dieses der erste Band in deutscher Sprache. Er rekonstruiert
die Vorgeschichte des Konzils von der Ankündigung durch Papst Johannes XXIII.
bis unmittelbar vor der Konzilseröffnung.
Das Konzil besteht nicht aus einer Summe von Texten. Dazu hätte es - so hat
es seinerzeit bereits Johannes XXIII. formuliert - keines Konzils bedurft! Es
geht vielmehr um ein komplexes, vielschichtiges Ereignis, das den Katholizismus
nachhaltig verändert hat. Die AutorInnen greifen daher nicht nur auf offizielle
Quellen wie das vatikanische Konzilsarchiv zurück, sondern ebenso auf inoffizielle,
individuelle und kollektive Zeugnisse, auf die mündlichen Berichte von Zeitzeugen.
Bislang unbekannte Aspekte der Geschichte der Konzilsvorbereitung werden dadurch
zutage gefördert und führen zu neuen historischen Bewertungen: So schreibt der
Herausgeber in seinem Vorwort: Wir sind stolz darauf, ein weitgehend neues Verständnis
der Geschichte des Katholizismus im Vorfeld des Konzils zu eröffnen, neu selbst
für diejenigen, die am Konzil teilgenommen haben... Wir haben es für absolut
notwendig erachtet, den LeserInnen nicht nur soviel Informationen wie möglich
zu bieten, sondern es ihnen zu ermöglichen, den Gang der Konzilsvorbereitungen
mit all ihren verschlungenen Wegen und Widersprüchen "von ihrer Innenseite"
und aus nächster Nähe mitzuvollziehen.
Ein unbedingtes "Muss" für alle KirchenhistorikerInnen und DogmatikerInnen!.
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Giuseppe Alberigo (Hrsg.):
"Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959-1965) - Band
II"
Das Konzil auf dem Weg zu sich
selbst
Erste Sitzungsperiode und Intersessio (Oktober 1962-September
1963)
Der zweite Band der fünfbändigen, in mehreren Sprachen erscheinenden Geschichte
des Zweiten Vatikanischen Konzils behandelt den dramatischen Beginn. Die Zurückweisung
der vorbereitenden Schemata durch die Konzilsväter stellte ohne Zweifel die
entscheidende Weichenstellung dar, ohne die nicht nur das Konzil, sondern wohl
auch die Geschichte der katholischen Kirche insgesamt anders verlaufen wäre.
Die Rolle der Hauptprotagonisten dieser entscheidenden Phase - die Kardinäle
Siri, Ottaviani, Montini, Bea, Suenens, der einflussreichen Konzilstheologen
Congar, Lubac, Schillebeckx u. a. - wird sorgfältig recherchiert und beleuchtet.
Die zentrale Gestalt des Konzilsbeginns aber ist Papst Johannes XXIII. selbst.
Buch bestellen
Giuseppe Alberigo (Hrsg.):
"Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959-1965) - Band
III"
Das mündige Konzil
Zweite
Sitzungsperiode und Intersessio (September 1963-September 1964)
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