John Irving: "The Fourth Hand" 


Nach der eher enttäuschenden Erfahrung von "Widow for a Year" ist "The Fourth Hand" endlich mal wieder ein Irving-Roman, der etwas Neues bringt. Im Zuge verschiedener Beobachtungen in den Medien zu Katastrophen und der dazugehörigen Berichtserstattung berichtet er in diesem Roman von Patrick Wallingford, der bei einer Reportage in Indien seine Hand an einen Zirkuslöwen verliert. In diesem Zusammenhang wird bereits die Art der Berichtserstattung der in Amerika üblichen 24-Stunden-Nachrichten-Kanäle kritisch unter die Lupe genommen und auch der Einfluss von Einschaltquoten - besonders mit Wirkung auf die internationale Berichtserstattung.

Ungeahnt von Patrick hat sein Schicksal einen Spezialisten für Chirurgie - Dr. Zajac - parat, da per Suchmeldung im Internet  für den prominenten Nachrichtenmann eine neue linke Hand gefunden werden soll. Er verspricht sich dabei nicht nur Ruhm durch die erste erfolgreiche Handoperation überhaupt, sondern darüber hinaus noch größeren Ruhm dadurch, einer so bekannten Person geholfen zu haben. Auf die Internetanzeige meldet sich unter anderem Doris Clausen, die bereits seit etlichen Jahren versucht, mit ihrem Mann Otto ein Kind zu bekommen, was aber - wohl auf Grund seiner Zeugungsunfähigkeit - nicht gelingt. Sie überredet Otto, seine Hand für den Fall seines Todes an Patrick Wallingford zu vermachen, den sie für einen netten Mann hält.

Das ist eigentlich nicht im Sinne Patricks, aber er ist zumindest ein Mann, der Frauen gewohnheitsgemäß nachgibt. Da er auch noch ziemlich attraktiv ist und sich dieser Tatsache nicht sonderlich bewusst zu sein scheint, hat er ständig irgendwelche sexuellen Abenteuer, in die er geradezu unfreiwillig hinein- und aus denen er später meist genauso unfreiwillig herausrutscht. Einhändig wird er von seinem Sender fast ausschließlich für die Berichtserstattung über absurde Unfälle in der ganzen Welt eingesetzt, jede Hintergrundrecherche wird von vornherein abgeblockt und Patrick mit seinem Beruf zunehmend unzufrieden. Als schließlich Otto Clausen durch einen - sehr Irving-typischen Unfall stirbt - wird Patrick durch das Betreiben von Dr. Zajac und Doris erneut selbst zum Objekt einer bizarr anmutenden Berichtserstattung. Doris bringt die Hand ihres Mannes schnellstmöglich "an den nächsten Mann", nicht aber ohne zuvor ein Besuchsrecht für diese Hand zu fordern und Patrick noch vor der Operation beinahe zu vergewaltigen, was schließlich zur Geburt eines kleinen Jungen führen soll, den sie schon immer mit ihrem Mann, der ja nun immer noch seine "Hand im Spiel" hat, haben wollte.

Bewegt durch dieses Erlebnis und die gegebenen Umstände verliebt sich Patrick unsterblich in Doris, was die Grundlage für die gesamte weitere Handlung des Romans liefert, in deren Verlauf er sich außerdem mit spermasüchtigen wie auch sexbesessenen Kolleginnen, deren kastrationssüchtigen Brüdern und ähnlichen seltsamen Gestalten auseinander setzen muss. Dass sein Körper zwischenzeitlich Ottos Hand abstößt und er nun wieder mit einem Stumpf auf der linken Seite unterwegs ist, macht all dies auch nicht unbedingt unkomplizierter.

Von der Idee und der Handlung ist dies ein sehr ansprechender Roman, aber alle Figuren - auch die beiden Hauptprotagonisten - bleiben weitestgehend typenhaft und gewinnen keine richtigen Konturen, was die Leserin und den Leser die ganze Zeit über auf Distanz zu den Ereignissen hält. Erfreulicherweise hat Irving es diesmal unterlassen, Ringen und Bären krampfhaft irgendwo in die Geschichte einzubringen, auch wenn zu Beginn ein Zirkus eine gewisse Rolle spielt. Es ist der beste Irving seit langer Zeit, aber noch nicht wieder wirklich auf seinem alten Qualitätslevel.

(K. -G. Beck; 08/2002)


John Irving: "The Fourth Hand" 
Taschenbuch (in englischer Sprache):
Black Swan, 2002. 380 Seiten.
ISBN 0-5527-7109-0.
ca. EUR 11,92.
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