Sue Roe: "Das private Leben der Impressionisten"


Armut, der Mut der Verzweiflung, familiäre Verwicklungen und später Triumph

Die Bilder der Impressionisten erfreuen sich seit gut hundert Jahren großer Beliebtheit. Als Kunstdrucke, als Thema prächtiger Bildbände und in Kunstkalendern finden sie sich in zahlreichen Wohnungen; in den Museen sind die Originale sowie Sonderausstellungen Publikumsmagneten.

Das war nicht immer so. Kaum eine Stilrichtung in der Kunst, kaum eine Gruppe von Künstlern wurde jemals so verhöhnt und verkannt wie Manet, Monet, Cézanne, Pissaro, Renoir, Degas, Berthe Morisot, Bazille, Sisley und Mary Cassat. Nicht alle von ihnen haben lange genug gelebt, um den Ruhm, der ihnen schließlich zuteil wurde, auskosten zu können.

Dieses Buch nun widmet sich dem langen Weg, den die Gruppe zu gehen hatte, und legt den Schwerpunkt auf den privaten Aspekt: auf die Freundschaften und Animositäten unter ihnen, auf ihre Liebschaften, Ehen und Familien, auf ihre finanziellen Schwierigkeiten und ihre Wahl von Motiven und Modellen.
Der Leser erfährt, wie die Mitglieder der oben genannten Gruppe - die sich lange nicht unbedingt als solche verstand, jedenfalls nicht im Sinne einer Künstlervereinigung - in den 1860er-Jahren zueinander fanden: in Ateliers wie jenem des "Père Suisse", wo ihnen Modelle und Unterricht zur Verfügung standen, wo sie aber nicht, anders als in der Académie des Beaux-Arts, die sich und die das Publikum als Maß aller Dinge verstand, auf die klassische Malerei festgelegt und somit in ihren Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt wurden. Freilich hatten sie aus diesem Grund nur geringe Chancen, für die Ausstellung "Salon des Beaux-Arts" zugelassen zu werden, die damals praktisch die einzige Möglichkeit für Künstler darstellte, Käufer zu finden.

In "Das private Leben der Impressionisten" lernt der Leser die zum Teil recht unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründe dieser recht skurrilen Persönlichkeiten kennen; die meisten, wie Manet, stammten aus "guten" und "sehr guten" Familien, andere aus etwas einfacheren Verhältnissen. Praktisch alle unter ihnen blieben lange Zeit von den Zuwendungen ihrer Eltern und Familien abhängig, nicht nur, weil ihre Kunst nicht "an den Mann" zu bringen war; einige von ihnen zeugten frühzeitig Kinder mit ihren nicht standesgemäßen Geliebten, heirateten diese heimlich und mussten nun auch für eine eigene Familie sorgen, ohne dies ihren Eltern beichten zu können.

Manet, der eigentlich nicht hundertprozentig zu den Impressionisten gehört, wurde zu einer Art Vorreiter der Jüngeren, zumal er gelegentlich für den "Salon" zugelassen wurde. Trotzdem litt auch er unter den Schmähungen des Publikums, das die Motive und die Technik der Impressionisten nicht akzeptierte, produzierten sie doch keine Historienbilder mit einer klar verständlichen Botschaft, die auch die ungebildeten Neureichen begriffen, und die ihnen moralische Bereicherung und intellektuelle Erkenntnis bot, sondern ihre Werke spiegelten scheinbar flüchtige Eindrücke von alltäglichen Begebenheiten wider und beinhalteten vor allem das Leben einfacher Menschen, die das vornehme Publikum möglichst zu übersehen gewohnt war.

Die bittere Not, die ein ständiger Begleiter der meisten Impressionisten blieb, weiß Sue Roe recht dramatisch zu schildern. Sehr plastisch stellt sie auch die Verzweiflung während des Krieges von 1870/71 und des darauf folgenden Bürgerkriegs mitsamt der Pariser Kommune dar - Bazille wurde Opfer des Krieges, und manch anderer entging nur knapp dem Tod.

Schließlich schlossen sie sich zusammen und organisierten eigene Ausstellungen, die ihnen allerdings fast nur vernichtende Kritiken einbrachten. Manet machte von Anfang an nicht mit. Allmählich zerbrach die Gruppe, da auch andere mit einer neuerlichen Beteiligung am "Salon" liebäugelten, vor allem aufgrund ihrer finanziellen Verbindlichkeiten.

Ein Kunsthändler stand unverbrüchlich, den eigenen Ruin riskierend, hinter den Impressionisten (wie Sie vermutlich wissen, handelt es sich bei dieser Bezeichnung um einen Spottnamen): Paul Durand-Ruel. Als er 1886 mutig die Bilder der in Frankreich geächteten Künstler in New York ausstellte, leitete er den Wendepunkt ein. Denn in den USA herrschten liberalere Ansichten, dort fanden die Werke der Künstler bald Absatz und erzielten vergleichsweise hohe Preise.

Die Autorin versteht es, die vielen Künstlerviten einzeln zu berücksichtigen und doch stets den Zusammenhang zu wahren, sodass das Buch, erstaunlich genug, niemals zerrissen wirkt und keine Brüche entstehen. Obwohl sie möglichst immer der Chronologie folgt und somit Ereignisse aus dem Leben der verschiedenen Maler nebeneinander stellt, wirkt das Buch niemals verwirrend, und der Leser gewinnt einen differenzierten Eindruck sowohl von den einzelnen Charakteren und Viten als auch von der Gruppe als "Gesamtorganismus".

Ausgesprochen spannend, dabei eng an den Fakten orientiert und ohne übertriebene Sentimentalität, schildert Sue Roe, wie die Maler zu ihrem persönlichen Stil fanden, welche Beziehungen sie zueinander unterhielten, und wie sie ihre Lebenspartnerinnen (und, im Fall von Berthe Morisot, Lebenspartner) fanden, die für die meisten von ihnen als starke Frauen im Hintergrund von großer Bedeutung waren.

Darüber hinaus wird in Sue Roes Schilderung auch das Paris der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebendig, die Bemühungen des Barons Haussmann, aus einer mittelalterlichen Stadt eine moderne Metropole zu machen, die bittere Armut und das Elend in den Vorstädten, zu denen damals auch Montmartre gehörte, und in denen die Impressionisten zahllose Motive (und Modelle) fanden, sowie die Idylle einige Bahnstationen weiter draußen, beispielsweise in Argenteuil. Der Krieg mit seinen traumatischen Erlebnissen und die Abschaffung der Monarchie als Zäsur, die Borniertheit eines Publikums, das den ihm von den Impressionisten vorgehaltenen Spiegel mit Spott und Häme quittierte, die finanzielle Abhängigkeit von Eltern und begüterten Mäzenen (die freilich erst relativ spät auftraten): all diese Aspekte werden angemessen berücksichtigt. Vor allem erfährt Durand-Ruel, den man mit Fug und Recht als einen Retter der Künstler bezeichnen kann, eine angemessene Würdigung.

Das Buch enthält zwei Blöcke mit Werken der Impressionisten und Fotos, teils farbig, teils schwarz-weiß. Im Anhang findet der Leser nebst Anmerkungen, Personenregister und Literaturverzeichnis auch eine Auflistung der Höchstpreise, die Werke der einzelnen Impressionisten in neuester Zeit bei Auktionen erzielten.

Sue Roes Werk ist für Freunde impressionistischer Malerei schon aufgrund der Fülle an kurzweilig präsentierten Informationen sehr zu empfehlen. Dank der attraktiven Aufmachung eignet es sich auch vorzüglich als Geschenk.

(Regina Károlyi; 07/2007)


Sue Roe: "Das private Leben der Impressionisten"
Übersetzt von Dominik Fehrmann.
Parthas Verlag, 2007. 448 Seiten.
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