Tommy Jaud: "Vollidiot"
Ich drücke auf "Simon Peters", als ich vor den Klingeln meines Apartmentblocks stehe. Ich klingle zwei Mal, drei Mal, doch es ist keiner da. Enttäuscht gehe ich weiter und überlege, was ich solange machen soll, bis ich zurück bin. Nach ein paar Metern bleibe ich stehen und halte die Luft an. ICH bin Simon Peters. ...
(Auszug aus "Vollidiot")
Der ganz normale
Wahnsinn
Simon Peters, Kundenberater im T-Punkt, ist manchmal etwas durch den Wind. Er
ist auf der Suche nach einer Frau. Am liebsten hätte er ein Rendezvous mit Marcia,
der scharfen Bedienung aus einem Café. Aber die ist eine Nummer zu groß für
ihn. Ist sie das wirklich? Eines Tages gelingt es ihm, nach eingehender taktischer
Planung durch seine Beraterin Paula (Freundin aus der Schulzeit), sie zu einem
Konzert der Fantastischen Vier einzuladen. Bereits die Vorbereitungen auf das
Konzert verlaufen chaotisch. Wen wundert es da noch, dass er Ärger mit zwei
Muskelmännern bekommt, die Marcia anbaggern wollen.
Tommy Jaud beschreibt in seinem Roman "Vollidiot" einen kurzen
Lebensabschnitt aus dem Leben des neunundzwanzigjährigen Simon Peters. Die
Beschreibungen beginnen an einem Oktobersamstag im Möbelhaus Ikea und enden am
14. Dezember, seinem fast verpennten dreißigsten Geburtstag. Wer auch nur einen
Bruchteil von dem erlebt, was dem Protagonisten zwischenzeitlich widerfährt, hat
ein aufregendes Leben.
Die Abende verbringt Single Simon zusammen mit den
Männerfreunden Phil oder Flik in Pubs und Bars. Sie quatschen sich gegenseitig
zu und besaufen sich. Simons platte Anmachersprüche fruchten nicht bei den
Frauen und er weiß nicht warum. Er ist wohl schon zu lange Single. Ein
Kurzurlaub in einem Ferienclub wird ein Reinfall - er vermasselt ein Rendezvous.
Durch seine Putzfrau lernt er Dörte kennen, aber diese Frau ist nicht sein Fall
("... läuft definitiv auf einem komplett anderen Betriebssystem.").
Bei Simon läuft einiges schief. So meldet er sich versehentlich in einem
Fitnessstudio für Schwule an, wo er Kraftmensch Popeye, die halslose
Killerschwuchtel kennen lernt. Im T-Punkt verkauft er einem achtjährigen Jungen
einen Handyvertrag, den er auf Weisung seiner Chefin, der Eule, rückgängig
machen soll. Besondere Aufgaben erfordern besondere Lösungen und so bricht er in
das Elternhaus des Jungen ein und besorgt sich Handy und Vertrag - nicht ohne
den bezahlten Euro zu erstatten. Um Fliks neue Freundin Daniela kennen zu
lernen, besucht er unter falschem Namen einen Spanischkurs. Angetan von seinem
coolen Auftreten, verliebt sich Daniela in ihn. Das war nicht eingeplant, wo er
doch auf Marcia scharf ist.
Die Dramatik steigt, als er Probleme mit
seiner Bank, dem Energieversorger, der Polizei und seinem Arbeitgeber bekommt.
Er bleibt unbeeindruckt und lässt seinen Geburtstag feiern, zu dem er
unabsichtlich per SMS alle seine Bekannten eingeladen hat. Selbst der
Außendienstmitarbeiter des Energieversorgers, der seinen Strom abstellen wollte,
taucht auf und gratuliert ihm. Die Geschichte endet würdig. Simon glaubt, die
Wurzeln allen Unglücks erkannt zu haben und schreitet zur Tat - die Komik
erreicht ihren Höhepunkt.
Es ist die typische Sichtweise der Männer, die
in diesem Roman parodiert wird. Jaud überzeugt durch Sprachwitz, der sich durch
den gesamten Roman zieht. Wer nach der ersten Hälfte der Geschichte glaubt, es
könne nicht mehr toller kommen, wird eines Besseren belehrt. Klamauk ist endlos
steigerungsfähig, so scheint es. Da "Vollidiot" Jauds Debütroman ist, darf man
gespannt auf seinen nächsten Roman sein. Vielleicht arbeitet Jaud in einer
Fortsetzung heraus, ob Simon ein unverbesserlicher Loser ist oder vielleicht
doch ein Lebenskünstler - wie der Protagonist in Wilhelm Genazinos "Ein
Regenschirm für diesen Tag".
Tommy Jaud, Jahrgang 1970, lebt als
freier Autor in Köln. Er schreibt und entwickelt Comedy-Formate. Einen Namen hat
er sich gemacht als Headwriter für die "Sat1-Wochenshow" und als Creative
Producer von "Ladykracher".
(Klemens Taplan; 07/2004)
Tommy Jaud: "Vollidiot"
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Weitere Bücher des Autors:
"Resturlaub"
Seine Eltern wollen, dass er endlich ein Haus baut.
Seine Freundin will endlich
ein Kind.
Und seine Freunde wollen zum elften Mal nach
Mallorca.
Doch Pitschi Greulich hat einen ganz anderen Plan.
An Bord des Iberia-Fluges 8743
nach Buenos Aires träumt Pitschi von einem
Neuanfang am anderen Ende der Welt. Doch statt der großen Freiheit wartet eine
bizarre Kette von Missgeschicken und tragisch-komischen Unglücksfällen auf den
Provinzflüchtling. Das hat er nun auf und davon ...
Eine ziemlich komische Geschichte über einen 37-jährigen Brauerei-Manager, der
ausgerechnet am Ende der Welt das sucht, was er zu Hause längst hatte. (Argon)
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"Millionär"
"Ein Drittel der Menschheit ist bekloppt. Manchmal ist es auch die Hälfte,
das hängt vom Wetter ab. Unsinn? Vielleicht erklärt mir dann ja mal jemand,
warum fast alle Fußgänger bei den ersten Regentropfen sofort ein unfassbar
blödes Gesicht machen und die Schultern hochziehen. Glauben sie im Ernst, sie
würden durch eine dämliche Grimasse auch nur einen einzigen Tropfen weniger
Regen abkriegen? Das ist eine rhetorische Frage mit einer sehr, sehr traurigen
Antwort: Sie glauben es."
Simon nörgelt, Simon nervt - aber Simon verbessert die Welt. Glaubt er.
Außerdem braucht der inzwischen arbeitslose Vollidiot 1 Million Euro, um eine
nervtötende Nachbarin loszuwerden. In seiner Not entwickelt Simon eine derart
abgefahrene Geschäftsidee, dass die Chancen hierfür gar nicht so schlecht
stehen ... (Scherz)
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