Jacob Allerhand: "Jiddisch"
Ein Lehr- und Lesebuch
Jiddisch ist die Sprache, die die
um 800 n. Chr. aus Italien und Frankreich in deutsche Lande eingewanderten Juden
entwickelten, und die seither die vorherrschende Sprache der Aschkenasim, der
Juden Osteuropas war. Zunächst bildete sich ein Mittelhochdeutsch mit
deutlichen kreativen Zügen (Ironie und dergleichen) unter Beibehaltung mancher
hebräischer und auch aramäischer Wörter, vor allem im sakralen Bereich und überhaupt
zu Zwecken der Geheimhaltung, heraus. Als man dann Mitte des Vierzehnten
Jahrhunderts auch in Deutschland Sündenböcke suchte und Juden fand, wanderten
viele von ihnen nach Osten - Böhmen, Polen und weiter, wodurch ihre
Sprache noch um etliche Slawizismen bereichert wurde und sich, nunmehr
getrennt vom deutschen Siedlungsgebiet, zu einer eigenen Sprache
weiterentwickelte. Geschrieben wurde Jiddisch zunächst nur in hebräischen, später
dann auch lateinischen (und wahrscheinlich auch kyrillischen) Lettern.
Der Holocaust bedeutete auch für das Jiddische eine Katastrofe - es ist aus
vielen ehemaligen Sprachgebieten seitdem verschwunden; wäre die Geschichte
anders gelaufen, als sie gelaufen ist, wäre Jiddisch heute vielleicht die
Staatssprache Israels. Doch obwohl viele Millionen Menschen jiddischer
Muttersprache also im Zuge der NS-Gräuel ihr Leben verloren, ist Jiddisch auch
heute noch eine lebende und erst recht lebendige Sprache.
Erst im November 2000 - weist uns das Buch hin - trafen sich im Europarat
Intellektuelle, Künstler und Politiker aus Europa, Israel, Nord- und Südamerika,
um über Stellung und Perspektiven der jiddischen Sprache in Gesellschaft und
Kultur zu diskutieren, auf Jiddisch.
Das Buch bietet eine umfassende Geschichte der jiddischen Sprache in allen ihren
Haupt- und Seitenzweigen, dadurch indirekt auch eine Geschichte des
Ostjudentums. Es erwähnt früheste jiddische Schriftzeugnisse (zum Beispiel des
bekannten mittelalterlichen Dichters Süßkind von Trimberg), behandelt den Wert
der eigenen Sprache für die ostjüdische Ghettokultur und den
Chassidismus
und ihren schlechten Ruf bei manchen Juden, die mit ihren Leuten lieber hebräisch
oder aus Assimilierungsbedürfnis (z.B.
Moses
Mendelsohn) die Sprache des jeweiligen Gastgeberlandes gesprochen hätten,
ehe sich schließlich durch die schriftstellerischen Leistungen großer Künstler
und Gelehrter wie Mendele Mojcher Sforim, Scholem Rabinovicz alias Scholem
Alechem, Jehuda Perec und Scholem Asch Jiddisch auch als anerkannte
Schriftsprache weithin durchsetzte.
Darüberhinaus finden sich für ein zweites
Einlesen ins Jiddische eine
umfangreiche Bibliografie, sowie für ein erstes etliche
Texte
(etwa von den oben erwähnten Scholems), zu deren erfolgreicher Entschlüsselung
ein kurzes Wörterbuch vor allem hebräischstämmiger Wörter (für die
deutschstämmigen sollten wenige Lautverschiebungen und ein bisschen Einfühlungsvermögen
ausreichen) und, da die Texte in hebräischen Buchstaben niedergeschrieben sind,
das hebräische Alfabet, auch alefbejss geheißen.
(stro; 02/2002)
Jacob Allerhand: "Jiddisch - Ein Lehr-
und Lesebuch"
Mandelbaum Verlag, 2002.
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