Ibn Battuta: "Reisen ans Ende der Welt 1325 - 1353"


Der Islam hatte sich im Mittelalter von Marokko und Spanien im Westen bis Bangladesch und Sumatra im Osten ausgeweitet. Jedoch handelte es sich dabei nicht um eine politische Einheit, sondern um eine kulturelle. Obwohl der Glaube des Islam, der Koran und die islamische Rechtsprechung alle diese Menschen einte, wussten doch die meisten nicht, wie es in den weiter entfernt liegenden Ländern aussah. Zwischen dem neunten und dreizehnten Jahrhundert begannen gelehrte Muslime bis an die Grenzen der muslimischen Welt und teilweise darüber hinaus zu reisen. 
Der 1304 in Tanger geborene Ibn Battuta war einer von ihnen, der sich 1325 auf eine Pilgerreise nach Mekka aufmachte und in der Folge 25 Jahre unterwegs war, bis er seine Heimatstadt am Atlantik wiedersah. Leider fand der Herausgeber Hans D. Leicht es nicht für wert, die Beschreibungen der arabischen Welt in den Vordergrund zu rücken. Dagegen lässt er in diesem Buch Ibn Battuta von Turkestan, Indien, den Malediven, Ceylon und China erzählen. 

In Turkestan beschreibt Ibn Battuta die alten berühmten Städte wie Samarkand und Buchara, bei denen aber immer noch die Folgen des Einfalls Dschingis Khans sichtbar sind. Im Weiteren reist er nach Indien, wo er am Hofe des Großsultans gnädig aufgenommen wird und für viele Jahre den Posten eines Kadi innehat. Einmal erlebt er dort eine Witwenverbrennung, welche aber nur Abscheu in ihm hervorruft. Er schildert auch, wie schwer es ist, das Geld, welches der Sultan einem versprochen hat, auch zu kriegen. Denn um es zu bekommen, muss man die auszahlenden Stellen beschenken. Nachdem er jahrelang dem Sultan treu gedient hat, beauftragt ihn dieser, mit einem Geschenk und als Gesandter zum Kaiser von China zu reisen. Als er sich jedoch mit all den Geschenken und Dienern einschifft, kommt ein Sturm auf und zerschmettert alle Schiffe. Zurück zum Sultan traut er sich nicht, macht sich aber trotzdem nach China auf. Eine Zeit lang lebt er als Kadi auf den Malediven, wo es ihm trotz seiner Strenge nicht gelingt die muslimischen Frauen dazu zu bewegen ihren Oberkörper zu verhüllen. In der Kokosnuss sieht er ein Potenzmittel, denn obwohl er auf den Inseln vier Frauen und weitere Sklavinnen hatte, kann er alle seine Frauen befriedigen und wundert sich selbst darob doch sehr. 
Aber auch auf den Malediven hält er es nicht lange aus und macht sich wieder auf den Weg nach China. Vom Reich der Mitte ist er sehr begeistert, da er die Sauberkeit der Menschen und die straffe Organisation des Landes bewundert. Er erzählt vom Papiergeld, welches zu dieser Zeit bereits verwendet wurde, und von der Bürokratie der Beamten. Da jeder Bürger in einer chinesischen Stadt um sein Haus herum einen Garten hat, nehmen die Städte riesige Ausmaße an. Er kommt just zu der Zeit nach Peking, als der Kaiser ausgezogen ist, um Krieg gegen seinen Neffen zu führen. Der Kaiser unterliegt jedoch und es kommt in China zu große Wirren, sodass Ibn Battuta schnell wieder abreist. 
Von Südindien kehrt er jedoch nicht nach Delhi zurück, da er immer noch den Zorn des Großsultans fürchtet, sondern schifft sich nach Jemen ein. In Medina schildert er auf das Genaueste, wie es zum Bau der Moschee und zu ihrer laufenden Veränderung gekommen ist. Nach 25 Jahren bewegter Reisetätigkeit kommt er wieder nach Marokko und diktiert dort einem Dichter seine Erlebnisse. Er hält es aber nicht aus und bricht ein letztes Mal auf. Er durchquert die Sahara und besucht Timbuktu, die "Königin der Wüste". 

Das Interessante an Ibn Battutas Reiseberichten ist, dass man sehr gut die Zeit und die Kultur des Islams des Mittelalters spüren kann. So geht er nie näher auf die Religionen der Ungläubigen ein, sondern verdammt sie alle einfach als Götzendiener. Weiters erzählt er von vielen moslemischen Heiligen und den Hospizen, die sie gegründet haben. Sklaven und Sklavinnen gehören zu dieser Kultur, und er selbst kauft sich fast überall, wo er hinkommt, eine oder mehrere Sklavinnen, die mit ihm das Bett teilen müssen und die ihm auch das eine oder andere Kind zur Welt bringen. Selbst Frauen, mit denen er verheiratet war, gebaren ihm Söhne und Töchter, um die er sich aber nie wirklich kümmerte. 
Es gelang Ibn Battuta ein lebendes Bild von den Ländern zu vermitteln, die er bereiste. Manchmal wird er ein wenig fantastisch, wenn er schildert, wie er auf dem Meer den Vogel Rock beinahe zu Gesicht bekam, jedoch meistens ist er ein recht nüchterner Berichterstatter, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität bleibt.

(Ivan Kristianof; 08/2002)


Ibn Battuta: "Reisen ans Ende der Welt 1325 - 1353"
Taschenbuch. 
Heyne, 2001. 309 Seiten.
ISBN 3-453-18715-6.
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