Christian Jacq: "Das Geheimnis der Götter. Osiris"


Dies ist der vierte und damit letzte Band der vierteiligen Ägypten-Saga "Osiris", geschrieben vom bekannten französischen Buchautor und Ägyptologen Christian Jacq.

Auch in diesem vierten Teil ist vieles reine Fantasie, eingebettet in eine historische Hintergrundkulisse aus dem alten Ägypten, dessen wahre Geschichte aber noch bis heute einiges an faszinierenden Mythen und Mysterien aufzuweisen hat, was gerade in dieser Ägypten-Saga mitunter im Vordergrund steht.
Viele Figuren, die im Roman vorkommen, sind frei erfunden, doch einige gab es einst wirklich; so z.B. den mächtigen König Sesostris, der zur Zeit des Mittleren Reiches (12. Dynastie) über das Land Ägypten herrschte und in "Das Geheimnis der Götter. Osiris" eine wichtige Rolle spielt.

Noch immer bedrohen dunkle Mächte das Land Ägypten - Maat, die Weltenordnung, soll endgültig zerstört werden, so will es der so genannte Prophet. Dieser hat nicht nur außerordentliche Fähigkeiten sowie magische Kräfte im Zeichen des Bösen, sondern auch eine ganze Heerschar an Verbündeten und Anhängern um sich geschart oder in feindlichen Gebieten versteckt, in Form eines Netzwerks. All seine Untergebenen haben seinen neu verkündeten Glauben angenommen. Ein Glaube, der vom Propheten als "wahrer Glaube" bezeichnet wird und alles, was Ägypten an uralten Ritualen und Glaubensvorstellungen zu bieten hat, als falsch deklariert. Und somit auch die sich immer wiederholende Auferstehung des Osiris, des großen Gottes des Jenseits' und des ewigen Lebens. Bereits in der Vorgeschichte (Bände 1 bis 3) hat der Prophet einiges dafür getan, dass der Baum des Lebens, welcher für Osiris' Auferstehung steht, dem Verfall preisgegeben wird und somit Ägypten dem drohenden Untergang geweiht ist.

Doch wie in wohl jeder dramatischen Situation gibt es einen Retter bzw. einen Helden. In dieser Geschichte ist es der junge Schreiber Iker, mittlerweile Königlicher Sohn und Einziger Freund des Königs. Er und seine frisch angetraute Frau Isis, die Oberpriesterin von Abydos - der Ort, an dem Osiris wirkt - setzen alles daran, den Propheten aufzuspüren. Doch dies gestaltet sich alles Andere als einfach. Jene finstere Gestalt ist bereits im religiösen Zentrum Ägyptens, Abydos, eingetroffen. Unbemerkt eingeschlichen, um die Mysterien des Osiriskults zu entweihen und um das Unantastbare zu zerstören. Leider gelingt ihm dies bald darauf, und außerdem tötet er auch noch Iker, der eigentlich Ägypten retten sollte. Trotzdem ist es noch nicht zu spät - schließlich war für die Ägypter der Tod nur bedingt ein unüberwindbares Schicksal.
Nicht nur Abydos ist nun geschwächt, auch die Hauptstadt Memphis, wo der König residiert. Dieser macht sich auf den Weg, Isis bei ihrer Rettungsaktion zu helfen, die für sie zunächst darin besteht, sämtliche Reliquien (Körperteile) des Osiris in den Provinzen Ägyptens zusammenzutragen. Isis, mit wundersamen Zauberkräften ausgestattet, könnte die zerstörte Mumie des Osiris retten und damit Ikers Leben. Der Prophet ist alsbald informiert über diese Rettungsmaßnahmen, die Iker zur Wiederbelebung verhelfen sollen, und schmiedet schon bald einen neuen teuflischen Plan. Doch seine Tage sind gezählt, denn eine Vielzahl seiner Anhänger kam derweil ums Leben. Das ganze Netzwerk wurde von Ägyptens Sicherheitskräften enttarnt.
Sollte es der Priesterin Isis doch noch gelingen, ihren geliebten Mann Iker ins irdische Dasein zurückzuholen? Und sollte es auch gelingen, den Propheten zu vernichten?

Dies erfährt der Leser natürlich im Schlussteil dieses Romans. Und ist somit nicht nur um einige geschichtliche Ereignisse bewanderter, sondern quasi eingeweiht in die Mysterien des Osiris, die allerdings vom Autor sicherlich nicht authentisch wiedergegeben, sondern nach seiner eigenen Fassung mehr oder weniger interpretiert wurden - so scheint es jedenfalls. Denn die Mysterien des Osiris gehören doch bis heute zu den faszinierenden Geheimnissen Ägyptens, wo selbst nur wenige Priester darin eingeweiht waren.

Um diesen vierten Band der Saga noch besser zu verstehen ist es wohl unverzichtbar, auch die Bände 1 bis 3 gelesen zu haben; da eine Saga letztlich vom Gesamten lebt. Obwohl sich die Kernsituation, nämlich die Bedrohung Ägyptens in Form von finsteren Mächten, personifiziert im Propheten, durch jeden Band wie ein roter Faden hindurchzieht, kann der Leser jedem Band Neues abgewinnen. Jacq ist ja auch bekannt dafür, spannende Handlungsabläufe eingebettet in fundiertem geschichtlichen Rahmen aus Bereichen der Gesellschaft, Religion oder Politik, mit einer gewissen Portion an Fantasie, so zusammenzufügen, dass ein stimmiges Ganzes entsteht sowie Spirituelles nicht zu kurz kommt.

Auffallend in der Saga ist der Bezug zur Gegenwart; schon in den Bänden 2 und 3 fällt dies auf, denn es werden die bösen Mächte (Prophet und Anhänger), die die damalige Weltmacht Ägypten in dieser Geschichte immer wieder bedrohen, so dargestellt, dass man unschwer eine Parallele zum heutigen Wirken terroristischer Gruppen erkennen kann. In Band 4 wird dies noch deutlicher, wobei auch all die Glaubensgrundsätze des Propheten stets betont werden, so z.B.: Unterwerfung der Frau dem Mann, die Vielfrauenehe, Steinigung als Strafe, es gibt nur einen Gott, Verzicht auf sinnliche Genüsse, u.a.
Ebenso liegt die Betonung immer wieder auf dem Begriff "die Ungläubigen", und damit sind im Roman die Ägypter gemeint.

Besinnt sich der Leser allerdings auf das Nachwort Christian Jacqs, so lässt dieses vermuten, dass es dem Autor in erster Linie nicht um heutige Konflikte politisch-religiöser Art geht, sondern vielmehr darum, wie wir heutzutage mit dem Tod umgehen, da wir diesen im Gegensatz zu den alten Ägyptern verschleiern. Und er wirft unserer Zivilisation vor, dass diese in Sachen Spiritualität die Botschaft ihrer Mutter, des Ägyptens der Pharaonen, vergessen hat?! "Die alten Ägypter glaubten nicht an Gott, vielmehr lebten und erfuhren sie ihn", so Jacq. Und er hat wohl recht, wie sonst hätte ein Volk so vertraut sein können mit dem Mysterium, das den irdischen Tod umgibt. Es zeichnet das alte Ägypten schon seit jeher aus, wie für die Ägypter das Leben nach dem Tode aussah, und die Mysterien des Osiris waren über Jahrhunderte hinweg wesentlicher Bestandteil.

Kennt man die altägyptischen Mythen, so weiß man um die sagenhafte Legende oder auch der Lehre von Tod und Auferstehung, die durch Isis und Osiris (der Sage nach einst menschliche Wesen) symbolisiert wird; jene, die den Tod besiegten. Dabei ging Osiris als "Erster der Westlichen" ins Reich der Ewigen ein, indem Isis ihn zuvor mumifizierte und wiederbelebte.
Die Idee der Wiederauferstehung war schon im vorchristlichen Zeitalter vorhanden und Inspirationsquelle zur christlichen Wiederauferstehung.

Auch wenn der Roman vieles an Erfundenem beinhaltet, so ist es gerade dies, das mitunter die Brücke zwischen dem Realen und den Mysterien schlägt, denn man darf hierbei die Grenzen beim Lesen nicht so scharf ziehen. Insgesamt spürt der Leser während der Lektüre des Romans das Faible des Autors für diese Mysterien. Christian Jacq entlässt die Leserschaft seiner fulminanten Saga keineswegs mit vielen Fragen dazu, sondern gibt Antworten und Denkanstöße im Nachwort mit auf den Weg. Das Buch käme ohne all dies ansonsten doch etwas flach daher.
Was vielleicht für den einen oder anderen Leser ziemlich komplex rüberkommt, sind die Beschreibungen und Interpretationen der Wiederbelebungsrituale, die sich über viele Seiten hinziehen. Stellenweise schwer nachvollziehbar und langatmig. Es wirkt vielmehr wie ein Versuch, eine derart mystische Angelegenheit zu beschreiben ...

Die Zielgruppe für diese Saga stelle ich mir sehr gemischt vor, da etliche Bereiche umfassend angesprochen werden: Religiöses in Form der Mysterien und Rituale kommt den Tiefsinnigen zugute; Bedrohliches in Form des Propheten und dessen Anhänger finden bei jenen, die Spannung mögen, Anklang; Romantisches, wie die Liebe zwischen Isis und Iker, erfreut die Harmoniesüchtigen; Kulturgeschichtliches lässt die Ägyptenfans nicht unberührt ...

Fazit: Von Vorteil für "Das Geheimnis der Götter. Osiris"  ist meiner Ansicht nach das Interesse an den Mysterien, denn in keinem Band wird soviel davon erzählt wie in diesem.

(Anja Semling; 10/2006)


Christian Jacq: "Das Geheimnis der Götter. Osiris"
(Originaltitel "Les Mystères d'Osiris Vol. 4: Le Grand Secret")
Aus dem Französischen von Anja Lazarowicz.
Limes, 2006. 480 Seiten.
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Die übrigen Bücher dieser Romanreihe:

"Der Baum des Lebens. Osiris"

Teil 1. Ägypten im zweiten Jahrtausend vor Christus: Ein Junge wird entführt, ein Schiff versinkt vor dem sagenhaften Land Punt, und ein unheimlicher Prophet taucht auf, der auf grausame Weise mordet. Zum Entsetzen von Pharao Sesostris beginnt auch noch die Akazie abzusterben, die auf dem Grab von Osiris gewachsen ist. Der Pharao weiß: Wenn dieser Lebensbaum stirbt, ist ganz Ägypten verloren!
Gelingt es Sesostris III. mit Hilfe des geheimnisvollen jungen Schreibers Iker und der betörend schönen Priesterin Isis, einen Verräter am eigenen Hof rechtzeitig zu entdecken und sein Reich zu retten? Oder kann der skrupellose Prophet seine entsetzlichen Pläne verwirklichen und Ägypten vernichten? (Limes)
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"Die Verschwörung des Bösen. Osiris"
Teil 2. Alle Anstrengungen von Pharao Sesostris III., sein Reich zu retten, scheinen zum Scheitern verurteilt. (Limes)
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"Der Weg des Feuers. Osiris"

Teil 3. Ägypten im zweiten Jahrtausend vor Christus: Ein Junge wird entführt, ein Schiff versinkt vor dem sagenhaften Land Punt, und ein unheimlicher Prophet taucht auf, der grausame Weise mordet. Zum Entsetzen von Pharao Sesostris beginnt auch noch die Akazie zu verdorren, die auf dem Grab von Osiris gewachsen ist. Der Pharao weiß: Wenn dieser Lebensbaum stirbt, ist ganz Ägypten verloren!
Gelingt es Sesostris mit Hilfe des geheimnisvollen jungen Schreibers Iker und der betörend schönen Priesterin Isis, einen Verräter am eigenen Hof rechtzeitig zu entdecken und sein Reich zu retten? Oder kann der skrupellose Prophet seine entsetzlichen Pläne verwirklichen und Ägypten vernichten? (Limes)
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